Ich hatte ein richtig gutes Tertial in der HNO.
Ich habe zusammen mit einem anderen PJler begonnen (insgesamt waren wir dann zeitweise 3 PJler) und wir wurden sehr freundlich begrüßt, allerdings auch darauf hingewiesen, dass wir jetzt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben. Sowohl die Assistenz-/Fachärzt:innen als auch die Oberärzt:innen-Riege haben uns dann sehr schnell integriert und versucht zu fördern. Man hat sich wirklich schnell als Teil des Teams gefühlt. Auch die Pflege hat uns schnell akzeptiert und mit uns auf Augenhöhe interagiert. Vor allem vom OP-Team war ich auch sehr positiv angetan, dort wurden wir immer sehr respektvoll und kollegial behandelt und haben wirklich nie einen doofen Spruch zu hören bekommen.
Ein typischer Tag lief folgendermaßen ab: Um 7:30 gemeinsame Frühbesprechung, dann ist man auf Station gegangen, hat Blutentnahmen und Flexülen gemacht. Damit war man insgesamt aber meist nicht länger als 1 Stunde beschäftigt (im Verlauf des Tages haben einen die Schwestern noch über einzelne zu erledigende BE/Flexülen informiert - blieb meistens aber noch im Rahmen). Anschließend konnte man sich dann der Visite anschließen, welche im Untersuchungszimmer stattfindet. Dabei kann man neben Dokumentation am Computer auch selbst untersuchen, Verbände wechseln, Trachealkanülen wechseln und ggf. Betäubungstupfer in den Gehörgang einlegen.
Nach der Visite konnte man sich dann entweder mit Arztbriefen beschäftigen oder in die Ambulanz oder den OP gehen. Für die Arztbriefe wurde man am Anfang gut angeleitet und später wurden diese dann nur noch von den Assistent:innen gegengelesen. Meistens waren das Briefeschreiben aber mehr ein "Wenn ihr uns helfen wollt", ich habe auch oft genug gehört, "der Brief läuft nicht weg, du kannst auch was Spannenderes machen". Deshalb war auch nie ein Problem, wenn man gesagt hat, dass man sich gern diese oder jene OP ansehen oder lieber in die Ambulanz gehen möchte. Mittagessen war meistens kein Problem, am ehesten dann, wenn man im OP am Tisch stand.
Feierabend war dann je nach Einsatz im OP und Stations-Arbeitslast (und wann man welchen Assistenten gefragt hat) meist zwischen 15 Uhr und 17 Uhr (offiziell Mo-Do 17:00 und Fr 14:00). Wenn man Termine hat, ist aber eher gehen auch überhaupt kein Problem.
In der Ambulanz kann man sich problemlos in jede Sprechstunde dazusetzen, auch z.B. in die Phoniatrie. Da es eine Hochschulambulanz ist gibt es auch eine allgemeine Sprechstunde mit einem ähnlichen Spektrum wie in der Niederlassung, sodass man auch ambulante Krankheitsbilder sehen kann (Hörsturz/Schwindel/Kinderhörprüfung/Fremdkörper/etc.). Problemlos kann man auch in der Funktionsdiagnostik bei Hörtests/Schwindelprüfung/Kinderhörprüfung/phoniatrische Diagnostik zusehen. Eigenständig Patienten zu ananmestizieren und untersuchen ist schwierig, weil meistens alle Behandlungszimmer in der Ambulanz mit Ärzt:innen belegt sind.
Das OP-Programm deckte (in der post-COVID-Zeit) ein sehr breites Spektrum ab: von Adenotomie, Tonsillektomien über Parotidektomien und Nasen-OPs bis hin zu 12-stündigen Tumor-OPs. Für einige OPs wurde man als PJler auch als 1.Assistenz eingeteilt, das hat man meistens am Tag vorher erfahren (bzw. konnte es dann irgendwann am OP-Plan abschätzen). Typische Assistenzen sind (Septo-)Rhinoplastik, Parotidektomie, Submandibulektomie und Tracheostomie, bei denen man dann teilweise auch einzelne OP-Schritte selber machen darf (zumindest aber Nähen ist oft drin). Bei anderen OPs konnte man entweder zuschauen oder mit assistieren. Dabei waren Fragen immer erwünscht. Besonders Prof. Plontke (macht v.a. Ohr-OPs, bei denen keine Assistenz möglich ist) freut sich meistens über Zuschauer und Fragen, stellt selbst aber auch Fragen (bei denen es aber nicht schlimm ist, wenn man keine Antwort hat).
Eine Besonderheit sind große Tumor-OPs (Pharynx- und Larynx-Ca), die ca. 2 mal im Monat stattfinden. Diese dauern meistens den ganzen Tag und da die Assistent:innen auf Station gebunden sind werden die PJler gerne als Assistenten genommen. Im Idealfall wechselt man sich dabei ab, da die OPs gerne bis abends (18 -20 Uhr) gehen. Als Belohnung darf man dann aber z.B. Spalthaut einnähen und es ist natürlich schon faszinierend, direkt dabei zu sein, einen Hals bis auf die Leitungsbahnen zu präparieren (wenn man sowas cool findet :-D ) Als Ausgleich kann man dann auch vereinbaren, am nächsten Tag später zu kommen oder eher zu gehen (wird einem immer wieder angeboten, muss man dann aber auch einfach einfordern).
Einen Vorteil gibt es noch im HNO-OP: meistens gibt es auch die Möglichkeit zu sitzen statt stundenlang zu stehen.
Insgesamt ist es sehr wichtig sich als PJler (und ggf mit den Famulant:innen) abzusprechen und im OP auszulösen, damit jeder Mittag essen kann und nicht einer die totale Arbeitslast hat. Vielleicht gibt es ja auch unterschiedliche Vorlieben bzgl. OP-Assistenzen. Es war sehr gut, dass wir mind. zu zweit waren, allein könnte es auf Dauer schon sehr anstrengend werden (dann summieren sich BE/Flexülen und OP-Assistenzen schon ganz schön, dann muss man sich gut mit den Assistent:innen absprechen). Das führt auch dazu, dass nach Möglichkeit nicht alle PJler gleichzeitig frei machen sollten (wurde uns so vom OA im Prinzip verboten). Die Folge haben wir einmal gesehen, als wir unseren Seminartag im SkillsLab hatten (also beide PJler nicht da waren) und das zu kleinerem Chaos bei den Assistent:innen geführt hat, weil die plötzlich Station und OP abdecken mussten (ist aber eigentlich eher ein Problem von fehlenden Arztstellen).
Was ich mir gewünscht hätte, wäre ein persönlicher Mentor, der als Ansprechpartner dient. Das wurde uns am Anfang versprochen, dann aber nicht richtig umgesetzt. Trotzdem kann man jederzeit jede:n Ärzt:in fragen, alle sind sehr auskunftsbereit und versuchen einem auch Dinge zu organisieren.
Genauso gibt es keinen festen Rotationsplan, sodass man auf Eigeninitiative angewiesen ist, dorthin zu gehen, woran man interessiert ist (muss es ggf einfach einfordern bei den Assistenten). Dadurch ist man aber auch sehr frei und kann den Schwerpunkt entsprechend legen. Auch da ist es wichtig, sich untereinander einfach abzusprechen.
Es wird auch gern gesehen, wenn man mal am Wochenende einen Tagesdienst mitmacht (Freizeitausgleich gibt es natürlich), was ich auch sehr empfehlen kann, da man dann auch die Patienten sieht, die über die Notaufnahme kommen (Nasenbluten/Fremdkörper/etc.)
Sicherlich hätte ich noch deutlich mehr selbstständig arbeiten können v.a. in der Ambulanz, was aber leider auch ein wenig der Arbeitsbelastung der Assistent:innen geschuldet ist, da diese einfach nicht die Zeit haben, einen erst selbst anamnestizieren und untersuchen zu lassen und dann nachzuuntersuchen. Umgekehrt kann man aber problemlos die Patient:innen nachuntersuchen, während die Ärzt:innen dokumentieren.
Als PJ-Lehre gibt es montags ein Seminar, was von der Inneren ausgerichtet wird mit wechselnden Themen. Einmal im Tertial ist ein Seminartag im SkillsLab mit Seminaren, praktischen Übungen, Interprofessioneller Lehre und einer M3-Prüfungssimulation.
Die HNO macht selbst keine ausgewiesene PJ-Lehre.
Insgesamt war ich trotzdem sehr zufrieden, da man wirklich ein breites Spektrum (vom Ohrenschmalz bis zur nekrotisierenden Fasziitis) sehen kann und viel lernt. Das super Team (sowohl ärztlich als auch nicht-ärztlich) macht es einem zudem leicht, auch mal längere Arbeitszeiten zu tolerieren, weil auch alle auf das Wohl der PJler achten . Insgesamt sicherlich kein Urlaubs-Tertial, aber lehrreich und voller Eindrücke.
+ Spitzen-Team, das einen sofort integriert
+ man fühlt sich sehr wertgeschätzt, die Assistent:innen sehen einen eher als Bonus, nicht als billige Arbeitskraft
+ relativ frei in der Einteilung
+ man lernt Ohrmikroskopie und Endoskopie
+ Nähen im OP, praktische Fertigkeiten auf Station (Trachealkanülen-Wechsel, Verbandswechsel)
+ man kann bei allen Arten von OPs dabei sein, oft sogar am Tisch stehen
+ man kann am Ende sehr sicher Flexülen legen und Blutentnahmen machen (ist aber nicht der Blutentnahme-Sklave)
+ Patientenklientel, was nicht nur aus multimorbiden 70+ besteht
- kein richtiger Mentor
- kein fester Rotationsplan
- wenig selbständiges Arbeiten
- es wird bei einigen OPs erwartet, dass man als Assistenz zur Verfügung steht (was auch mal bis nachmittags gehen kann)
- Flexülen und Blutentnahmen sind klar PJ-Aufgabe, was zu Problemen führen kann, wenn sie z.B. 15:30 auftauchen und man eigentlich gerade gehen wollte (wenn man es nicht schafft, machen es die Assistenten natürlich trotzdem)
Tipp: Sagt einfach den Ärzt:innen, wenn euch was interessiert oder ihr irgendwas gerne mal machen wollt, dann wird es euch eigentlich immer ermöglicht. Und je mehr Interesse ihr zeigt, desto mehr bekommt ihr auch zurück.