Kapstadt - eine Stadt voller medizinischer Überraschungen
Warum zieht es alle PJler nach Südafrika und ganz speziell Kapstadt? Dieser Frage bin ich auf den Grund gegangen und bin nun genauso fasziniert als auch schockiert von den Eindrücken die ich in meinen letzten zwei Monaten erlebt habe.
Praktikum
Ich verbrachte zwei Monate in der pädiatrischen Traumatologie im Red Cross War Memorial Children‘s Hospital. In diesem Zeitraum war ich im Trauma Front Room (Notaufnahme der Trauma) und habe sehr viel gesehen und gelernt. Dies betrifft Nadeln legen, arteriell punktieren, gipsen, Patienten selbstständig aufnehmen, das diagnostische Prozedere planen sowie Katheter legen und nähen (inklusiv Sedierung, Lokalanästhesie, Waschen, Desinfizieren). Die Krankheitsbilder umfassten Politraumata nach Autounfällen, Brandwunden, Sturz aus großer Höhe, Schusswunden, Stichwunden, und auch sexuellen Missbrauch. Auch im OP („theatre“) assistierte ich bei notfallmäßigen Laparotomien und Thorakotomien nach Schuss- und Stichwunden. Aufgrund meiner hohen Motivation bezüglich der Trauma habe ich dann unter Absprache mit UCT einige Schichten in der Trauma vom Groote Schuur mitgenommen. Auch hier kann man sehr viel nähen, arteriell punktieren und Katheter legen. Vorallem die Nachtdienste waren besonders spannend und ich konnte bei Amputationen assistieren. Diese werden bereits durch die frisch approbierten „Interns“ durchgeführt. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie viel praktische Kompetenzen die Ärzte haben. Es ist ganz normal, dass ein Chirurg auch intubieren kann und sich mit Notfallmedikamenten auskennt.
Wohnung
Ich wohnte für zwei Monate in der “Freeland Lodge” mit vielen deutschen PJlern sowie anderen internationalen Studierenden aus aller Welt. Sie liegt im Studentenviertel Observatory. Man kann von der Lodge zu Fuß zum Groote Schuur Hospital laufen und einfach zu den umliegenden Krankenhäusern ubern. Die Stimmung war fantastisch und man kam mit so vielen inspirierenden Menschen zusammen. Schon am Tag meiner Ankunft wurde am Pool gegrillt und ich kam mit meiner PJ Rotation und den anderen Internationals in Kontakt. Ich wohnte im Bungalow direkt neben dem Pool und teilte mein Zimmer mit einer PJlerin aus Rostock. Überraschenderweise war es extrem angenehm in einem Zweier-Zimmer zu wohnen und auch wenn wir zu sehr unterschiedlichen Zeiten nach Hause kamen, hatte ich nie das Bedürfnis, in ein Einzelzimmer zu wechseln. Das Studentenviertel Observatory ist nicht zu unterschätzen. Es gibt zwar zahlreiche tolle Hipster-Cafés und Second-Hand-Shops, aber es sind auch immer viele arme Bettler unterwegs die nach Geld und Essen fragen. Einmal wurden zwei Studenten vor unserem Haus ausgeraubt. Ich selbst bin als 1,63 große, europäische Frau dort trotzdem gut zu Fuß unterwegs gewesen und habe für mein Gefühl einfach ein Pfefferspray dabei gehabt.
Kapstadt
Das kulinarische Angebot ist grenzenlos, die Strände wunderschön und die Menschen einfach wahnsinnig freundlich. Ich kann verstehen, dass man sich in die Region verlieben kann. Ob eine Safari im Aquila Reserve, eine Weintour im Franschhoek oder die tollen Wanderungen um den Tafelberg: es ist eine sehr einzigartige Region. Die große Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist permanent präsent und wir waren oft schockiert von den Zuständen. Besonders in den Kliniken ist man mit der Armut stark konfrontiert und ich persönlich habe im laufe des Aufenthalts eine starke Dankbarkeit für meine europäische Herkunft und Gesundheit entwickelt.
Transport
Da man sich die Transportsituation von Europa aus schwer vorstellen kann, gehe ich darauf etwas detaillierter ein. Bis auf Mitchell’s Plain, Tygerberg und Kayelitscha sind alle Krankenhäuser von fast allen Stadtteilen super mit dem Uber zu erreichen. Sonst ist auch ein eigenes Auto ist nicht so teuer
und lohnt sich vor allem für diejenigen, die am Freizeitangebot außerhalb von Kapstadt interessiert sind (z.B. Surfen, Kaitsurfen, Klettern, …). Die nationalen Flüge sind sehr billig, sodass ich am Ende meines Praktikums noch die Graden Route und Johannesburg bereisen konnte.
Mentalität
Der womöglich beste Teil der Austauschs waren die Menschen selbst. Ich hätte niemals gedacht, dass die Reaktion gegenüber uns zahlreichen deutschen Medizinstudenten so positiv sein würde. Ich hatte wirklich nie das Gefühl im Weg zu stehen und die Ärzte haben sich wirklich immer über die Hilfe gefreut un sich dankbar gezeigt. Die Menschen aus den ärmeren Schichten hatten teils beeindruckende Lebenseinstellungen, die oft von Lebensfreude geprägt ist und sich stark von unserem europäischen Materialismus abgrenzt. Ich habe tolle Freundschaften zu den Interns und Assistenzärzten (Registrars) knüpfen können und man hat mich in meinem Wunsch Chirurgin zu werden immer sehr bestärkt. Rassismus ist meiner Meinung nach zwar noch teilweise sichtbar, aber es wird sehr viel dagegen unternommen. Farbige Frauen werden bei der Bewerbung um Assistenzarzt-Stellen bevorzugt, sodass meine Vorgesetzten meistens dunkelhäutige Chirurginnen waren. Außerdem ist man keineswegs auf die deutschen PJler angewiesen, um neue Kontakte zu knüpfen. Ich würde zukünftige PJler jederzeit ermutigen, sich aus der deutschen Medizin Bubble heraus zu begeben, denn es gibt so viel zu entdecken und man kann die Welt mit ganz anderen Augen sehen, wenn man sich darauf einlässt.
Letzter Rat
Ich glaube nicht unbedingt, dass es das Nähen oder die Thoraxdrainagen sind, die am Ende das Praktikum in Südafrika so wertvoll machen. Für mich war es vorallem der zwischenmenschliche Umgang in der Klinik, den ich nie vergessen werde. Ich habe noch nie erlebt, dass man im klinischen Kontext so wertschätzend und offen miteinander umgeht, wie dort. Die Studiengebühren (~1000€ / Monat) sind zwar sehr hoch, aber meiner Meinung nach ist es aus medizinischer Sicht eine sehr reiche, charakterbildende Erfahrung. Tygerberg, Mitchells Plain und Kayelitscha sind besonders dann eine sehr gute Wahl, wenn man noch mehr selbstständig sein will, viel reanimieren will und Thoraxdrainagen legen möchte.
Bewerbung
1,5 Jahre im Voraus über UCT Health Elective Sciences