Diagnostik, Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP
Heimatuni
Berlin
Kommentar
Im Rahmen meines PJ habe ich in Sep/Oct 2022 ein halbes PJ-Tertial in Newcastle upon Tyne in der Kardiologie des Freeman Hospital verbracht. Newcastle hat drei Universitätskliniken: Die Royal Victoria Infirmary, das Freeman Hospital und das Great North Children’s Hospital.
Die Arbeit im Krankenhaus
Am ersten Tag meines Aufenthaltes hatte ich mit meinem Betreuer ein kurzes Gespräch über meine Erwartungen. Er hat mir hier direkt gesagt, dass ich als Student ausschließlich zum Lernen da bin und keine Verantwortung trage. Da ich später in die Psychiatrie möchte, wollte ich insbesondere kardiologisch-klinische Skills lernen und allgemein möglichst viele Unterbereiche der Kardiologie mal gesehen haben. Mein Betreuer hat mir dann empfohlen einfach selbstständig auf Station Patienten zu untersuchen und dann in der Akte nachzuschauen was sie haben. Es wurde dann auch zu keinem Zeitpunkt etwas von mir erwartet, wie etwa in Deutschland Blutentnahmen oder Aufnahmen (jedoch konnte ich diese Dinge jederzeit machen, wenn ich wollte).
Ich konnte dann im Laufe meines Aufenthaltes auch viele verschiedene Sachen sehen. So war ich am Anfang viel auf der Herzinfarktstation, um Anamnesen, KUs und deren Dokumentation zu üben und den Assistenzärzten etwas Arbeit abzunehmen. Montag- und Dienstagvormittag war ich immer mit meinem Betreuer in der Outpatient Clinic, wo dieser mir gerne auch die Untersuchung und Anamnese von Patienten überließ und nebenbei viel erklärte. Später habe ich mir dann noch alle möglichen anderen Bereiche angeschaut: Den Herzecho-Bereich (hier haben mich die Technicians sehr bereitwillig zu ihren Echos mitgenommen und mir alle Abläufe und Bildbefunde genau erklärt), das Herzkatheter-Labor (hier habe ich viele PCIs, TAVIs und Vorhofablationen gesehen), die Thoraxchirurgie (hier konnte ich bei einem offenen Klappenersatz und einer Aortenprothese dabeisein), die Transplantatstation, die kinderkardiologische Station und Outpatient Clinic und noch einige andere Bereiche. Da ich keine Verpflichtungen hatte, konnte ich theoretisch auch außerhalb der Kardiologie überall vorbeischauen. Dabei war ganz toll, dass die meisten Mitarbeiter im Klinikum sehr bereitwillig Teaching gemacht haben und es eine Kultur gab, wo das quasi als Selbstverständlichkeit gesehen wurde. Oft bin ich einfach selber irgendwo hingegangen, habe mich vorgestellt und gefragt ob ich dabei sein durfte und dann habe ich oft eine wunderbare Betreuung bekommen. Dieser Aspekt hob sich sehr von meiner Erfahrung in Deutschland ab, wo Ärzte doch öfter eher keine Zeit oder kein Interesse am Teaching haben, und war eine wirklich schöne Erfahrung, die ich als Arzt später selber gerne an Studierende zurückgeben möchte.
Neben diesem klinischen Lernen gab es über die Woche verteilt auch noch viele Lehrveranstaltungen im Klinikum. Immer mittwochs in der Früh durften wir mit den Consultants kardiologische Fallbeispiele besprechen. Zweimal in der Woche gab es noch Journal-Clubs, wo man kostenlose Sandwiches abstauben konnte und sich alle Cardio-Consultants trafen, um lebhaft über irgendwelche neuen Studienergebnisse zu diskutieren und ob und wie sie daraufhin ihre klinische Praxis ändern werden. Zusätzlich dazu gab es natürlich auch noch Teachings von allen anderen Fachbereichen übers ganze Krankenhaus verteilt, zu denen man einfach random hingehen konnte. Ich war dann auch öfter mal im Gastro- und Pulmo-Teaching. Allgemein ein Pluspunkt im Krankenhaus war, dass eine tolle und positive Stimmung herrschte. Es war normal, sich auf den Gängen beim Vorbeigehen zu grüßen und anzulächeln. Die Assistenzärzte auf der Infarktstation waren super nett und herzlich und habe sich immer riesig gefreut, wenn man ihnen mal bei den BEs oder Aufnahmen geholfen hat. Sie haben sogar vorgeschlagen meinen Geburtstag im Pub zu feiern, was wir dann auch gemacht haben. Fachlich war der Aufenthalt insgesamt wirklich top, weil ich eine so große Vielfalt an praktischer Medizin zu sehen bekam und das in einer Atmosphäre, die extrem lernfreundlich war.
Freizeitgestaltung in Newcastle
Newcastle ist eine schöne Stadt am Fluss Tyne mit einem urigen historischen Kern. Die Küste um Tynemouth ist nur ein paar U-Bahn-Stationen entfernt. Es gibt in Newcastle viele schöne Pubs (z.B. The Hancock, Tyne Bar, Brandling Villa, Five Swans). Ein kleiner Geheimtipp ist das Künstlerviertel Ouseburn, wo man Sonntag morgens mal einen Kaffee mit Kuchen trinken kann. Die Küste hat einige schöne Fischerdörfer und eignet sich toll zum Spazierengehen am Strand. Sie lässt sich leicht mit der U-Bahn von Newcastle aus erreichen. Samstags ist hier immer der Tynemouth Market wo man gut schlendern und essen kann. Ebenfalls ein Geheimtipp ist das Café “The View” direkt am Strand mit einem einzigartigen Blick aufs Meer, super zum Pausieren bei einem längeren Strandspaziergang. Die Sonnenuntergänge an der Küste sind der Hammer.
Rund um Newcastle herum sind auch einige tolle Orte. Reisetipps sind insbesondere Alnwick Castle (die Burg wo unter anderem die Quidditch-Spiele in Harry Potter gedreht wurden, man lernt hier aber auch viel über die englische Aristokratie), Hadrian’s Wall und York (hat eine einzigartige gotische Kathedrale). Wenn man schon in UK ist, lohnt es sich ggf. auch London, Oxford, Cambridge, und evtl. Schottland und Irland zu besuchen. Schön war, dass wir in Newcastle eine größere Gruppe von internationalen Studierenden waren (ca. 30) und oft zusammen etwas unternommen haben. Es war schön in der Gruppe die Gegend in Nordengland zu erkunden.
Praktische Aspekte
Ich bin nach Newcastle von Berlin aus mit dem Zug über Brüssel angereist. Dafür hatte ich ein Interrail-Ticket für 10 Tage innerhalb von 2 Monaten gekauft. Das hatte neben der Schonung der Umwelt den Vorteil, dass man innerhalb Englands einige Tage hatte, an denen man spontan und kostenlos den Zug nehmen kann (um z.B. einen Wochenendausflug nach London zu machen). Die Fahrt über Brüssel und den Eurotunnel dauert lange, aber ich habe dann in Brüssel übernachtet und die Reise mit einer Stadtbesichtigung kombiniert.
Bei der Wohnungssuche sollte man die unterschiedliche Lage der Krankenhäuser beachten (die Royal Victoria Infirmary ist in der Innenstadt, während das Freeman Hospital etwas weiter außerhalb liegt). Für die Wohnungssuche braucht man dann etwas mehr Geduld. Die großen Studierendenheime vermieten immer nur semesterweise, weswegen ich dort für zwei Monate nichts bekommen habe. Die Uni Newcastle vermietet mit ihrer Staff & Visitor Accommodation (https://www.ncl.ac.uk/accommodation/university/staff-and-visitors/) extra kurzfristigen Mietraum. Hier kann man manchmal ein Schnäppchen machen. Diese Räume haben auch den Vorteil, dass sie eine vorzügliche Lage gleich am Klinikum haben. Während einige andere Studierende darüber was Gutes bekommen haben, habe hier allerdings nur ziemlich teure Angebote gesehen. Mein Zimmer habe ich letztendlich über https://www.spareroom.co.uk/ gefunden. Ich habe hier für zwei Wochen ein Bezahlabo abgeschlossen (ohne Abo kann man auf Wohnungsanzeigen leider erst zwei Wochen nach ihrer Einstellung reagieren) und dann innerhalb einer Woche auch ein Zimmer in guter Lage gefunden.
Da Newcastle relativ kompakt ist, war es sehr praktisch vor Ort ein Fahrrad zu haben, um schnell und günstig von A nach B zu kommen. Ich habe an den ersten Tagen für £30 über Gumtree ein gebrauchtes Rad gekauft. Damit bin ich dann immer in 20 min aus Ousburne zum Freeman Hospital geradelt. Am Ende des Aufenthaltes habe ich es dann wieder verkauft. Falls ihr euch fürs Radfahren entscheidet, Regenjacke nicht vergessen! Es regnet nicht selten in Newcastle. :)
Bewerbung
Die Bewerbung ist min. 6 Monate vor Beginn des Aufenthaltes möglich. Bevor man sich bewerben kann, sollte man einen Betreuer vor Ort finden. Da ich in die Kardiologie wollte, habe ich damals einfach die E-Mail-Adressen aller Cardiology Consultants in der Royal Victoria Infirmary und im Freeman Hospital rausgesucht (kann man einfach über die Website https://www.newcastle-hospitals.nhs.uk über Staff → Consultants) und jedem eine informelle Bewerbungsmail mit meinem CV geschrieben. Von diesen haben sich dann ca. 50% zurückgemeldet und ich habe dem ersten bestätigt. Die Consultants dort sind den Prozess oft schon gewohnt, sodass viele sehr willkommend sind und sich bereitwillig zurückmelden.
Die Bewerbung selbst geht dann recht unkompliziert über eine Online Application Form (https://www.ncl.ac.uk/medicine/study/electives/) und erfordert einige Standardunterlagen, wie Sprachtest, Empfehlungsschreiben der Heimatuni, Führungszeugnis und Haftpflichtversicherungsbescheinigung. Die Haftpflichtversicherung hatte ich über die Deutsche Ärzte Finanz abgeschlossen. Es wird sonst nicht nach persönlichen Empfehlungsschreiben gefragt. Man muss für die Bewerbung dann eine Gebühr über £210 bezahlen, ansonsten ist der Aufenthalt aber frei von Studiengebühren. Für den Aufenthalt war kein Visum nötig, ich konnte einfach mit meinem Perso/Pass einreisen.