Mein PJ-Tertial in der Chirurgie in Reutlingen würde ich gernerell als "solide" beschreiben, dem grossen Lob der anderen PJler:innen kann ich mich aber nicht uneingeschränkt anschliessen.
Zur generellen Struktur: Die Organisation des PJs ist sehr gut, man startet mit einer ausführlichen Einführungswoche (meiner Meinung nach teilweise etwas zu ausführlich, irgendwann will man ja auch in der Klink starten...), es gibt eine PJ-Umkleide, einen PJ-Arbeitsraum und auch Erhalt von Schlüssel, Badge und Kleidung funktioniert einwandfrei, es gibt für jede Abteilung mehrere PJ-Telefone. Das alles zeigt sicherlich schon, dass die Klinik sich um die PJler:innen kümmert.
Montag bis Donnerstag gibt es von 14-16 Uhr meist Unterricht in 2 verschiedenen Fächern, welcher auch meist stattfindet. Dadurch bekommt man natürlich nochmals einen breiten Einblick, durch die grosse Gruppe ist der Unterricht natürlich allgemeiner und (zumindest teilweise) weniger interaktiv als wenn man ausschliesslich mit dem eigenen Fachgebiet Unterricht hätte. Nach dem Unterricht ist dann auch Feierabend.
Es ist immer gut möglich, pro Woche einen Nachmittag als Studientag frei zu nehmen.
In der Chirurgie ist es in Reutlingen verpflichtend in alle chirurgischen Bereiche zu rotieren (Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Gefässchirurgie und 2 Wochen Notaufnahme). Dadurch lernt man natürlich sehr viel kennen, ist aber (v.a. wenn man über Weihnachten oder im 3. Tertial noch einiges an Urlaub nimmt) nie so lange in einer Abteilung, um richtig gut eingearbeitet zu sein und wirklich Teil des Teams zu werden. Muss man für sich selbst wissen, ob man die vielen Rotationen als Vor- oder Nachteil empfindet.
Arbeitsalltag: In Reutlingen gibt es keinen Blutabnahmedienst, hierfür und für das Legen von PVKs sind ausschliesslich die PJler:innen zuständig. Damit kann man je nach Besetzung dann auch den ganzen Vormittag beschäftigt sein. Leider ist es nicht so, dass man für bestimmte Patient:innen zuständig wäre und Indikation und auch Ergebnis des Labors mit den AA/AÄ besprechen würde, sondern wirklich einfach für die Abnahme zuständig ist. So bekommt man hier zwar viel Routine, medizinisch lernen tut man aber dadurch nichts. Durch die Telefone ist man auch tagsüber weiterhin erreichbar und wird für jede anfallende Blutentnahme oder PVK angerufen. Dazu fallen dann noch weitere "kleine" Aufgaben an wie Pinpflege, etc.
Teilnahme an der Visite ist aber eigentlich trotzdemzum Glück immer möglich. Anschliessend, wie typisch für die Chirurgie, im OP eingeteilt. Allerdings hier in einer sehr passiven Rolle, ausser ab und zu mal eine Hautnaht oder Klammern, gab es nichts, was ich selbst machen konnte. Auch ist man eigentlich immer nur als 2. Assistenz eingeteilt. Da hört man aus anderen Kliniken ja auch schon mal was anderes... Die Stimmung im OP ist dafür meist ganz gut.
Auf Eigeninitiative kann man schon auch mal mit in die Sprechstunde gehen, wenn keine OPs besetzt werden müssen und alle Blutentnahmen gemacht sind, wirklich vorgesehen war das aber eigentlich nicht.
Sehr gut gefallen haben mir allerdings meine 2 Wochen Rotation auf die Notaufnahme. Hier konnte man sehr selbstständig eigene Patientinnen betreuen, anschliessend mit AA/OÄ besprechen und war in die Entscheidungsfindung aktiv mit einbezogen.
Positiv möchte ich zudem noch hervorheben, dass es durchaus die Möglichkeit gibt mit den einzelnen Abteilungen zu sprechen und Veränderungen zugunsten der PJler:innen anzustossen!
Allgemeines:
Ich habe 400€ pro Tertial + gratis Mittagessen + gratis Parkkarte (falls benötigt) bekommen, wenn ich richtig informiert bin gab es jetzt eine Erhöhung des Lohns, dafür kostet nun aber Mittag und Parkkarte.
In Reutlingen gab es immer gratis Mittagessen, sodass sich die PJler:innen meist alle zusammen zum Mittag getroffen haben. Dadurch und auch durch den gemeinsamen Unterricht gab es ein sehr nettes Team-Gefühl unter uns. Allerdings leidet dardurch und auch durch die zeitaufwändigen Blutentnahmen etc. die Integration in das ärztliche Team, wo ich mich darum, im Gegensatz zu meinem 2. PJ-Tertial, nicht als gleichwertiges Teammitglied sondern teilweise eher als arbeitabnehmende Person gefühlt habe.
Da ich kein chirurgisches Fach machen möchte, fand ich mein Tertial im allgemeinen ok. Ich habe durch die vielen Rotationen viel verschiedenes sehen können, aber nicht sehr viel selbst machen können. Auch wenn es in vielen Kliniken wohl so ist, dass man im Chirurgie Tertial viel Blut abnimmt und Haken hält, ist es meiner Meinung nach keine Begründung, nicht trotzdem anderes zu erwarten. Am Ende der 4 Monate hatte ich nicht das Gefühl, genau zu wissen, wie der Arbeitsalltag als Assistent:in aussehen würde, da wir als PJler:innen eine ganz andere Tagesstruktur hatten. Darunter hat das Teamzugehörigkeitsgefühl gelitten, aber dafür gab einen schönen Zusammenhalt zwischen den PJler:innen.
Bewerbung
Interne Bewerbung als Student:in der Uni Tübingen. Ansonsten die Fristen des Tübinger Dekanats beachten (https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/medizinische-fakultaet/studium-und-lehre/studiengaenge/humanmedizin/pj).
Reutlingen ist als Lehrkrankenhaus der Uni Tübingen nicht teil des PJ-Portals!