1. Allgemeine Tipps zur Planung
Ich studiere in BW, weshalb es etwas aufwändiger ist einen Aufenthalt zu organisieren, wenn die Uni nicht auf der Länderliste des LPA steht. Da ich leider die Erfahrung gemacht habe, das viele Unis in Brasilien nicht bereit sind mich ohne Kooperationsvereinbarung aufzunehmen war ich froh, als die UNICAMP zusagte und sich bereit erklärte die notwendigen Formulare auszufüllen, zumal ich auch etwas im Bundesstaat Sao Paulo gesucht habe.
Man kann sich online über diese Seite bewerben (https://www.fcm.unicamp.br/fcm/node/12675) oder eine E-Mail an Clariza vom International Office schreiben. Sie antwortet ziemlich zuverlässig und falls sie es mal nicht tut, einfach nochmal kurz eine E-Mail schicken :)
In dem Bewerbungsformular konnte ich auch meine Wunschbereiche angeben, die alle berücksichtigt wurden.
Da meine Mutter Brasilianerin ist und ich schon öfter dort war, musste ich mich nicht um Reiseimpfungen etc. kümmern, würde aber empfehlen sich frühzeitig darum zu kümmern.
2. Visum und Anreise
Ich habe die brasilianische Staatsbürgerschaft und war nur 2 Monate dort, konnte also auch ohne Probleme als Tourist einreisen und habe mich daher nicht wegen Visa informiert. Zur Anreise ist wahrscheinlich der Flug nach Sao Paulo Guarulhos am sinnvollsten, wobei Campinas einen kleinen Flughafen namens Viracopos hat und es bereits Flüge aus Paris und Lissabon dorthin gibt. Von Sao Paulo nach Campinas kommt man am einfachsten mit dem Bus.
3. Auslandskrankenversicherung
Ich habe über den Marburger Bund eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, musste die allerdings in Brasilien nicht nutzen.
4. Unterkunft
Ich habe über die UNICAMP Facebookgruppe ein Zimmer in einer Republica bekommen. Das war für mich sicherlich die richtige Entscheidung, da ich mit 14 Mädels zusammen gewohnt habe und so schnell Anschluss gefunden habe. Allerdings muss man sagen, das es in Brasilien oft der Fall ist, das man sich Zimmer teilt, um einfach günstiger wegzukommen. Ansonsten kann man nach Kitnet (1-Zimmer-Wohnungen) oder Einzelzimmern suchen, was ich gar nicht so einfach fand. Clariza meinte sie haben auch eine Unterkunft der Universität, wenn Leute aus dem Ausland kommen die wäre aber nicht sehr günstig. Ggf. lohnt es sich für die erste Zeit dort unterzukommen und Vorort zu suchen oder einfach mal im International Office nachzufragen. Es gab auch Optionen bei Airbnb diese waren aber deutlich teurer.
5. Praktikum:
Ich war 2 Wochen in der Traumachirurgie, 4 Wochen in der Allgemeinchirurgie und 2 Wochen in der Herzchirurgie.
In der Traumachirurgie bin ich viel mit den Medizinstudenten aus dem letzten Jahr mitgelaufen. Morgens war erstmal Visite. Die Studenten teilen die Patienten unter sich auf, untersuchen sie, stellen sie während der Visite vor und schreiben danach eine Visitennotiz. Da das Praktikum eher als "observational" galt hatte ich nicht meine eigenen Patienten bin aber mit den Studenten mitgelaufen und hätte sicherlich nach Absprache auch mehr übernehmen können. Danach war oft noch 1h teaching oder Seminar mit einem der Oberärzte. Hier gibt es super viele spannende Fälle, von Schusswunden bis zu schweren Verkehrsunfällen ist alles dabei und Professor Fraga, der sich gerne um die internationalen Studenten kümmert ist super! Je nach Tag ging es nachmittags in die Ambulanz, oder ins Simulationszentrum. Hier konnte man in 3er Gruppen Notfallszenarien durchspielen, was gefilmt wurde und danach mit dem Oberarzt analysiert.
In der Allgemeinchirurgie war ich jede Woche in einem anderen Bereich (Oberer GI-Trakt, Bariatrische Chirurgie, Proktologie und unterer GI-Trakt)
Hier konnte man eine Vielzahl an Krankheitsbildern sehen, viele Erkrankungen die man in Deutschland nicht sieht wie z.B. Chagas und auch nach belieben mit in den OP gehen. Vor allem die Cirurgia biliar ist sehr zu empfehlen, wenn man an Chirurgie interessiert ist und auch etwas nähen lernen möchte. Da darf man eigentlich immer beim Zunähen helfen und bekommt viel gezeigt.
Zwischendrin sind auch immer wieder Seminare und Ambulanz, wo man wieder die Studenten aus dem 6. Jahr begleiten kann.
Herzchirurgie
Hier war ich nur im OP und das Team ist super nett. Allerdings kann man seltener mit an den Tisch. Dafür kriegt man von der Anästhesie viel erklärt und wenn man sich mit denen gut stellt wird einem sicher auch mal angeboten ob man intubieren lernen möchte.
In der Herzchirurgie merkt man leider auch den Unterschied zu Deutschland, das einfach Geld und Ressourcen fehlen und somit teilweise Patienten nicht die beste Versorgung erhalten können.
6. Anerkennung der erbrachten Leistungen
Ich habe mir frühzeitig in Brasilien die notwendigen Formulare unterschreiben lassen und da ich die Unterschrift vom Dekan brauchte das Formular 2 Wochen vorher bei Clariza abgegeben, die sich um die Unterschrift gekümmert hat. War insgesamt relativ einfach sobald man durchgeblickt hat welche Unterlagen notwendig sind.
9. Freizeit und Alltag
Die Unicamp liegt in Barao Geraldo einem Stadtteil von Campinas und eigentlich bewegt man sich größtenteils nur dort. Die unterschiedlichen Fakultäten planen viele Partys, die sich auf jeden Fall lohnen. Auch die Medizinische Fakultät hat regelmäßig Veranstaltungen und die Studenten sagen einem eigentlich immer bescheid und freuen sich, wenn man mitgeht. Außerdem kann man auch mit dem Bus mal nach Sao Paulo oder an den Strand fahren. Sicherlich sagt auch niemand was, wenn man nachfragt ob man mal ein paar Tage frei kriegt. Dann kann man von Viracopos aus auch etwas Brasilien erkunden was sich immer lohnt.
10. Individuelle interkulturelle Erfahrungen
Ich war schon öfter in Brasilien und kann es einfach nur jedem empfehlen. Sicherlich ist es sinnvoll Portugiesisch zu sprechen, da man mit Englisch einfach nicht viel mitnehmen kann und oft nicht weit kommt. Die Gastfreundschaft der Brasilianer sucht ihresgleichen und sie nehmen einfach jeden mit offenen Armen auf.
Ich hab mich überall willkommen gefühlt und würde jederzeit wieder nach Brasilien auch wenn man sagen muss, das man praktisch nicht viel neues dazu lernt. Dafür hat man eine tolle Erfahrung und sieht Krankheitsbilder die einem sonst nicht begegnen würden.
Bewerbung
Ca. 1 Jahr im voraus aber sicherlich auch kurzfristig möglich bei gtifcm@unicamp.br