Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, Station, OP
Heimatuni
Rostock
Kommentar
Zu aller erst: ich würde das chirurgische PJ-Tertial in Neustrelitz leider nicht weiterempfehlen. Die bisherigen guten Bewertungen, sind so weit ich weiß, von PJler:Innen geschrieben, die wegen ihrer Beziehungen ein PJ in Neustrelitz gemacht haben und vielleicht deshalb besser behandelt worden sind.
Wir haben von Juli bis Oktober 2023 zu zweit dort ein PJ gemacht und waren sehr enttäuscht.
Die chirurgische Abteilung ist an sich sehr chaotisch. Es arbeiten dort einige Assistenzärzt:Innen, die leider chirurgisch eher wenig Ahnung haben. Dazu kommt, dass es keine genauen Zuordnungen der Arbeitsbereiche gibt, sodass man auf Station nicht mal weiß, wer jetzt für welche Patient:Innen verantwortlich ist. Auf Station musste man entweder super viel erledigen (von Briefe schreiben bis selbst Medikamente anordnen etc.) oder durfte gar nichts machen, je nachdem an welche:n Stationsarzt/Ärztin man gerade geraten war.
Die Kommunikation mit den Pflegekräften verlief leider auch mangelhaft. Oft wusste weder das Pflegepersonal noch die Ärzt:Innen wer jetzt für wen zuständig ist, und oft wurde Visite auch ohne die Pfleger:Innen angefangen.
In der Notaufnahme war es Gang und Gebe, dass ein Patient von mehr als drei Ärzt:Innen betreut wurde, da sich niemand wirklich für die Notaufnahme verantwortlich sah und stets versucht wurde, die Arbeit auf jemand anderen abzuschieben. Gerne wurde die Arbeit auf uns Pj-lerinnen abgewälzt, insbesondere bei unangenehmen Patient:Innen (wie z.B. welche mit diabetischen Füßen oder Madenbesetzten Wunden).
Im OP durfte man, wenn man Glück hatte, ein paar Mal ein paar Haken halten. Hier hing es davon ab, mit wem man operierte. Ich durfte während des ganzen Tertials zweimal etwas nähen (obwohl ich viele Vorkenntnisse hatte), meine Mit-PJlerin gar nicht. Wenn man Glück (eher Pech) hatte, ist man auch noch an den manchmal etwas cholerischen Unfallchirurgen geraten, der ab und zu im OP rumgeschrieen hat, und man durfte sich anhören, dass man zu dumm ist, um ein Knie zu halten.
Einzig und alleine der Handchirurg hat zumindest alle seine OP-Schritte erklärt und immer nett nachgefragt, ob man sich denn auch mit steril machen möchte.
Auch der Chefarzt war an sich ganz nett (immerhin kein Choleriker), aber man konnte kaum mit ihm über die Probleme oder Fragen reden, die man hatte, da man nichts ernst genommen worden ist und er einem immer ins Wort gefallen ist. Auch nach über drei Monaten konnte er uns nicht auseinander halten und kannte unsere Namen nicht, obwohl wir uns ÜBERHAUPT NICHT ähnlich sehen.
Eine Einarbeitung gab es nicht. Es war unser letztes Tertial, und Gott sei dank kannten wir bereits das Computer-System und hatten schon viel in vorherigen PJ-Tertialen gelernt, ansonsten hätte man wahrscheinlich die ganze Zeit nichts gemacht, da niemand einem richtig etwas erklären konnte.
Organisatorisch lässt sich erwähnen, dass von dem Krankenhaus eine Wohnung gestellt wurde (gg. 250-300€).
Diese war okay. Allerdings handelte es sich um eine WG, und wir mussten den Großteil der Zeit mit einer anderen, schon deutlich älteren Ärztin zusammen leben, die manchmal etwas eigen war. Außerdem fehlten anfangs Töpfe und Pfannen und die Dusche war nicht benutzbar (dies wurde allerdings im Verlauf behoben). Trotzdem war das Wohlfühlen eher schwer.
Auch wenn das Krankenhaus einen Studientag pro Woche zur Verfügung stellte, wollte der Chef nicht dass wir beide diesen am selben Tag nehmen. Wir wollten jeden Freitag frei nehmen und dafür zu der Vorlesung in Rostock fahren, was nicht gut aufgenommen worden ist. Nach großen Kämpfen konnten wir trotzdem die meisten Freitage (nicht alle) einen Studientag nehmen, aber nicht ohne vorher doofe Kommentare einstecken zu müssen.
Hervorzuheben sind zudem die zahlreichen äußerst sexistischen und homophoben Äußerungen seitens der Oberärzte, die man als Studentin natürlich still hat über sich ergehen lassen, aber keinesfalls in Ordnung waren.
Insgesamt kostete das chirurgische Tertial in Neustrelitz aufgrund des Chaos viele Nerven und Anstrengungen. Es war wirklich frustrierend, da man leider kaum etwas gelernt, und trotzdem viel gearbeitet hat. Auf unsere Anregungen wurde nicht eingegangen, im Gegenteil man hatte das Gefühl, dass insbesondere der Chefarzt und die Oberärzte das Gefühl hatten, sie würden sehr gute Lehre machen.
Natürlich gab es einige wenige Ausnahmen, und wenn Zeit war, wurde uns auch mal etwas erklärt oder ein Seminar gehalten. Ein Nahtkurs ist nach Wochen erfolgt, allerdings mit Schweinefleisch, das so dick war, dass man kaum die Nadel hindurch stecken konnte.
Die Assistenzärzt:Innen waren aber, auch wenn sie meist wenig Ahnung von Lehre hatten, größtenteils sehr nett, sodass die Zeit zumindest erträglich war.
Relativierend muss man auch erwähnen, dass wir in einer Umbruchzeit waren, wo viel Personal gerade neu kam bzw. Ausgetauscht wurde. Dadurch war es wahrscheinlicher chaotischer als sonst.
Trotzdem würde ich das Tertial für chirurgisch Interessierte nicht empfehlen. Wenn man allerdings nichts lernen möchte, und auch nichts praktisch machen möchte, ist Neustrelitz vielleicht eher der richtige Ort.