PJ-Tertial Orthopädie in Klinik Gut (1/2024 bis 3/2024)

Station(en)
Orthopädische Chirurgie
Einsatzbereiche
Diagnostik, Notaufnahme, Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP
Heimatuni
Zuerich (Schweiz)
Kommentar

Ich hatte im Engadin insgesamt eine gute Zeit. Der moderne Neubau der Klinik wurde anfangs Jahr bezogen und eigentlich ganz schön gestaltet. Leider ist er nicht besonderlich funktionell geplant, da z.B. vergessen worden sei, einen Notfall und eine Ambulanzeinfahrt miteinzuplanen… Ein paar Kritikpunkte, welche ich hier anbringe, sind möglicherweise auf den Umzug an den neuen Standort zurückzuführen. Viele Prozesse (vom HR bis zur OP-Tätigkeit) sind noch in der Findungsphase und sollen unbedingt optimiert werden.
Vorweg: Ich kann die Stelle für Unterassistent:innen als Teil der ärztlichen Ausbildung nicht empfehlen, solange sich die aktuellen Missständen nicht verbessern. Im Winter im Engadin zu arbeiten, ist für Wintersportliebhaber:innen und Bergfreund:innen jedoch eine wunderschöne Sache. Man kann im Bereitschaftsdienst auf den Skipisten oder auf den Langlaufloipen sein.

Um aufzuzeigen, was mir an der Klinik und den dortigen Ärzt:innen nicht gefällt, möchte ich mich an den sieben Rollen des Frameworks von CanMEDS orientieren (Communicator, Collaborator, Leader, Health Advocate, Scholar, Professional). Jede:r gewissenhafte Ärzt:in soll in all diesen Rollen sein Bestes geben. Mein Eindruck ist, dass ein Grossteilt der tätigen Chirurgen jedoch beträchtlichen Nachholbedarf bei ein paar dieser Rollen hat. Sie sind schon so viele Jahren in diesem Haus und reflektieren ihr eigenes Verhalten und Handeln offensichtlich nicht. Dies widerspiegelt sich in der zum Teil chaotischen Kommunikation, schlechter Teamführung, keinem Teaching, genervter Operationspflege, langen Operationstagen, einer Klinik-Disposition am Anschlag, gleichgültig gewordenen Assistenzärzt:innen sowie demotivierten Unterassistent:innen. Für mich steckt jedes Mitglied des Kaders definitiv am meisten Energie in die Rolle der Professionals, damit die selbsternannte «Boutique der Orthopädie» gegen aussen einen makellosen Auftritt hat, um möglichst allen gut betuchten C-Promis noch am Unfalltag selbst eine spitzenmedizinische Operation zu «verkaufen (!)». Dieser egoistische und finanzielle getriebene Gedanke enttäuschte mich masslos, auch wenn es für das Überleben der Klinik nötig sei. Nun ein paar weitere positive sowie negative Punkte:

Team
• Die Assistenzärzt:innen sind alle voll gut drauf und kommen fast alle aus Deutschland. Unter ihnen merkt man, welche Ortho später machen wollen und welche die Arbeit etwas gelassener angehen. Mit ihnen hat man es voll gut und sie zeigen/erklären viel, sofern sie Kapazität haben. Auch um Witze zu reissen, zu quatschen und etwas privat zusammen zu unternehmen, sind sie nicht abgeneigt.
• Das Kader (v.a. Chirurgie) zeigte sich bezüglich Teamleading gar nicht von der besten Seite. Gerade in so einer kleinen Klinik wäre es möglich und bitter nötig, mit gutem Beispiel voran die Mitarbeitenden zu einem eingefleischtem Team zusammenzuschweissen. Stattdessen wird hinter dem Rücken über andere gelästert und kaum jemand bemüht sich bemerklich, ein Wir-Gefühl über alle Berufsgruppen hinweg zu kreieren. Sehr schade!
• Abwertende und sexistische Aussagen und Handlungen gegenüber Frauen/Homosexuelle: Sind leider keine Seltenheit an dieser Klinik. Heterosexuell ausgerichtete Männer erfahren dies weniger/gar nicht im Gegensatz zu den jungen, gutaussehenden und blonden Unterassistenzärzt:innen. Solche Sachen finde ich ein absolutes No-Go und muss sich sofort ändern!
• Die Fachfrauen/-männer Operationstechnik sind im OP stark ins Team eingebunden. Meine Erfahrung zeigte, dass sie grundsätzlich viel Geduld mit uns UA aufbringen (beim Zunähen, helfen Vorbereiten, …) und uns ihre Tipps kundgeben. Gleichzeitig gibt es einzelne verhältnismässig starke und dominierende Charakteren, welche zwischenzeitlich den Ton klar angeben.
• Alle begrüssen dich sehr nett in der ersten Woche und wünschen einen guten Start (von Pflege bis zu Hotellerie und Putzdienst). Ich fühlte mich im ersten Eindruck gut aufgehoben und warm empfangen.

Arbeit an der Klinik Gut
• Die Arbeit auf der Notfallstation ist eigentlich cool, da man eigene Patient:innen betreuen und mit den AA besprechen kann (auch wenn dies die Notfalleitung nicht will). Dort lernt man mit Abstand am meisten. Ist Hochsaison und gutes Wetter, so gehen viele auf die Pisten und entsprechend stressig wird es auf dem Notfall.
• Wenn man Tagdienst hat, dann ist der/die UA in erster Linie dafür verantwortlich, dass die Operationen aufgeklärt sind. Diese Tätigkeit ist nicht wirkliche bereichernd, monoton und möglicherweise juristisch betrachtet fragwürdig, wenn die UA das machen. Man klärt am ersten Tag schon über Operationen auf, die man noch nie gesehen hat und soll dann Rede und Antwort stehen. Wenn man sich vor Ort etwas in die Operation der anstehenden Aufklärung einlesen will, dann stressen wieder alle vom OP, weil sich das OP-Programm verzögert. Da musst du als UA stark bleiben und deine Sachen in Ruhe gewissenhaft fertig machen (sonst kanns ja gerne ein anderer nach seinem Gusto machen…)!
• Die Arbeit im Operationssaal bedeutet vor allem Haken halten, beim Lagern helfen und die Säle am Schluss putzen. Wenn sie sehen, dass du nähen kannst, lassen sie dich am Schluss zunähen. In den OP kann man ziemlich viel und so konnte ich allerlei OP aller Extremitäten kennenlernen. Als Ortho-Neuling ist das sehr faszinierend!
• Die Arbeit auf der Station ist ziemlich inhaltslos. Man geht bei der Visite mit und hat kaum Aufträge dort. Oder ganz anderst rum: Wenn du dich motiviert zeigst, dann übernimmst du die ganze Station und führst die Visite, falls ein AA nicht kann und dieser dir dies zutraut.
• Es ist angenehm, wie der für die UA verantwortliche Chefarzt locker mit Diensttausch umgeht. Leider kommt die Arbeitsplanung sehr kurzfristig. Ferienwünsche sind gut umsetzbar. In der Hochsaison sollten mehr UA eingestellt werden als bis jetzt, sodass auch ein Früh- sowie Spätdienst für die UA geplant werden kann (Wieso um Himmels Willen soll man die UA ausbrennen und 14h-OP-Tage machen lassen?!? Das führt doch nicht zu einer nachhaltig motivierten Generation junger angehenden Ärzt:innen! Und so lehrreich ist die Arbeit ja doch nicht, siehe unten).
• Die Arbeit, welche wir UA machen, wird leider kaum wertgeschätzt. Höchstens die AA sind sehr froh um unsere Unterstützung, doch von Seiten Chirurgie kommt kaum ein Dankeschön, wenn man nach 12h Assistieren den OP-Saal/das Lagerungsmaterial geputzt hat.
• Die Einführung in die Tätigkeit der UA ist absolut ungenügend. Das liegt weitgehend an der Dienstplanung, dass man in den ersten Tagen niemand zur Verfügung hat, der/die die neuen UA fix in ihre Tätigkeiten einführen könnte. Du wirst ins kalte Wasser geworfen.
• Wenn du dich frühzeitig interessiert zeigst, besteht die Möglichkeit, mit der Ambulanz mitzugehen und einen Sport-Anlass medizinisch betreuen zu können. Dies bereichert dich mit weiteren Puzzleteilen der medizinischen Unfallversorgung im Oberengadin.


Teaching
• Der ausschlaggebende Grund, weshalb ich die Stelle für deine Medizin-Laufbahn nicht empfehle. Den Lehrauftrag nehmen sie gar nicht wahr und als UA bist du v.a. Dienstleister der kleinen Sachen und Tätigkeiten, welche sonst niemand machen will. Sie haben keine strukturierte Weiterbildung. Laut ihnen ist der um 7:00 Uhr tägliche Rapport die Weiterbildung… Leider hat das mit didaktisch sinnvoll aufgebauter Lehre absolut nichts am Hut, da einfach alle Bildgebungen vom Vortag 5 Sekunden überflogen werden und kaum jemand etwas dazu erklärt. Es gäbe zwar mittwochs noch einen Vortrag der AA, doch in meinen Monaten habe ich diese nie erlebt, weil ja zu dieser Zeit die Aufklärungen gemacht werden müssen, sonst ist wieder das OP-Programm im Verzug…
• Auch auf dem Notfall erhält man kaum Teaching vom Kader. Die AA wären motiviert, den UA etwas zu erklären, doch diese drehen in der Hochsaison selbst am Rad. Wenn man von der Expertise der Notfallleitung direkt profitieren möchte, musst du einen guten Tag erwischen. Dann hast du aber die lehrreichsten 5 Minuten des Monats! Mehrheitlich gab die Notfallleitung mir den Eindruck, keine Lust auf UA zu haben.
• Während den Operationen sind ein paar Chirurgen gewillt, von sich aus dir ein paar Sachen zu erklären, dein Wissen zu prüfen oder deine Fragen zu beantworten. Etwas nicht zu wissen ist überhaupt nicht schlimm und es wird dir erklärt oder du musst mit einem dummen Spruch klar kommen.
• Positiv: Man erhält zu Beginn der Stelle ein Orthopädie-Lehrbuch geschenkt.
• Falls auf dem Notfall niemand von ärztlicher Seite Zeit oder Bock auf Teaching hat, kann man immer zur Pflege gehen und mit ihnen Sachen machen. Sie sind interessiert an dir und verstehen deine jeweilige Situation.

Kulinarisch:
• Das Personalrestaurant ist Gourmet! Sehr lecker und immer frisch zubereitet.
• Es hat im Gebäude eine Quelle des St. Moritzer Heilwassers. Täglich ein Glas davon verleiht Flüüügel. :)
• Gratis Kaffee von exquisiten Maschinen und niederschwellige Mitbring-Kultur von Selbstgebackenem


Unterkunft
• Tolle Lage, enorm zentral, unkompliziert. In weniger als 3 Minuten bei Skilift, unendlichen Bars, Restaurants, Clubs, Bushaltestellen. Einkaufsmöglichkeit im selben Haus.
• Einrichtung und Sauberkeit initial sehr bedürftig, da der Hausdienst nichts kontrolliert bei der Übergabe.
• Preise unfair: 500 CHF für ein Zimmer (egal ob 9m^2 oder 20m^s inkl. Erker)




Bewerbung
>2 Jahre im Voraus per Mail
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
Patientenvorstellung
Fallbesprechung
Tätigkeiten
Patienten untersuchen
Botengänge (Nichtärztl.)
Notaufnahme
Mitoperieren
Chirurgische Wundversorgung
Röntgenbesprechung
Untersuchungen anmelden
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Essen frei / billiger
Unterkunft gestellt
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Mittagessen regelmässig möglich
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
1500 CHF
Gebühren in EUR
Personalzimmer 500 CHF

Noten

Team/Station
3
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
6
Klinik insgesamt
3
Unterricht
5
Betreuung
5
Freizeit
2
Station / Einrichtung
4
Gesamtnote
4

Durchschnitt 3.73