Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, Station, OP
Heimatuni
Hannover
Kommentar
Ich habe mein gesamtes Chirurgie Tertial im Krankenhaus Bruneck in der Abteilung für Unfallchirurgie (Traumatologie und Orthopädie) absolviert.
Einen Auslandsaufenthalt im PJ habe ich schon längerfristig im Kopf gehabt und mich daher auch mit ca. 1,5 Jahren Vorlauf zu dem Thema informiert und den obligatorischen Termin zur Auslandsberatung im PJ-Büro absolviert. Da ich 2021 bereits eine ausgesprochen gute Famulatur in Bozen absolvieren konnte, entschied ich mich daher dann erneut für Südtirol.
Über die PJ-Beauftragte des Krankenhauses habe ich eine Liste möglicher Unterkünfte erhalten und mit der ersten Anfrage dann auch direkt Erfolg gehabt. In den Sommermonaten ist Bruneck recht voll mit Touristen und klassische WG-Zimmer sind eher rar, aber ich hatte wirklich Glück bei meiner Unterkunft. Zwar sehr einfach gehalten aber günstig und in 10 Minuten fußläufig zum Krankenhaus.
Am ersten Tag wurden wir von der PJ-Beauftragten begrüßt und herumgeführt. Ich war komplett überfordert von so viel Organisation, bei den meisten Famulaturen in Deutschland weiß nie jemand, dass man kommt – ganz im Gegenteil zu Bruneck. Wir erhielten alle Karten, Kleidung, eigene Spinde und wurden dem Team vorgestellt. In der Abteilung herrschte durchweg ein extrem netter und herzlicher Umgang und vom ersten Tag an wurde einem von allen Ärzt*innen das Du angeboten.
Der klassische Tagesablauf stellte sich so dar, dass nach der Frühbesprechung um 7:30 alle erstmal gemeinsam in die krankenhauseigene Bar gehen. Soweit dann alle wichtigen Sachen bei einem Espresso geklärt sind, haben meine Kollegin und ich uns immer auf die verschiedenen Bereiche aufgeteilt. Auch im OP wird man als Student*in dann ausgesprochen nett und herzlich behandelt; ein derartig wertschätzender Umgang ist mir in Deutschland bisher noch nicht begegnet. Selbst als „OP Anfänger“ wurde einem geduldig alles erklärt und mit der Zeit wurde man gut ins Team integriert. Zwischen den OPs war immer genug Zeit für den nächsten Espresso, das ein oder andere Cornetto sowie die Empfehlungen für die beste Wanderung die man am nächsten Wochenende unbedingt machen muss. Im OP selbst lief eigentlich immer alles nach dem Motto alles kann nichts muss. Skills wie Nähen wurden einem beigebracht aber alles in allem ist es ein feines Tertial für Leute die später vielleicht nicht unbedingt selbst chirurgisch tätig sein wollen… In der Notaufnahme konnte man viele interessante Verletzungen durch Bergunfälle sehen, aber natürlich kommen auch die klassischen Fälle von Rückenschmerzen seit 2 Wochen hier vorbei. Man lernt Patienten orthopädisch zu untersuchen und kann auch manchmal etwas nähen. Auch wenn man eher viel zugeschaut hat konnte ich viel Neues mitnehmen. Zuletzt konnte man noch in den Ambulanzen vorbeischauen; hier war besonders die kinderorthopädische Sprechstunde nachmittags für mich immer ein Highlight und man hat richtig viel erklärt bekommen.
Das Mittagessen war immer ein absolutes Highlight und in sich schon ein Punkt das PJ dort zu machen. Es wurde viel Wert daraufgelegt, dass alle pünktlich essen gehen und Pausenzeiten eingehalten werden. Auch im OP wurde immer pünktlich Schluss gemacht oder man wurde als Studierende schon mal vorgeschickt damit man ja nicht das Essen verpasst. Klassischerweise gingen die Arbeitstage bis 16 Uhr aber bei geringem Patientenaufkommen oder beendeten OP-Programm konnte man auch oft früher gehen. Hervorzuheben ist, dass es in Bruneck einen Hakendienst am Wochenende gibt. Hier hat man von 8-20 Uhr Rufbereitschaft aber kann auch zuhause sein dafür. Man wird eher selten angerufen und die Wochenenden konnten wir uns gut mit den anderen PJs aus der Allgemeinchirurgie aufteilen.
Zuletzt – sprachentechnisch kommt man auch ohne Italienisch zurecht. Das Pustertal ist mehrheitlich deutschsprachig und alles im KH läuft primär auf Deutsch. Trotzdem ist es natürlich fein etwas Italienisch zu können, da viele der Ärzt*innnen Deutsch nicht als Muttersprache haben und im Sommer sehr viele Patient*innen aus dem Süden da waren.
Der Freizeitwert bei einem Tertial in Südtirol ist extrem hoch. Bruneck an sich ist eine sehr kleine aber feine Stadt mit schönem Altstadtkern und vielen Optionen lecker Essen zu gehen oder Aperitivi mit Blick in die Berge zu genießen. Im Sommer gab es immer viele gratis Konzerte und Outdoor Kino. Durch die perfekt organisierten Öffis in Südtirol ist man sehr schnell in den Bergen aber kann natürlich auch weiter in den Süden fahren (z.B in 2h nach Verona). Wir waren eigentlich jedes Wochenende in den Bergen unterwegs; bei der Auswahl an spektakulären Touren und wunderschönen Naturparks hat man wirklich die Qual der Wahl. Sowohl Ahrntal, Gadertal oder natürlich die Dolomiten sind einfach atemberaubend schön und man kann auch super Hüttentouren machen.
Ich kann ein Tertial im Krankenhaus Bruneck sehr empfehlen für Leute die eine gute Zeit in der Chirurgie haben möchten und Lust auf Berge, nette Leute und tolle Natur haben :) Ich würde es jederzeit wieder machen.
Bewerbung
Es gibt inzwischen eine offizielle Website der Südtiroler Sanitätsbetriebe (SABES) über die man an allen Standorten in Südtirol einsehen kann, wo und wann es Kapazitäten für ein PJ/KPJ Platz gibt. Ich habe mich im November 2023 beim Portal registriert, einen freien Slot im Krankenhaus Bruneck für die Unfallchirurgie gebucht und hatte zwei Tage später die offizielle Zusage. Es ist wirklich perfekt organisiert über das Portal und der zeitraubende Prozess mit dem vielen Anschreiben von verschiedenen Abteilungen/Personen entfällt damit komplett. In Bruneck selbst wird man als Student*in unglaublich freundlich und herzlich betreut von der PJ-Beauftragten. Alle organisatorischen Fragen auch zum Thema Erasmus und Wohnungssuche wurden immer sehr schnell und kompetent beantwortet. Mit der Zusage des Krankenhauses in Bruneck habe ich mich dann beim International Office für eine Erasmus Förderung beraten und das Learning Agreement aufsetzen lassen. Insgesamt war die Organisation wirklich gut zu bewältigen, ich würde aber raten sich für Südtirol sehr früh zu registrieren im Portal und immer mal reinzuschauen falls Slots frei werden sollten – es lohnt sich sehr :)