Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Diagnostik, Notaufnahme, OP, Station
Heimatuni
Tuebingen
Kommentar
Alles in allem sind die Bewertungen der Kinderchirurgie hier ja bisher wie eine bipolare Störung. Entweder kommen Leute fasziniert oder unfassbar gefrustet aus diesem Tertial. Ich kann direkt vorwegnehmen, dass ich zum Glück zur ersten Gruppe gehöre.
Ich war vier Monate in Luzern in der Kinderchirurgie mitten in der Schweiz direkt in der Nähe der Alpen unterwegs. Das Tertial war somit mein Wahlfach und ich hatte mir viel vorgenommen, da ich mir auch theoretisch gut hätte vorstellen können in der Kinderchirurgie anzufangen. Somit war ich denke ich auch motivierter als manch andere Personen.
Zum Stationsalltag: Man hat am ersten Tag, wenn man zum Monatsanfang beginnt, eine kleine Einführung in die Struktur des Kantonspitals. Nichts allzu aufregendes. Danach geht man direkt in die Kinderklinik und wird dort von Frau Bürgisser der Chefarztsekretärin mit allen nötigen Dokumenten und Telefonen versorgt. Im Anschluss hat mich eine der Assistenzärztinnen an die Hand genommen und mir das von außen sehr alt wirkende Kinderspital gezeigt. Leider waren die ersten Tage meine Online-Zugänge nicht freigeschaltet. Das ist mir später noch ein wenig zum Verhängnis geworden.
Man wird auf den Stationen 1 West (Normalstation) und 3 West (Ebenfalls Normalstation, allerdings für anspruchsvollere Patienten) eingesetzt. Die Aufteilung wird uns Unterassistenten überlassen. Der Arbeitsbeginn ist morgens um 07:15 auf Station zur Visite, die geht bis 08:00. Im Anschluss wird sich im Röntgenrapport versammelt und die Fälle der Nacht bzw. Notfälle vom Vortag radiologisch aufgearbeitet. Danach beginnt der Arbeitsalltag.
Das heißt je nachdem wie man sich morgens aufgeteilt hat kann man nun:
- in den OP gehen (erste oder zweite Assistenz bei Eingriffen).
Es gibt drei Eingriffe bei denen immer ein Unterassistent dabei sein sollte: Leistenhernien, Orchidopexien und Hydrozelenresektionen. Ansonsten kann man sich frei im OP austoben und sich immer alles ansehen. Ich verstehe hier die Vorbewertungen überhaupt nicht. Klar ist manchmal im OP in heiklen Situationen etwas kribbelige Stimmung, aber insgesamt habe ich mich immer willkommen gefühlt. Es kommt doch auch einfach ein bisschen drauf an, was man sich vornimmt. Wer sich nett vorstellt, fragt wo man einen Platz finden kann und dann versucht beim Lagern oder Ähnlichem mit anzupacken, wird immer gerne aufgenommen, kriegt viel erklärt usw. Keine Ahnung, was manche PJler hier für Vorstellungen haben aber nicht jeder operiert nun einmal selber im PJ direkt die großen Ösophagusatresien. Insbesondere beim Chef und bei Dr. Lehner sieht man wirklich spannende und komplexe Operationen (Tumorresektionen, Neurochirurgie, Thorakaskopien, Abdominelles Allerlei). Dabei durfte ich auch häufig assistieren, teilweise wirklich so oft wie die Assistenten. Wer Traumatologie mag, kommt hier auch voll auf seine Kosten, Dr. Trück erklärt gerne und viel. Freitags operiert zudem die MKG in der Klinik, was auch immer einen Blick wert ist!
- in die Sprechstunden gehen.
Das war nicht so meins. Allerdings lernt man hier gut die Diagnostik kennen und sieht teilweise über die 4 Monate auch Kinder öfters. Die jeweiligen Oberärzte haben eigene Schwerpunkte, die auch in den Sprechtstunden zum Vorschein kommen. Es lohnt sich auf jeden Fall einen Blick hier reinzuwerfen. Früher gab es mal eine neuroorthopädische Sprechstunde, welche das LUKS enorm viel Geld gekostet hat. Deshalb wurde nun ein neuer Chef für die Kinderortho angestellt, der super nett ist und eben genau diese neuroorthopäfische Sparte füllen kann. Ich war leider nie in der Sprechstunde, aber ich glaube hier sieht man wirklich spannende Fälle.
- auf Station arbeiten.
Es gab einige Unterassistenten für die der OP nichts war. Man kann sich dann umso mehr in die Stationsarbeit einbringen. Jeden Tag müssen bei jeder Neuaufnahme, sei sie geplant oder über den Notfall, eine Anamnese und ein körperlicher Status erhoben werden. Man lernt fokussiert zu untersuchen und sich selber zu strukturieren. Teilweise war es ein wenig lästig, da ich einen Monat lang immer im Wechsel alleine auf Station war und somit auch alles abarbeiten musste. Aber dadurch ging immerhin der Tag schneller vorbei. Der Kontakt zur Pflege ist gut. Aber macht euch nicht allzu große Hoffnungen. Punktionen oder Blutentnahmen habe ich auf Station nie gemacht. Vielleicht hätte das aber mit ein wenig mehr Eigeninitiative auch geklappt.
Von mir wurde direkt am ersten Tag erwartet, dass ich einfach zu Kindern hingehe und drauf losuntersuche. Dabei habe ich mich maximal überfordert gefühlt. Klar, jeder muss irgendwie lernen zu schwimmen, aber eine grundsätzliche Einarbeitung habe ich nicht wirklich erfahren. Insbesondere, dass dann von mir erwartet wurde die Untersuchungen direkt online einzutragen und zu verstehen, wie das durchaus diskutable Programm EPIC (nicht so toll) funktioniert, obwohl ich noch nie damit gearbeitet hatte, fand ich blöd. Das war aber zum Glück eines der wenigen Ärgernissen. War nur leider direkt am Anfang, weshalb ich mit einem schlechten Gefühl begonnen habe und schon Horrorszenarien in den vier Monaten erahnt habe. Es wurde aber mit der Zeit immer besser und am Ende habe ich mich sehr wohl gefühlt! Für die Unterassistenten nach mir habe ich mir dann bei der Einarbeitung wirklich Mühe gegeben, damit es ihnen nicht so wie mir in der ersten Woche geht. Vielleicht wird dieser Trend ja hoffentlich fortgesetzt.. Wir sollten uns sowieso alle ein bisschen mehr gegenseitig unterstützen!
- im Spätdienst im Notfall arbeiten.
Erklärt sich glaube ich von selbst. Man arbeitet von 15:00 bis ca. 24:00 und muss dafür nur viermal die Woche ran. Ist dann wie in der Notaufnahme, welche interdisziplinär ist. Also pädiatrische und kinderchirurgische Krankheitsbilder.
- Am Wochenende arbeiten.
Es wird erwartet, dass jedes Wochenende ein Unterassistent da ist. Man macht alle Visiten mit, muss alleine alle A&S machen und über den Tag für den OP verfügbar sein. Das bietet war viel Arbeit aber auch große Chancen. So assistiert man viel mehr und ist in alle Prozesse mehr eingebunden. In der Regel beginnt es am Wochenende gegen 08:00. Manchmal war ich um 12:00 zu hause. Manchmal aber leider auch nur gegen 19:00. Das kommt einfach ein wenig drauf an, wie sich der Dienst so gestaltet.
- an seinem Case of the Day schrauben.
Mittwochs soll jeweils einer der Unterassistenten einen Case of the Day vorstellen. Man spricht sich dazu mit einem Assistenten ab und sucht sich ein Thema, am besten passend zu einem der aktuellen Patienten, aus. Dann hält man eine PowerPoint mit 3 Folien Inhalt, nicht länger als 5 Minuten. Ist keine Schikane, sondern eine gute Übung, um in einem fremden Umfeld das freie Sprechen zu üben. Nach und nach wird das Umfeld ja auch weniger fremd :) Ich hatte hier am Anfang große Scheu und mich jedes mal recht panisch in eine PubMed-Recherche gestürzt. Man kann das ganze aber auch lockerer angehen. Wir haben alle durchweg immer gute Kritiken und nette Anekdoten zu unseren jeweiligen Cases bekommen. Allerdings muss man wirklich lernen NUR 5 Minuten lang zu sprechen. Der Chef schätzt Effizienz.
Soviel zum Arbeitsalltag.
Zum Essen: Man kriegt leider keinen Essenszuschuss, aber im Monat dann eben 1250€. Das Essen beginnt ab 10 CHF, da musste ich erst einmal schlucken. Leider gewöhnt man sich da auch nie so richtig dran. Dafür schmeckt es aber meistens wirklich sehr lecker und wirkte immer hochwertig zubereitet. Damit kommt man zumindest wenn man ein Wohnheimzimmer hat gut hin. Ich habe leider keins mehr bekommen, weil einfach keins frei war. Daher war am Ende des Monats wenig Geld übrig. Ich musste mir für 700 CHF ein WG-Zimmer mieten.
Zur Schweiz: Es ist sogar noch teurer als man sich das am Anfang ausdenkt un es war definitiv kein sparsames Tertial. Ich würde jedem ans Herz legen sich im Vorausmit dem Halbtax-Ticket zu beschäftigen. Das spart wirklich Geld, wenn man in der Umgebung in die Alpen fahren will. Wandern geht im Sommer herrlich, generell ist der Sommer in Luzern ein absoluter Traum. Die Stadt ist zwar klein, aber für vier Monate findet man immer etwas zum tun. Wanderungen auf die Rigi und den Pilatus kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen. Dabei kommt man auch gut ans Limit. Ansonsten gibt es aber auch kleine Touren für den Feierabend. Wer eine Laufstrecke sucht, findet sie um den Rotsee.
Zur Stimmung im Team: Das Team wurde ja bisher häufig als dysfunktional beschrieben. Ich habe mich gut zurechtgefunden. Es gibt sicherlich immer mal Menschen, mit denen man weniger auskommt. Aber ich wurde sehr nett aufgenommen und hatte am Ende des Tertials das Gefühl überall willkommen zu sein und das meine Hilfe auch gesehen wurde. Vielleicht sollte sich auch noch einmal jeder PJler hinterfragen, wofür das PJ da ist. Ich finde es auch blöd, dass man vor allen Dingen in Deutschland total unterbezahlt ist, aber wenn man morgens schon mit einer Null-Bock-und-ich-will-möglichst-schnell-nach-Hause-Attitüde ankommt, ist meistens auch die Resonanz nicht so positiv. Man kann sich hier wirklich überall einbringen. Auch die Kommentare, dass der Chef nur Tübinger Studenten bevorzugen würde, sind totaler Schwachsinn. Klar, die Klinik ist aufgrund einiger personeller Überschneidungen eng mit Tübingen vernetzt, aber insgesamt hatten alle Unterassistenten, losgelöst der Heimatuniversität, einen guten Stand. Wer sich hier Mühe gibt, wird dafür auch entlohnt!
Zur Klinik: Alles ist ein wenig älter, weshalb nebenan jetzt auch ein brandneues Kinderspital gebaut wird. Das soll auch alles sehr toll werden, aber derzeit muss man noch mit dem Altbau vorlieb nehmen. Man gewohnt sich dran. Und dadurch, dass alles auch nicht super verwinkelt ist, findet man sich schnell gut zurecht. Die apparative Ausstattung ist tausendmal besser, als bei uns in Deutschland.
Zum Teaching: Der Case of the Day gilt als Teaching. Das passt auch so denke ich. Außerdem gibt es einmal pro Woche einen Journal Club durch die Assistenten zu verschiedenen durch die Oberärtze festgelegten Themen. Donnerstags gibt es eine Teaching Visite durch den Chef für alle Unterassistenten und Assistenten. Wenn sie stattfindet, ist sie richtig gut und man lernt wirklich vieles über spannende Krankheiten oder chirurgische Techniken. Wenn...
Ansonsten habe ich noch einen Nahtkurs machen dürfen und man kann sich auch immer in den Unterrichtig der Pädiater reinsetzen. Der ist auch gut!
Ich habe mich jetzt trotz eines schönen Tertials gegen die Kinderchirurgie entschieden, einfach nur deshalb, weil es mir an einer anderen chirurgischen Klinik in der Heimat besser gefallen hat. Allerdings wäre die Klinik insgesamt vor allen Dingen für Grundlagen denke ich ein wirklich guter Einstieg. Jede Person, die sich kinderchirurgisch interessiert und zwischendrin neben Highlights auch einmal ein paar kleinere, grundlegendere Operationen sehen will, kann sich hier gut zurechtfinden.
Bewerbung
1,5 Jahre im Voraus. Ich würde mich allerspätestens 2 Monate vor Tertialbeginn fürs Wohnheim anmelden. Wie gesagt, ich habe leider keinen Platz mehr bekommen.