Ich habe 2 Monate (gesplittetes Tertial) in Catania verbringen dürfen, was eine wirklich schöne Erfahrung war. Ich wusste zuvor noch nichts von der Stadt und war auch noch nie auf Sizilien gewesen aber mit durch einen guten Bericht darauf gestoßen. Die meisten Erfahrungsberichte aus Italien kamen eher aus den nördlichen Regionen des Landes, welche sich wahrscheinlich stärker von Süditalien unterscheiden, vor allem sprachlich und vom Krankenhausstandard.
Ich war von August - Oktober dort, und eines vorweg, an warme Temperaturen muss und darf man sich gewöhnen. Ich war auf der Allgemeinchirurgischen Station unter Prof. Antonio Biondi als Erasmus-Praktikant geführt. Dabei ist er zwar der offizielle Ansprechpartner aber mir wurde direkt zu Beginn schnell klar, dass er die Supervision an seine Assistenzärzte übergeben hat, was im Endeffekt eine gute Sache war, da er doch eher viel mit Organisation zu tun hatte und Kommunikation auf Englisch eher schwierig war. Der Assistenzarzt, mit dem ich zusammengearbeitet habe war einfach klasse, er konnte ausreichend Englisch sprechen, war äußerst hilfsbereit und war am Ende auf für die Bewertung verantwortlich.
Zuerst muss man wirklich sagen, dass das geforderte B2 Sprachniveau von Italienisch definitiv nicht ausreicht um sowohl mit Kollegen aber vor allem auch mit Patienten so zu kommunizieren, dass man alleine ohne Probleme arbeiten kann, für etwas Smalltalk, Bestellungen und Alltagssätzen hat es aber gereicht. Zusätzlich wird auf Sizilien ein Dialekt gesprochen, sodass man einiges einfach nicht versteht oder kennt. Englisch ist wirklich rar, die meisten Sprechen es gar nicht oder sehr wenig. Legt man aber alles zusammen, kommt man am Ende aber definitiv zurecht und die Italiener haben Verständnis und freuen sich umso mehr, wenn man es versucht. Als große Überraschung konnten manche Einwohner sogar etwas deutsch sprechen, wodurch lustige Situationen entstanden sind. Nach meiner Meinung ist ein Sprachniveau von mindestens B2 nötig um wirklich richtig partizipieren zu können.
Unabhängig von der Sprache muss man sich bewusst sein, dass man als Student generell und gerade als Erasmus Student eher Beobachter des Alltags ist und nicht wie bei uns richtig mitarbeitet, was sowohl gut als auch schlecht sein kann. Blutentnahmen und Zugänge waren pflegerische Tätigkeiten und somit wurde man verschont. Ärztliche Visiten waren täglich, wenn auch kurz. Man konnte sich vorher eine Patientenübersicht ausdrucken um zu verstehen, was besprochen wird. Untersuchen durfte man auch selbst in Begleitung, sowie Verbandswechsel und Drainagenzug durchführen. Genau wie in Deutschland ist es aber auch dort so gewesen, dass die Ärzte gefühlt 70% mit Dokumentation zu tun hatten, wodurch man dann oft einfach daneben saß oder Botengänge erledigt hat.
Anschließend bestand die Möglichkeit in die Ambulanz zu gehen, in der Patienten elektiv aufgenommen werden und Untersucht werden. Dabei darf man sowohl selbst untersuchen als auch die Aufnahme-Dokumentation machen.
Im OP war man nie fest eingeteilt und assistiert habe ich tatsächlich auch nicht, was einerseits schade war aber aufgrund von anderen Abläufen wie auch Kommunikationsproblemen vielleicht auch besser war. In unserer Abteilung wurde vor allem viel Darmchirurgie betrieben, tatsächlich auch oft mit DaVinci, wobei man sogar über eine separate Kontrolleinheit sehen konnte, was der Operateur sah. Das OP-Team war generell freundlich und hat auch Fragen beantwortet.
Zur Dienstkleidung: es wird keine gestellt und am besten bringt man einen Kasack mit (habe mir einen vor Ort bestellt), ein Kittel wird nicht unbedingt benötigt.
Die Dienstzeiten waren wirklich entspannt: Zwischen 8-9 Uhr da sein (manche Erasmus Studenten kamen noch später) und den Feierabend konnte man weitestgehend selbst bestimmen (am längsten bin ich freiwillig bis 16 Uhr geblieben).
Kaffee wird in Italien wirklich groß geschrieben und ohne ihn läuft nicht viel, wobei wir mit einer top ausgestatteten Espresso-Bar im Krankenhaus gesegnet waren. Dort bekommt man Hammer Espresso für 90 Cent! Und auch viel sehr gutes italienisches Gebäck, wozu man auch sehr oft eingeladen worden ist. Generell sind die Italiener mir gegenüber warmherzig und offen gewesen, wenn auch temperamentvoll.
Insgesamt war das Krankenhaus nicht ganz auf dem Niveau, das ich aus Deutschland kannte, so war zum Beispiel kaum Desinfektionsmittel auf der Station verfügbar (nehmt euch eine Kittelflasche mit), und auch so waren einige Bereiche etwas "runtergekommen", was aber die Behandlung durch das Team nicht schlechter machte.
Noch zur Stadt und zu Sizilien allgemein. Catania ist geprägt durch den Ätna, der aktivste Vulkan Europas, also etwas ganz besonderes. Einen Ausbruch habe ich nicht erlebt, ist aber tatsächlich kurz zuvor passiert, wodurch aber keine Gefahr für die Bevölkerung entsteht. Was aber schon direkt bei der Ankunft ins Auge fällt: ASCHE, überall! Erinnert aber mehr an schwarzen Sand aber lässt die Stadt leider dadurch etwas "dreckig" aussehen. Lasst euch davon aber nicht irritieren, man gewöhnt sich schnell an das charmante Chaos der Stadt, es ist oft sehr laut aber voller Leben. Mit 300.000 Einwohnern ist die Stadt genau richtig zum Erkunden, oft auch zu Fuß. Es gibt eine U-Bahn aber nur mit einer Linie, die leider auch nicht zum Krankenhaus führt, weshalb ich sie nur 2 Mal benutzt habe. Busse fahren, jedoch selten nach Plan, manchmal kommt der Bus auch nicht aber gerade morgens Richtung Krankenhaus war er zum Glück verlässlich. Man kann sich als Erasmus Student eine 3 Monats Karte für 15€!!! holen (nimm das Deutschland!), welche man im Bahnhof von Borgo bekommt.
Mit Reisebussen kann man die gesamte Insel günstig erkunden, und Catania hat eine gute Ausgangslage.
Es gibt einen Strand, welcher aber etwas vom Zentrum entfernt ist und generell viele schöne Orte in und um Catania herum (Taormina, Naxos, Palermo, Syrakus,...).
Von den Lebenserhaltungskosten ist es ähnlich wie bei uns, manches ist teurer, anderes günstiger. Essen gehen ist oft günstiger als Einkaufen und die Küche generell eine Empfehlung.
Von der Wohnung her gibt es zwar günstige Studentenwohnheime, für welche ich aber keinen Platz mehr gefunden habe und somit habe ich je 1 Monat in einer RbnB Wohnung gelebt, welche leider recht teuer waren, wodurch ich mein Erasmus Geld fast aufbrauchen musste. Wenn man sich früh genug bewirbt bekommt man vielleicht etwas günstigeres.
Alles in Allem eine wirklich tolle und lehrreiche Erfahrung, wenn auch eher menschlich als medizinisch.
Ich wünsche euch eine tolle Zeit und falls ihr Fragen habt, meldet euch gerne bei mir:)
Bewerbung
Es gibt zwei Bewerbungsstellen: zum einen für das Praktikum selbst bei
Giovanna Schillaci
Unità Dipartimentale Internazionale - UDI - Dipartimento di Chirurgia e Specialità Medico-Chirurgiche
Polo Didattico Basile - Segreteria CdL Medicina e Chirurgia - primo piano
Via S. Sofia, 87
95131 - Catania
telefono 095 4789304
giovanna.schillaci@unict.it
Bzw. über diese Seite: https://www.unict.it/en/erasmus-offer
Und dann bei Erasmus euerer Universität, da man sonst keine finanzielle Unterstützung hätte. (ca. 690€ pro Monat, es lohnt sich also)
Bewerbt euch auf jeden Fall frühzeitig, da beide Instanzen unheimlich viele Dokumente brauchen (Motivationsschreiben, Lebenslauf, diverse Formulare fürs PJ,...).
Und für die Anerkennung im Nachhinein: kümmert euch frühzeitig um alle Unterlagen (da es mein letztes Tertial war, war es bei mir unheimlich knapp vor der Prüfung).