Obwohl ich optimistisch in den chirurgischen Teil des PJs gegangen bin und mir die ganzen Horrorgeschichten nicht vorstellen konnte, hat sich dann im Verlauf des Tertials festgestellt, dass es leider trotzdem genau so gewesen ist.
Die Hauptaufgabe der wenigen PJler in der Chirurgie (wir waren nur zu 2., die anderen sind klugerweise ins Ausland gegangen) bestand daran, alle niederen Arbeiten zu erledigen, die anfielen. Dazu gehörten die obligatorischen Blutabnahmen(zT 30 oder mehr, wenn der Kollege mal wieder im OP stehen musste). An Visiten konnte man sehr unregelmässig teilnehmen, die Hilfsarbeiten im OP sowie das Blutabnehmen hatte stets oberste Priorität. An Lehrvisiten war gar nicht zu denken. Ich hatte keine einzige während des Tertials. Dafür wurden Assistenzärzte in der Röntgenbesprechung vorgeführt und sich lustig gemacht. (Herr Kollege X, buchstabieren sie doch mal ....haha, genau so nicht, in den nächsten Briefen anders).
Das alleine würde noch nicht die Kriterien des Horrors erfüllen. Dieser bestand aus dem Grog fahrlässigen Umgang mit Nadeln und spitzen Gegenständen.
Eine Auswahl an Vorfällen: Als ich gleich am 2. PJ-Tag von einem Operateur durch den Handschuh gestochen wurden und bei mir Blut innerhalb des Handschuhs zu sehen war, habe ich mich von Tisch entfernt, um mich auf den Weg in die Ambulanz zu machen. Dies wurde vom Operateur mit einer solchen Verachtung kommentiert, dass unser Kontakt danach nachhaltig gestört war.
Wie das Procedere nach einer Nadelstichverletzung vonstatten geht, konnte mir auch niemand sagen. Nur durch den Zufall, dass ich an einer sehr hilfsbereite Mitarbeiterin im Labor geraten bin, ging daraufhin alles seinen Weg und die Intervallkontrollen des Blutes wurden eingeleitet. Zuständig war dafür bis zum Schluss niemand, ich musste mich um alles selber kümmern.
Ein paar Wochen später hat dann ein anderer Operateur mit seinem Skalpell, dass er um 180 Grad verdreht nach hinten aus seiner Handfläche hat herausschauen lassen, ein paar Mal nur sehr knapp meine hakenhaltende Hand verpasst.
Auf meine Bitte, ob er damit etwas umsichtiger agieren könne, bekam ich zur Antwort, dass ich gefälligst Ausschau halten soll und im entsprechenden Moment die Hand wegziehen soll.- Ich dachte in diesem Moment, dass ich im falschen Film bin. U.a. dieser Vorfall, der mich bis heute beschäftigt ist ein Grund für meine detailierten Schilderungen.
Eher komisch mutet dazu im der Vorfall der Hygienebeauftragten an, die meinem Kollegen ohne dessen Bitte einen Termin gemacht hatte, um ihm den noch hygienischeren und sicheren Umgang mit Medizinprodukten u.a. beim Blutabnehmen zu zeigen. Als diese Fachkraft beim Patienten dem Kollegen das sichere Handeln der Nadel nach der Blutabnahme demonstrieren wollte, liess diese die Nadel fallen, die meinem Kollegen im Fuss stecken blieb- Dies ist wirklich kein Scherz.
Wie ihr seht, haben wir alle unsere Nadelverletzungen abbekommen und die Abteilung unternimmt nichts, um dem entgegen zu wirken. Mehrere Assistenzärzte haben mir gesagt, dass sie bei ihren vielen Nadelstichverletzungen inzwischen keine Massnahmen mehr treffen.
Ein paar wenige nette Assistenzärzte gab es, aber auch solche, die einen am Telefon angeschrien haben, dass man nun endlich im OP auftauchen solle.
Ein erfahrener Arzt in der Chirurgie, der inzwischen nicht mehr dort arbeitet, meinte mal zu uns 2 PJlern: Wenn ihr gemerkt habt, dass ihr keine Chirurgie machen wollt später, dass habt ihr das Ziel des Chirurgietertials erreicht.