Ich habe mein erstes Tertial für Innere Medizin im sogenannten Bürgerspital St. Gallen absolviert. Das ist eine rein geriatrische Klinik, die unabhängig von dem benachbarten und deutlich größeren Kantonspital St. Gallen ist.
Wohnen und Finanzielles:
Die Vergütung bekam ich bar ausgezahlt, was mir sehr recht war, da ich nicht zusätzlich ein Schweizer Bankkonto eröffnen musste. Der Lohn betrug monatlich ca. 1100 CHF. Davon wurden direkt die Gebühren für Versicherung und das Personalzimmer, sowie Konsumationen (Essen etc.) in der Klinik abgezogen. Die Gebühren für den Versicherungsschutz richten sich prozentual nach dem Einkommen und es sind ca. 80 CHF monatlich.
Das Personalzimmer kostete mich ohne Internet- und TV- Gebühren genau 400 CHF mit gemeinschaftlicher Küchen-, Toiletten- und Duschennutzung. Eine Waschmaschine und ein Trockner standen auch im Keller zur Verfügung. Man hat in manchen Zimmern des Personalhauses und in der Klinik kostenlosen Zugriff auf das Internet/WLAN der Klinik. Deshalb empfehle ich nicht das Internet kostenpflichtig dazu zu buchen.
Die Personalzimmer des Bürgerspitals befinden sich direkt hinter der Klinik im sogenannten Linsebühlhaus (mit MTT =Medizinischer Trainingstherapie im Erdgeschoss). Es ist einfach und ein sehr altes Gebäude, aber es versprüht Charme und ich habe mich dort sehr schnell eingelebt und wohl gefühlt. Die Stimmung ist aber natürlich auch von den Mitbewohnern abhängig. Am Wochenende vor Beginn des Praktikums kann man bis jeweils 17 Uhr die Schlüssel an der Pforte in der Klinik abholen und dann problemlos einziehen.
Innerhalb der ersten Woche musste ich das Migrationsamt in St. Gallen (nahe des Bahnhofs) aufsuchen, um meine Arbeitserlaubnis für die Schweiz noch zu beantragen. Das kostete ca. 60 CHF.
Die Dienstkleidung wurde komplett gestellt.
Praktische Tipps und Freizeit:
Ich empfehle am Ende des Tertials sich eine Beurteilung und ein Arbeitszeugnis ausstellen zu lassen. Das ist vor allem für spätere Bewerbungen wichtig und ist von Seiten der Klinik (bzw. des Chefarztes/ der Oberärztin) problemlos möglich gewesen.
Da die Schweiz im Vergleich zu Deutschland bezüglich nahezu aller Lebensbereiche sehr teuer ist, habe ich hier noch ein paar Sparmöglichkeiten zusammengestellt:
Zum einen ist es sinnvoll ein Fahrrad (im Schweizerdeutsch liebevoll Velo genannt) bereitstehen zu haben, da die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel relativ kostenintensiv ist. Da St. Gallen eine sehr kleine Stadt ist, kann man jedoch die wichtigsten Strecken auch gut zu Fuß bewältigen.
Eine weitere Möglichkeit ist der Erwerb eines Halb tax- Abos, durch welches man jedes Verkehrsmittel der Schweiz zur Hälfte des regulären Fahrpreises nutzen kann (vergleichbar mit der Bahncard 50). Dies macht v.a. dann Sinn, wenn man gerne Ausflüge in die wunderbaren Städte und Wanderregionen der Schweiz plant und man über kein Auto verfügt.
Die Schweizer Städte sind durch ein gut ausgebautes Bahnnetz miteinander verbunden. Nahezu alle Städte sind noch sehr gut erhalten und verfügen über eine einmalige Altstadt (welche im Gegensatz zu den deutschen Städten) nicht in den Weltkriegen zerstört wurde. Einen Besuch wert sind definitiv die Städte Bern, Lausanne, Luzern und Basel.
Aber auch St. Gallen hat trotz der geringen Größe einiges zu bieten: der wunderschöne Dom und seine Stiftsbibliothek (UNESCO Weltkulturerbe), die evangelische St. Laurentzenkirche, die niedliche Altstadt mit vielen tollen Cafés, sowie das Naherholungsgebiet „Drei Weiher“, der Tierpark Peter Paul, das weitgefächerte kulturelle Angebot (von Theater/ Musical über Museen) und nicht zu vergessen die Nähe zum Bodensee mit Bade- und Wassersportmöglichkeiten.
Am Wochenende lädt das Appenzeller Land zu tollen Wandertouren für jede Kondition ein. V.a. zu empfehlen sind Touren zum Seealpsee (z.B. über die Ebenalp), auf den Hohen Kasten (mit toller Aussicht bis zum Bodensee) und natürlich auf den Säntis. Auch wenn die Gipfel- „Hütten“ meiner Meinung nach in der Schweiz ein Schandfleck sind, sind die Aufstiege atemberaubend.
Zu Recht wird die Schweiz oft als „Regenloch“ bezeichnet. Dies ist jedoch kein Problem, da man sich bei schlechtem Wetter ohne schlechtes Gewissen z.B. im Schoggiland bei Flawil (eine der zahlreichen Schokoladenfabriken) die Herstellung der einmaligen Schweizer Schokolade nahebringen lassen kann oder in einer Schaukäserei (z.B. in Stein bei Appenzell) die Käseproduktion beobachten kann und man nicht zuletzt die Resultate käuflich erwerben kann.
Besonders teuer (aus deutscher Perspektive) sind Lebensmittel. Falls ein Aldi Suisse erreichbar ist, sollte man diesen unbedingt nutzen, auch wenn der Einkauf dort in der Schweiz noch verpönt ist. Alternativ sind die Schweizer Supermärkte Denner und Migros vergleichsweise kostengünstig. Insgesamt sehr ungünstig für das Einkaufen sind die kurzen Öffnungszeiten bis teilweise nur 18 Uhr, weshalb ein Einkaufen unter der Woche wegen der langen Arbeitszeiten oft nicht möglich war. Einzige Ausnahme in St. Gallen ist der Donnerstag. An diesem Wochentag haben die Geschäfte teilweise sogar bis 21 Uhr offen.
Das Nachtleben und Abendprogramm in St. Gallen ist vielfältig und bietet jedem Geschmack etwas: Von Clubs (Box, Pauls) bis Theater und Musical ist von allem etwas dabei.
In den Dialekt musste man sich zu Beginn schon einhören. Die Patienten und das Personal beherrschen aber größtenteils auch hochdeutsch und die meisten bemühen sich bei Verständigungsschwierigkeiten, indem sie das Gesagte langsam und hochdeutsch wiederholen. Es ist auch kein Problem nachzufragen, wenn man mal die Mundart nicht verstanden hat. Dennoch sind die Schweizer sehr stolz auf ihr Schwyzerdütsch und wünschen eine gewisse „Anpassung“. Unbedingt vermeiden sollte man eine Begrüßung mit „Hallo“ oder eine Verabschiedung mit „Tschüss“, da dies „Duzen“ gleichgesetzt ist und bei Patienten oder fremden Personen als unhöflich gilt. „Grüzi“ ist eine allgemein gültige und freundliche Begrüßung.
Klinikalltag:
Am Beginn des Kliniktages stand täglich um 8.00 Uhr (Ausnahme: Donnerstag schon um 7.40 Uhr) der Morgenrapport der Ärzte, bei dem der Nachtdienst die Probleme und nächtlichen Eingänge rapportierte. Im Anschluss fanden vereinzelt kurze Fortbildungen in Form von Journal Clubs oder Fallvorstellungen statt. Von Unterassistenten bis zu Oberärzten musste jeder abwechselnd einen solchen Fall vorstellen. Donnerstags fand mit Anwesenheitspflicht im nahegelegenen Kantonspital St. Gallen das sogenannte DIM- Seminar statt, bei dem ebenso spannende internistische Fälle vorgestellt wurden und anhand dieser ein bestimmtes Krankheitsbild behandelt wurde. Leider gab es für die Journal Clubs und das DIM- Seminar eine lange Sommerpause im Juli und August.
Nach einer kurzen Frühstückspause begann die Visite auf der Station. Die Aufgabe von mir als Unterassistentin war es einerseits die Verläufe der Patienten zu dokumentieren und unter Aufsicht der zuständigen Oberärztin meine aufgenommen Patienten vom Eintritt (= Aufnahme) an bis zum Austritt (= Entlassung aus dem Krankenhaus) zu betreuen. D.h. ich kommunizierte mit denen mir zugeteilten Patienten bei Visite und durfte Vorschläge für die zukünftige Therapie stellen, die mit der zuständigen Oberärztin evaluiert wurden. Zudem erledigte ich die Laboranordnungen und die Anmeldungen zu den verschiedenen Diagnostiken (EKG, Ultraschall, Röntgen). Da der Geriatrischen Klinik kaum andere diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wurden auch Konsile in den verschiedenen Fachabteilungen des nahegelegenen Kantonspitals veranlasst. Ich hatte die Möglichkeit bei allen diagnostischen Abklärungen und Konsilen (die mich interessieren) meine Patienten zu begleiten.
Die Mittagspause war meistens schon regelmäßig möglich, allerdings gab es nur das Mittagsmenü zwischen 11.00 und 13.00 Uhr. Da man innerhalb dieses Zeitraums nicht immer pünktlich zum Essen kam und der Preis trotz Personalrabatts zwischen sieben und neun CHF betrug, habe ich mir meistens ein Mittagessen von zuhause mitgenommen. Das war problemlos möglich und es bestand sogar die Möglichkeit die Mahlzeit in der Küche der Ergotherapie aufzuwärmen und dort im Kühlschrank zu lagern. Oft wurde man auch von den Assistenzärzten oder Oberärzten im Anschluss zu einem Kaffee eingeladen.
Die Hauptaufgabe zu Beginn meiner Tätigkeit als Unterassistentin war die Aufnahme der neuen Patienten auf der Station, der ich zugeteilt worden bin. Dazu gehörte eine sehr ausführliche Anamnese (Persönliche Anamnese, Jetziges Leiden, Sozialanamnese, Familienanamnese und die geriatrische Systemanamnese), sowie eine körperliche Untersuchung, für die mir von der Klinik eine Box mit diversen Untersuchungsutensilien zur Verfügung gestellt worden sind (z.B. Stimmgabel, Otoskop, Stoppuhr, EKG- Lineal, etc.). Speziell bei der Aufnahme geriatrischer Patienten (im Gegensatz zu anderen internistischen Abteilungen) ist die Erhebung des Visus anhand von Visustafeln, sowie die Prüfung des Gehörs anhand des Flüstertests. Außerdem ist die Erhebung des GDS (Geriatrische Depression Scale) in Form eines Fragebogens Teil des Geriatrischen Basis Assessments, welches beim Eintritt durchgeführt wird. Jeder aufgenommene Patient wurde mit der zuständigen Oberärztin durchgesprochen und erneut visitiert. Dadurch konnten Unklarheiten oder Unsicherheiten, z.B. bei den körperlichen Untersuchungen besprochen werden und man wurde routinierter im Vorstellen der Patienten. Zusammen mit der Oberärztin wird das weitere Prozedere besprochen: Fortführen welcher Medikamente, Anmeldungen zur Physio-/ Ergotherapie, Einschalten des Sozialdienstes, Anordnung der Labor- und diagnostischen Untersuchungen. Es war meine Aufgabe alles im Computerprogramm anzumelden und sauber zu dokumentieren, sowie Problemlisten, Eintrittsberichte und Medikamentenverordnungen zu verfassen, die allesamt von der Oberärztin kontrolliert und gegengezeichnet wurden. So konnte ich Routine erlangen und entzog mich der Entscheidnungsverantwortung, der ich als Studentin nicht gerecht werden konnte.
Am Nachmittag war meist mit dem zuständigen Spätdienst der Pflege noch Pedovisite, d.h. es wurden einzelne Probleme und Patienten anhand der Akten oder vereinzelt per Visite durchgegangen. Zudem fielen kleine Aufgaben am Patienten an, wie Ohren spülen, Fäden ziehen etc.
Eine weitere Besonderheit in der Geriatrie sind die IBB- Besprechungen. Das sind interdisziplinäre Besprechungen innerhalb einer Station, bei der ein Teil der Patienten von allen Beteiligten des Krankenhauses (Physio- und Ergotherapeuten, Sozialdienst, Pflege, Logopädie, Oberarzt, Assistenzarzt und Unterassistentin) durchgesprochen und deren Prozedere evaluiert wird. Es war Aufgabe von mir die Ziele von ärztlicher Seite für die mir zugeteilten Patienten im entsprechenden Computerprogramm zu setzen und bei Bedarf die Ziele zu evaluieren und vorzutragen. Dadurch sollte ein ganzheitliches Bild vom Patienten gefördert werden und der Rückhalt bei eventuell problematischen Situationen gestärkt werden. Ich denke, das ist ein wertvolles Instrument und hilft den Patienten als Mensch nicht aus dem Auge zu verlieren.
Beim Abendrapport um 16.30 Uhr wurden die tagsüber eingetretenen Patienten kurz mit einer integrativen Diagnose vom jeweils zuständigen Arzt/ Unterassistent vorgestellt. Zudem wurden dem zukünftigen Nachtdienst die Probleme von Station rapportiert.
Im Anschluss folgte noch eine Besprechung der angefertigten Röntgenbilder, wobei jeder Arzt/ Unterassistent diejenigen seiner Patienten präsentieren musste.
Da im Verlauf meines PJ- Tertials ein kleiner Personalengpass aufgetreten ist, bekam ich unter Rücksprache mit der Oberärztin eine halbe Station übertragen mit der Betreuung von sieben Patienten. Ich machte in dieser Zeit teilweise auch die Visiten alleine und hielt nur bei Unklarheiten oder bei Themen außerhalb meiner Kompetenz Rücksprache mit der Oberärztin. Durch diese Aufgabe lernte ich zum einen meine Grenzen kennen und auch wenn mich diese Situation zeitweise überfordert hat, konnte ich dennoch auch einen großen Lernerfolg und viele Erfahrungen daraus ziehen.
Im Verlauf schrieb ich dann auch noch die Austrittsberichte für meine Patienten, welche eine komplexe Zusammenschau der Interventionen und des Verlaufs der Hospitalisierung darstellen, v.a. im Hinblick auf die Komplexität des oftmals multimorbiden geriatrischen „Patientenguts“.
Insgesamt war es ein lehrreiches, spannendes Tertial, bei dem ich die Möglichkeit hatte Routine in den Basisuntersuchungen und in Anamnese zu erhalten. Ich habe immer die Möglichkeit bei Unsicherheiten mich an meine Oberärztin zu wenden, was mich in meiner Arbeit zunehmend sicher werden lässt.
Man muss sich bei Stellenantritt einfach klar sein, was die Geriatrie für ein Patientengut darstellt. Oft sind es palliative Situationen und die generelle Einstellung gegenüber Diagnostik und Therapie sind nicht der Einsatz aller Möglichkeiten, die die moderne Medizin hergibt, sondern ein sorgfältiges Abwägen des therapeutischen Nutzens/ der therapeutischen Konsequenz bzw. der Nebenwirkungen unter Einbindung der individuellen Patientensituation. Ziel der Geriatrie sind nicht maximal invasive Diagnostiken oder Therapien, sondern im Gegenteil möglichst eine Reduktion der Medikamente zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und die kritische Nachfrage über Nutzen und Risiko jeglicher Maßnahmen und Evaluation des Patientenwunsches. Mir persönlich gefällt diese Art der Medizin sehr gut.
Zudem muss ich noch hinzufügen, dass die Stimmung und Motivation des Teams in der Geriatrischen Klinik St. Gallen außerordentlich gut war und man hier als Unterassistent herzlich aufgenommen wird und sehr gut integriert wird. Es kam eine nahezu familiäre Stimmung auf und der Abschied von manchen Kollegen ist mir definitiv nicht leicht gefallen. Deshalb denke ich, dass das Tertial in dieser Klinik einen idealen Einstieg in mein Praktisches Jahr dargestellt hat, sowohl im medizinischen, als auch im zwischenmenschlichen Bereich.
Es wäre theoretisch möglich gewesen an den Wochenenden mitzuarbeiten als Unterstützung des diensthabenden Assistenzarztes. Dafür hätte man einen Tag unter der Woche als Kompensation gehabt. Da ich an den Wochenenden jedoch meist Besuch hatte oder unterwegs war, habe ich diese „Möglichkeit“ jedoch nicht genutzt.
Bewerbung
Bewerbung:
Die Bewerbung lief reibungslos über das Chefarztsekretariat. Nach primärer Kontaktaufnahme über E-Mail (Chefarzt PD Dr. Münzer thomas.muenzer@geriatrie-sg.ch ) wurde per Post ein Personalbogen zugesandt, welcher lediglich ausgefüllt retourniert werden musste. Im Anschluss erhielt man die Praktikumsvereinbarung zugestellt.
Ich hatte mich ca. zwei Jahre vor Beginn des Tertials beworben und auch prompt die Zusage erhalten. Es ist jedoch auch kurzfristiger möglich, da immer wieder Unterassisstenen absagen.
Es waren fluktuierend andere „UHU`s“ in der Geriatrischen Klinik und im Personalwohnheim. Jedoch wird recht streng darauf geachtet, dass jeder Station nicht mehr als ein Unterassisstent zugeteilt wird.