Die Zeit in Langenthal hat mir sehr gut gefallen und ich habe aufgrund hervorragender Betreuung viel gelernt. Eine erste Überraschung bot sich gleich zu Beginn: Alle wussten, dass der neue Unterassistent kommt. Die Chefsekretärin, die zugleich auch für die Organisation von allem, was mit Unterassistenten zu tun hat, verantwortlich ist, hat uns am Empfang abgeholt. Wir haben einen Ausweis, Kleidung etc bekommen und dann gleich unseren ersten Tag auf der Station begonnen. Dort kam ich auch das erste Mal wirklich mit dem Schweizerdeutschen, bzw. dem in Langenthal gesprochenen Berndeutschen, in Berührung. Dieses stellt naturgemäss am Anfang schon eine Herausforderung dar, aber nach etwa 2 - 3 Wochen hat man sich eingehört und versteht nahezu alles.
Ein Arbeitstag an der Klinik beginnt um 8 Uhr mit dem Morgenrapport. Hier werden die Aufnahmen und Probleme/Ereignisse der Nacht übergeben. Dann ist meist noch für ein paar Minuten gemeinsamen Kaffee- oder Teetrinken in der Cafeteria angesagt, bevor der eigentliche Arbeitstag beginnt.
Abwechselnd wird man auf den Stationen und in der Notaufnahme eingesetzt. Auf den Stationen, die keine besondere Spezifikation wie in größeren Häusern haben, ist man v.a. für die Unterstützung des Assistenzarztes zuständig. D.h. man ist bei der Visite dabei, meldet Labore und radiologische Untersuchungen an und wertet sie aus, schreibt Verläufe, meldet Rehas an usw. Wenn man möchte, kann man auch Patienten selbst übernehmen und diese in Rücksprache mit dem Assistenz- oder Oberarzt betreuen und die Visite bei ihnen leiten.
Spannend und sehr lehrreich sind die täglichen Besprechungen nahezu aller Patienten mit dem zuständigen Oberarzt. Hierbei ist zu bemerken, dass ein Schweizer Oberarzt eher einem deutschen Facharzt und nicht einem deutschen Oberarzt entspricht. Da in Langenthal v.a. junge Assistenzärzte arbeiten, wird hier sehr viel erklärt und man braucht niemals Scheu haben, wegen irgendetwas nachzufragen. Gleichzeitig bekommt man aber auch häufig vom Oberarzt Verständnisfragen gestellt und sie versuchen, das Wissen aus einem herauszukitzeln. Teaching wird hier sehr groß geschrieben.
Auf der anderen Seite arbeitet man auch häufig in der Notaufnahme. Diese soll immer von einem Unterassistenten besetzt sein. Wenn nur wenige Unterassistenten da sind, wird man deshalb umso häufiger in der Notaufnahme eingesetzt. Hier hat es mir eigentlich am besten gefallen. Man betreut Patienten hier immer sehr selbstständig, d.h. man schaut sie sie an, macht die Anamnese und die körperliche Untersuchung, meldet entsprechende Untersuchungen und das Labor an und macht sich eine Arbeitsdiagnose. Diese wird dann mit dem leitenden Oberarzt, der praktisch immer in der Notaufnahme und ansprechbar ist, besprochen. Meist schaut er sich den Patienten dann auch nochmal an und dann wird zusammen entschieden, wie weiter mit ihm vorgegangen wird. Der interessante Punkt hier ist im Vergleich zu den Stationen, dass man die Diagnosen stellt. Auf der Station wird naturgemäss meist nur noch behandelt. Daher ist die Notaufnahme ideal zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung.
Je nachdem, wie viele Unterassistenten zur jeweiligen Zeit im Spital sind, wird man auch ab und zu am Wochenende eingesetzt. Hier hat man zusammen mit einem Assistenz- und einem Oberarzt Dienst bis 14 Uhr in der Notaufnahme, d.h. bis dahin schaut man sich Patienten an. Je nachdem, wieviel los ist, kann man dann also um 14 Uhr gehen oder muss noch Papierkram erledigen. Meist sind diese Dienste sehr angenehm, denn die Ärzte sind wirklich dankbar dafür, dass man sie unterstützt. Zudem bekommt man für jeden Wochenenddienst zwei Kompensationstage. Diese kann man sich aufsparen, um z.B. später man ein verlängertes Wochenende zu haben, um beispielsweise nach Hause zu fahren oder die Schweiz zu erkunden.
Insgesamt bezahlt die Langenthaler Klinik die Studenten ganz gut. Aufgrund der zusätzlichen Vergütung der Wochenenddienste kommt man netto meist auf etwa 1000 Franken. Hiermit kommt man gut über die Runden und kann es sich auch leisten, ab und zu etwas zu unternehmen. Etwa einmal im Monat ist ein Assistenzarzttreffen, bei dem man in einer Kneipe etwas trinken geht. Das ist natürlich in der Schweiz schon etwas teurer als in Deutschland, aber man gewöhnt sich an die höheren Preise. Und dann gibt es in der Nähe Städte wie Bern, Olten, Basel und z.B. Zürich, die alle einen Besuch lohnen. Wer lieber wandern oder Ski fahren mag, ist im Berner Oberland gut aufgehoben. Für solche Aktivitäten lohnt es sich, ein Halbtax-Abo der Schweizer Bahn zu kaufen. Das entspricht in etwa der Bahcard 50 der Deutschen Bahn und die rund 180 Franken hat man beim Zug fahren schnell gespart.
Die Unterassistenten werden in Langenthal in einem recht alten, aber sauberen Wohnheim untergebracht. Internet ist dort kostenlos, es gibt eine Dachterrasse und ab und zu trifft man sich mit den Ärzten, die auch dort wohnen. Mitnehmen oder in der Schweiz kaufen muss man die Küchenutensilien, die man benötigt. Die Gemeinschaftseinrichtungen im Wohnheim werden zweimal pro Woche von den Putzkräften gereinigt. Es gibt einen Kühlschrank mit zuschließbaren Fächern und unglaublich viele Schränke mit Verstaumöglichkeiten. Zudem ist in der Nähe ein kleiner, kostenloser Tierpark mit Hirschen, Wildschweinen und anderen heimischen Tieren und ein Wald, in dem man sich auf einem Trimm-dich-Pfad ordentlich auspowern kann. Auch die Geräte der Physiotherapie im Krankenhaus kann man dafür nutzen.
Das Essen im Krankenhaus kostet etwa 8 Franken am Tag, hat dafür aber auch Restaurantqualität. Im Allgemeinen kommt man auch nahezu immer zum Mittagessen, darauf wird in der Klinik wert gelegt. Ausserdem gibt es kostenloses Obst für die Mitarbeiter.
Alles in allem habe ich mich in Langenthal sehr wohl gefühlt und viel gelernt und kann ein Tertial dort nur weiterempfehlen.
Bewerbung
Bewerbung etwa 7 Monate vorher bei der Chefsekretärin Brigitte Wirth (b.wirth@sro.ch). Hier lohnt es sich sicherlich, sich schon eher zu bewerben, da Stellen in der inneren Medizin in der Schweiz sehr gesucht sind.