PJ-Tertial Chirurgie in Cho Ray Hospital (4/2016 bis 6/2016)

Station(en)
Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie, Plastische- und Verbrennungschirurgie
Einsatzbereiche
Station, OP
Heimatuni
Hamburg
Kommentar
Es ist schwierig für mich das PJ in Worte zu fassen. Als Grundregel nehme ich aber mit: 1. Nimm den Tag, wie er kommt. 2. Sei schlicht aufmerksam und trau dich Fragen zu stellen, wenn dich etwas interessiert (die Leute sprechen viel lieber mit dir, als man glaubt).
Allgemein: Man durchläuft mindestens 2-wöchige Rotationen in Viszeral-, Gefäß-, Hepatobiliär-, Plastisch-/Verbrennungs-, Orthopädie-/Unfall-, Neurochirurgie und vieles mehr (Ich war 2 Wochen in der Viszeral-, 4 Wochen in der Thorax- und 2 Wochen in der Verbrennungschirurgie). Das Cho Ray Krankenhaus ist in Südvietnam das renommierteste Krankenhaus und gehört vietnamweit zu den 3 größten Krankenhäusern (wo Ärzte in regionalen Krankenhäusern nicht weiter wissen, werden die Patienten erst in Provinzkrankenhäuser und dann ins Cho Ray Hospital überwiesen - d.h. Vietnam's Hochleistungsmedizin). Deshalb sind hier auch viele Assistenzärzte zur Fortbildung im Haus.
Das größte Problem stellte für mich die Sprachbarriere dar. Circa 50% der Ärzte sprechen kein gutes Englisch. Das ist einerseits ein Nachteil, weil darunter die Lehre leidet. Andererseits von Vorteil, weil es Ärzte gibt, die gerne mit mir redeten um ihr Englisch zu verbessern.
Der Tagesablauf: Jeder Tag ist anders. Generell: 7 Uhr war Frühbesprechung auf Vietnamnesisch, Röntgenbilder sind allerdings erkennbar und gelegentlich übersetzt dir ein Arzt. Danach kann man z.B. frühstücken/Kaffee trinken in der Kantine (ein Baguettebrot mit 2 Spiegeleiern und Milchkaffee kostet circa 90 Eurocent). Oder man wird von einem Arzt zum Kaffee eingeladen oder eine Visitenrunde mit dem Supervisor findet statt. Um vietnamnesische 8:00 Uhr ist OP-Beginn (kann auch mal 8:20 werden). Das Arbeitsende ist flexibel und liegt irgendwo zwischen 12:00 und 16:00 Uhr - längere Tage bieten durchaus interessante Möglichkeiten oder Einblicke. Im OP verbrachte ich die Hauptzeit vom Tag. Dort: Generell kann man dank der Größe des Hauses alle spannenden Diagnosen und OP's eines Fachs beobachten, Fragen waren generell erwünscht und möglich, Assistenz/Einwaschen auf Nachfrage war prinzipiell immer möglich. Manchmal ist man dann nur 3. Assistenz, weil zum Teil viele Assistenzärzte da sind und dann gibt es weniger zu tun (aber eingewaschen war ich zumindest immer aufmerksamer). Man wird auch um Assistenz gefragt: Zum Großteil hält man dann Haken oder beispielsweise die Endoskopiekamera. Das Zunähen wird einem zugetraut und ist möglich. Ich habe gerne darum gefragt, ansonsten wird man auch danach gefragt. Ich denke, meine Nahttechnik hat sich in der Zeit verbessert. Die Nachfrage bei der Anästhesie brachte zum Beispiel auch zweimal die Möglichkeit zur Intubation (von denen allerdings nur eine erfolgreich war). Zum Teil gibt es wirklich sehr gute Ärzte, die Spaß daran haben den Fall/die OP gut zu erklären und sehr ausführlich auf Fragen antworten und dann beispielsweise auch anhand der Röntgenbilder erklären. Meine Erfahrung und Tipp wären: Möglichst allein als ausländischer Student auftreten (sich also bei parallelen OP's als Studenten aufteilen). Damit tritt man eher in Kontakt mit den Ärzten. Und generell noch: Morgens gibt es gelegentlich Fortbildungen, Pharma-Vorträge, Frühbesprechungen auf Englisch (als "Englischstunde" für die Ärzte).
Tage frei zu nehmen, um zu Reisen ist möglich. Am besten fragt man darum noch nach, auch wenn man das Gefühl hat, es fällt niemandem auf. Ich nahm mir 1x Montags für ein verlängertes Wochenende und in der letzten Woche 3 Tage frei (wurden in der Bestätigung nicht als Fehltage erwähnt). Zur Anrechnung: Das ausländische Procedere ist dem Sekretariat bekannt und problemlos. Ich habe mich circa 2-3 Wochen zum Ende gemeldet und den Stempel für mein deutsches Uni-Formular abgeholt. Mit dem Formular muss man zur nahegelegenen Universität und ebenso den Stempel vom Dekanat holen (kostet stolze 20 US-Dollar und taucht mit Sicherheit in keiner offiziellen Abrechnung der Ho Chi Minh Uni auf). Weiteres generell: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es die vietnamnesischen Ärzte zum Teil sehr freut mit europäischen Studenten in Kontakt zu kommen, zum Teil um ihr Englisch zu verbessern, zum Teil um internationale Kontakte zu knüpfen, zum Teil weil sie einfach sehr gute Lehrer sind und es ihnen Spaß macht, etwas beizubringen. Ich wurde zu Kaffee, Abendessen, Abteilungsfeier und Frühstücken eingeladen.
Meine persönlichen Erfahrungen waren stark abhängig von der Abteilung: Von der Viszeralchirurgie war ich nicht begeistert (bin zu dritt mit 2 anderen deutschen Studenten aufgetreten dort): Die Ärzte haben kaum mit uns geredet, sehr wenig Englisch gesprochen, wir durften nie assistieren, der Chefarzt war oberflächlich freundlich aber eigentlich nur karriereorientiert und die OP-Atmosphäre war sehr angespannt bei ihm. Meine Empfehlung: Allein in einen OP gehen um dadurch die Kommunikationsmöglichkeiten mit den Ärzten zu erhöhen.
Dagegen war die Thoraxchirurgie ein Traum: Ich wurde herzlich willkommen geheißen, ein sehr herzlicher und kompetenter Chef leitet die Abteilung, viele Ärzte sprechen Englisch, am zweiten Tag wurde ich mit Namen begrüßt und von Dr. Thanh sofort zum morgendlichen Kaffee eingeladen und ihm im OP assistiert. Auf meine Fragen wurde immer freundlich geantwortet. Am besten sollte man nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat (bei der Aussprache). Als Dr. Vinh, der Chef, eine Gehaltserhöhung bekommen hat, hat er die gesamte Abteilung (inklusive dem deutschen Studenten selbstverständlich) zum Frühstück eingeladen. Hier haben sich wunderbare Gespräche ergeben und ich habe einige der Ärzte privat besser kennengelernt. In meiner letzten Woche auf Abteilung nahm mich Dr. Thanh mit auf einen Kongress in einem super schicken Hotel (zwei Freunde aus einer anderen Abteilung mitzunehmen, war auch kein Problem). Eigentlich hat man in einer Abteilung einen Supervisor, ich hatte hier keinen. Es war trotzdem perfekt. Klare Empfehlung für diese Abteilung!
Auf der Plastischen- und Verbrennungschirurgie war ich am Ende offiziell noch zwei Wochen. In der Zeit bin ich allerdings noch nach Phu Quoc gereist, sodass ich nur einen Teil mitbekommen habe. Die Ärzte dort sind aber extrem nett und sehr auf die Lehre der ausländischen Studenten bedacht. Fast immer wird man direkt angesprochen, um zu assistieren (zum Beispiel Nekrosen abtragen) oder ein Arzt auf der ICU nimmt sich reichlich Zeit um die Patienten morgens mit uns Studenten zu diskutieren. Daher kann ich die Abteilung auch sehr empfehlen. Das Krankheitsspektrum umfasst viele, sehr ernsthafte und großflächige Verbrennungen (durch Suizid, Gewalttaten oder Unfälle) und die Behandlung anderer Unfallfolgen (Strom-, Motorradunfall). Auch wenn das Fachgebiet zukünftig nicht in Frage kommt, ist der Einblick hier durchaus lehrreich.
Außerdem habe ich die Studenten der hepatobiliären Abteilung (auch eine sehr gute Abteilung) auf eine Abteilungsfeier begleitet. Zu Bier, Hot Pot und gebratenen Schnecken entwickelten sich mit dem Vize-Chef und anderen Senior-Ärzten sehr schöne Gespräche (unter anderem haben wir den pensionierten Chefarzt Dr. Cuong kennengelernt, der 1992 die erste laparoskopische Cholezystektomie in Vietnam durchführte).
Mittagessen: Ist in der Klinikkantine für circa 1 Euro möglich. Schlicht, aber akzeptabel und auch empfehlenswert. Meine weitere Empfehlung hier: Ein vegetarisches (hiervon nicht abschrecken lassen) Restaurant am Ostausgang des Krankenhaus. Für circa 80 Cent gibt es wunderbare gemischte Teller mit Gemüse, allerlei Tofuvarianten, vieles mehr und Reis (https://goo.gl/maps/pNcPdAhVsuq).
Zu den Rahmenbedingungen um das Krankenhaus:
Gemeinsam mit meiner Freundin (die auch PJ am Cho Ray Krankenhaus machte) haben wir ein Zimmer über AirBnB gefunden, das in 20 Geh- und 5 Busminuten zum Krankenhaus lag. Wegen unserem längeren Aufenthalt haben wir ein Rabatt bekommen und insgesamt 10 US$ pro Nacht für das Zimmer gezahlt. Es ist ein unglaublich netter, junger und auch gewissenhafter Vermieter (arbeitet für die Regierung in Saigon), der ein Zimmer (mit Klimaanlage und Kühlschrank) im Haus vermietet, in dem er mit seiner Ehefrau, seiner Schwester und den Eltern lebt. Absolut empfehlenswert (AirBnB-Link: https://www.airbnb.de/rooms/4400670?s=x1T6yWam). Mit der Zeit findet man in dem Viertel außerdem wunderbare Essensmöglichkeiten zu guten vietnamnesischen Preisen.
Eine weitere persönliche Erfahrung und interessante Information: Zwei Freunde und ich haben einen Orthopäden des Cho Ray Krankenhaus kennengelernt, der sehr gerne Kontakt mit europäischen Studenten hat (auch um seine Englischkentnisse zu verbessern). Sein Name ist Dr. Hau. Wir haben uns in unserer Zeit dort gut mit ihm verstanden. Er kennt außerdem einen befreundeten Arzt am Cho Ray Krankenhaus, der direkt bei dem Krankenhaus ein Haus hat und dort ein Zimmer für ausländische Studenten vermieten möchte. Deshalb einmal hierfür und allgemein um unverbindlich mit ihm in Kontakt zu treten die E-Mail Adresse von Dr. Hau: drhauhuynh86@gmail.com.

Fazit: Ich kann ein halbes PJ-Tertial am Cho Ray Krankenhaus empfehlen. Für mich waren 2 Monate die perfekte Zeit. Von einem gesamten Tertial rate ich ab, da im Sinne einer ganzheitlichen chirurgischen Grundausbildung auch die europäische, fortschrittlichste Chirurgie kennengelernt werden sollte. Fachlich werden die großen Krankheitsbilder und die Lehre dazu geboten, praktische Fähigkeiten können geübt werden. Dazu lernt man parallel eine neue Kultur kennen. Beides gemeinsam bringt Spaß und wunderbare Erfahrungen für das Leben und den zukünftigen Beruf mit sich.
Bewerbung
1 Jahr und 1 Monat im voraus an: training.crtd@gmail.com und ngocbich1958@yahoo.com (http://www.choray.vn/TinTuc.aspx?NEWS_ID=409 Stand 07/16). Es fallen Studiengebühren von circa 161 Euro pro Monat an.
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Sonst. Fortbildung
Tätigkeiten
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Mitoperieren
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Gehalt in EUR
-
Gebühren in EUR
ca. 161 Euro / Monat

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
3
Betreuung
2
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.53