In vielen Punkten kann ich mich meinem Vorschreiber nur anschließen, aber einiges möchte ich doch noch um meine Erfahrungen ergänzen.
Sehr loben möchte ich auch direkt mal besagtes veganes Restaurant! Probiert die Bun Bo Hué.
Nun aber zu den harten Fakten:
Ich war 5 Wochen auf der digestive surgery und 3 Wochen auf der Orthopedics.
Bezüglich der digestive surgery weicht meine Meinung allerdings klar ab: Ich kann einen Aufenthalt dort nur empfehlen.
Ich empfand den Chef als sehr nett und großartigen Operateur. Es war, nachdem man sich kennengelernt und Interesse am Fachgebiert gezeigt hat, immer möglich mit ihm am Tisch zu sein. Er spricht aufgrund von Studienaufenthalten in Frankreich übrigens auch gerne Französisch.
Das operative Spektrum hat mich definitiv beeindruckt! Nur um ein paar Beispiele anzuführen: Es gab ca. 1-2x/Woche eine Ösophagusresektion mit Magenhochzug, man sieht laparoskopische Gastrektomien, sehr schnelle lapaposkopische Sigmaresektionen. Whipple (obwohl das eigentlich eher durch die Hepato-Biliary gemacht wird), Mastektomien (Gyn scheint in Vietnam kein operatives Fach zu sein) und wirklich noch viel, viel mehr.
Leider wird hier oft getackert, sodass die Möglichkeit zum Nähen dann wegfällt. Falls genäht wird, durfte ich das aber machen (subkutan und Haut). Ansonsten wird Haken halten NICHT erwartet (es gibt genug Ärzte - herrlich!), aber man wird tatsächlich direkt respektvoll gelobt, wenn man den Leberhaken mal übernimmt.
Kameraführung ist möglich und so Highlights wie mal den Darm staplen gab es auch.
Es kann auch mal passieren, dass man als Instrumentierender "endet"! Das ist dann definitiv herausfordernd auf Vietnamnisch , aber man ist gezwungen dem OP-Ablauf genauestens zu folgen und dann funktioniert das tatsächlich und man lernt dabei.
Teilnahme an einer Videokonferenz mit einer japanischen Uni und einem Kongress (der von französischen Chirurgen initiiert wurde) waren ebenfalls super sowie Einladungen zu zahlreichen Essen und Kaffee.
Zur Orthopedics: Breites Sprektrum mit viel Unfallchirurgie!
Ein Saal/Tag sind Hüft-TEPs. Empfehle ich nicht, sieht man in Deutschland ja andauernd. Ein Saal mit 2 Patienten sind Frakturen (hauptsächlich Verkehrsunfälle). Ein Tisch meistens plastisch-rekonstruktive/mikrochirurgische OPs (Lappenplastiken, Meshs, Plexusrekonstruktionen usw. Interessant!).
Hier werdet ihr sicher den lieben und schon im vorherigen Bericht erwähnten Dr. Hau kennenlernen! Er ist, wie viele seiner Kollegen aus dieser Abteilung, sehr an dem Austausch mit ausländischen Studierenden interessiert. Allgemein hier bessere Englischkenntnisse bei den Ärzten!
Hautnaht ist hier immer möglich gewesen, meistens auch subkutan sowie mal Schrauben und eine Sehnennaht im Dienst. Praktisch lernt man also richtig gut was!
Witzige soziale Aktivitäten mit den Kollegen gab es hier auch sehr oft.
Allgemein wären meine Tipps für chirurgisch Interessierte:
- Erstens: Ja, es lohnt sich ins Cho Ray zu kommen! ;)
- Zeigt Motivation und Interesse. Aufgrund dessen, dass der ausländische Durchschnittsstudent wohl doch meistens etwas mehr an Urlaub als an Chirurgie interessiert ist, artikuliert das ruhig offensiv, dass ihr bereit seid länger als bis mittags zu bleiben, gerne mit an den Tisch würdet usw.
- Für dennoch genug Urlaub (wundervolles Land!), kommt hierhin als erstes Tertial und reist vorher. Ist auch gechillter als nur lange Wochenenden.
- Macht Dienste mit bzw. seid außerhalb der Kernzeiten da! Als Frau gestaltete sich das schwieriger als gedacht, weil es einfach kaum Dienstbetten für Frauen gibt.. Lässt sich aber organisieren! Ansonsten geht ihr einfach nach Hause, wenn ihr zu müde seid. Auf der digestive operiert der Chef meistens Samstagmorgen 1-2 Fälle: Viel weniger Leute als unter der Woche. Lohnt sich.
- Und natürlich Grundregeln beachten wie früh im Saal sein, sich immer vorstellen, versuchen zu helfen (Lagern, Kittel schließen, Licht einstellen usw). Damit erzähle ich euch sicher nichts Neues.
- Ihr könnt auch bei OPs der anderen Abteilungen mal reinschauen! Die HNOler sind zum Beispiel sehr nett! Die Neurochirurgen haben öfters Teaching angeboten: Falls ihr davon hört, geht hin.
Allgemein:
- Lasst euch nicht davon abschrecken, wenn ihr mal niemanden findet, der Englisch mit euch redet! Die Vietnamnesen sind in der Hinsicht oft schüchtern. Und ja, auf der digestive gibt es auch viele Ärzte, die kein gutes Englisch sprechen. Haltet euch an den Chef oder an manche der OA. Das bekommt ihr schnell raus.
- Grundsätzlich war es kein Problem mal zu fehlen. Ich habe immer vorher gefragt und würde das auch so empfehlen. Einfach nicht auftauchen ist prinzipiell eher asozial.
ACHTUNG: Eine Freundin von mir, die momentan noch dort ist, scheint Probleme mit Fehltagen am Ende zu bekommen, obwohl sie einfach nur die Tage nehmen möchte, die ihr offiziell vom LPA zustehen. Das scheint dadurch bedingt zu sein, dass das Fehlen von einigen Studenten recht stark genutzt worden ist oder woran auch immer.
Fragt also besser VORAB bei Dr. Bich nach etwaigen Fehltagen am Ende bevor(!) ihr euren Rückflug bucht.
Bezüglich einer Unterkunft möchte ich euch noch die Kontaktdaten einer netten OP-Schwester hinterlassen, die in ihrer Wohnung gerne ein Zimmer vermieten würde: Duyen Vu -> 0903186369 oder auf Facebook anschreiben.
Ich selbst habe dort nicht gewohnt, weil ich schon eine Unterkunft hatte, aber sie war wirklich sehr nett und spricht super Englisch.
Fazit:
Ich bin total zufrieden mit meiner Zeit in Vietnam! Ein Splitting des Tertials finde ich perfekt, denn man ist im Cho Ray aufgrund der Sprachbarriere natürlich schon eingeschränkt und man nimmt so, denke ich, dann bestmöglich etwas von seiner Chirurgie-Zeit mit.
Hoffe, dem ein oder anderen hilft der Bericht und ganz viel Spaß unseren Nachfolgern in Vietnam!