Ich war von Mitte November bis Mitte Januar 8 Wochen auf der Chirurgie im Kantonspital Aarau. PJ-Studenten werden hier als Unterassistenten bezeichnet. Die Chirurgie umfasst dabei Viszeralchirurgie, Gefässchirurgie, Thoraxchirurgie, Kinderchirurgie, Traumatologie (entspricht Unfallchirurgie, ohne Orthopädie) sowie die Notfallstation.
Eine Bewerbung mittels Lebenslauf war per E-Mail sehr unkompliziert: Ich habe mich etwa 1,5 Jahre im Voraus beworben, wobei auch kurzfristigere Bewerbungen möglich sind.
Dienstwohnungen werden im Sinne von Spital-geführten WG-Zimmer (9-20 m2) in 3er- bis 5er-Wohngemeinschaften vergeben (unkompliziert), wobei einmal wöchentlich ein Reinigungsteam die gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten (Bad + Küche) sauber hält. Mein 9m2-Zimmer mit eigenem WC+Waschbecken in einer 4rer-WG hat dabei 470 CHF gekostet.
Gehalt: 1.500 CHF + 13. Monatslohn
Arbeitszeit + Pikettdienste: Arbeitsbeginn ist abteilungsspezifisch von 7:00 bis 8:00 Uhr. Arbeitsende ist individuell je nach Arbeitsbelastung zwischen 16:00-18:00 Uhr. Von den Unterassistenten ist durchgehend ein Pikettdienst (24h) zu besetzen. Hier muss man innerhalb von 30min im OP sein, um bei OPs als 2. Assistenz zu assistieren. Hat man eine Wohnung im Umkreis von 30min kann man zuhause schlafen, sonst gibt es Pikettzimmer im Spital. Gerufen wird man im Pikettdienst durchschnittlich 0-2x/24h. Je nachdem, wie viele Unterassistenten an der Chirurgie sind, sind 1-2 Pikettdienste pro Woche zu absolvieren. Pikettdienste an Samstag+Sonntag werden mit einem Urlaubstag kompensiert. Von Mo-Fr werden die Pikettdienste weder zeitlich noch finanziell kompensiert, jedoch besteht die Möglichkeit, nach anstrengenden Nächten am nächsten Vormittag auszuschlafen.
Der Dienstplan wird von den Assistenzärzten geschrieben, wobei man mindestens 2 Wochen auf derselben Abteilung (z.B. Gefässchirurgie) ist. Wünsche, auf welche Abteilung man möchte, werden berücksichtigt. 2 Urlaubstage pro Monat, welche unkompliziert eingeteilt werden können.
Ich war 2 Wochen auf der Viszeralchirurgie, 3 Wochen Thoraxchirurgie, 1 Woche Gefässchirurgie und 2 Wochen an der Notaufnahme. Ein klassischer Arbeitstag beginnt mit der Morgenbesprechung, danach teilen sich die Unterassistenten die zu assistierenden OPs auf, wobei man 2. Assistenz ist. Durchschnittlich assistiert man 1-2 OPs/Tag. Weiters sind durchschnittlich 1-2 Aufnahmen/Tag zu machen, wobei Anamnese- und Statusblatt auszufüllen sind. Die restliche Zeit ist man auf der Station bzw. bei Visite dabei.
Insgesamt kann ich eine Unterassistenz an der Chirurgie in Aarau nicht empfehlen. Hier die Details:
. Auf der Station wird man nur für die Aufnahmen gebraucht, sonst hatte ich meist das Gefühl im Weg zu stehen. Eine Integration ins Team war schwer bis nicht möglich. Teaching habe ich in meinen 2 Monaten nur sehr eingeschränkt erfahren. Die Aufnahmen hat man mündlich dem zuständigen Assistenzarzt übergeben - Eintrittsverordnungen oder weiteres Procedere wurden ohne Beteiligung des Unterassistenten festgelegt. Bei der Visite wurde man nicht beteiligt und ist stumm mitgelaufen. Manchen Assistenzärzten war es auch ganz recht, wenn man nicht auf der Station war und einfach einen Kaffee trinken geht. Vermisst wurde man abseits der Aufnahmen jedenfalls nicht.
. Im OP wurde man als Haken-Halter abgestellt. Erklärt wurde dabei nichts. Zunähen durfte man selten - zu selten. Statement vom Assistenzarzt zum Zunähen: Bei Unterassistenten dauert es viel länger und die Naht wird nicht so schön - kein Kommentar. Ende meiner OP-Motivation war der Zeitpunkt, als meine Fragen mit Gegenfragen beantwortet wurden. Auch meine Geduld hat Grenzen.
. Diese 2 oben genannten Punkte waren auf der Viszeralchirurgie am ausgeprägtesten. Hier war die Zusammenarbeit mit den Assistenzärzten sehr schwierig, die Oberärzte erklärten im OP wirklich nichts. Teilweise war ein "Guten Morgen" in der Früh zu viel verlangt. Ich hatte das Gefühl, dass Arbeitsklima und Teamgeist "ausbaufähig" waren.
. Mitte Januar waren wir nurmehr 4-5 Unterassistenten. Dies bedeutet 24h-Pikettdienst alle 4-5 Tage. Wir hätten mit dem zuständigen Assistenzarzt diskutiert, dass auch die Pikettdienste unter der Woche zeitlich mit einem Urlaubstag kompensiert werden, da es sich nichtsdestotrotz um Arbeitszeit handle. Dieser war von unserem Vorschlag wenig begeistert. Unbezahlte Pikettdienste gehören als Unterassistent einfach dazu...
. Es gab pro Woche 2-3 traumatologische Fortbildungen für Unterassistenten von engagierten leitenden Ärzten. Diese waren qualitativ sehr hochwertig. Schön wäre noch eine viszeral- oder thorax- oder gefässchirurgische Fortbildung, was das ganze gut abrunden würde :)
Am besten hat es mir auf der Notfallstation gefallen. Hier wurde in einer interdisziplinären Notfallstation (internistisch, neurologisch, chirurgisch) mit etwa 25 Betten die Notfälle und Zuweisungen (auch mittels Rettungsdienst) versorgt. Hier war das Team sehr sehr gut und nett. Ich war integriert und konnte wirklich etwas beitragen. Nach Einarbeitung durfte ich selbstständig Wundversorgung machen, Oberst stechen, Panaritium sanieren etc. - hier erlebte ich auch erstmals teaching. Es gab immer 1:1-Betreuung und wir waren ein echtes Team - YEAH! Bei so einer Betreuung war es auch absolut selbstverständlich, dass man auch einmal für den Assistenzarzt ein paar nicht medizinische Botengänge macht, denn ich wusste immer, dass ich geschätzt werde und in Form von Teaching und Geduld alles zurückkam. Im Feedbackgespräch mit dem zuständigen Assistenzarzt wurde auch besprochen, dass Unterassistenten mehr auf der Notfallstation eingeteilt werden könnten und ev. auch Nachtdienste machen. Leider wollen natürlich alle Unterassistenten auf die Notfallstation und irgendjemand muss ja auch die Haken im OP halten und die Aufnahmen machen.
Weiters möchte ich auch sagen, dass ich mich auf der Thoraxchirurgie integriert gefühlt habe. Hier waren wir ein kleines Team mit sehr netten und kompetenten Assistenz- und Oberärztinnen, welche einen auf der Station unter die Fittiche nahmen und im OP erklärten, indem sie einfach ihre intraoperativen Gedanken aussprachen. So einfach kanns sein!
Ich möchte erwähnen, dass sich eine Rotation auf die Traumatologie und Kinderchirurgie für mich nicht ausging.
Die Berichte auf PJ-Ranking über die Chirurgie in Aarau wurden etwa zum Jahreswechsel von Assistenzärzten entdeckt und auch von leitenden Ärzten gelesen und reflektiert. Mir ist aufgefallen, dass sich besonders die Assistenzärzten seitdem mehr bemüht haben und freundlicher waren - seitdem fühlte ich mich auch etwas wohler. Insgesamt hoffe ich, dass sich die Situation durch Umsetzung der besprochenen, oben erwähnten Punkte bessert.
Wer trotzdem auf der Chirurgie in Aarau landet: Es ist auszuhalten. Nehmt es mit Humor. Bleibt hartnäckig und versucht euch zu interessieren und zu engagieren - dies macht es zukünftig auch den Ärzten leichter, euch ins Team zu integrieren und euch etwas beizubringen. Es ist ihnen bewusst, dass die Unterassistenten unzufrieden sind und sie geben sich aktuell wirklich mehr mühe. Die aktuelle Situation verstehe ich als Chance für die Abteilung, dass nachhaltig etwas im Unterassistenten-Ausbildungsprogramm verändert wird und dadurch die Qualität steigt.
Zu Feedbackzwecken haben sich Anfang Januar alle Unterassistenten an einen Tisch gesetzt und Verbesserungsvorschläge erarbeitet, welche dann mit dem zuständigen Assistenzarzt diskutiert wurden. Es soll dann eine weitere Besprechung geben, wo dies mit dem "Koordinator Unterassistenten" weiter besprochen und hoffentlich auf umgesetzt werden soll. Die offiziellen Feedbackpunkte sind hier enthalten, dieser Bericht enthält aber natürlich nur meine subjektive Meinung und nicht die offizielle Meinung aller Unterassistenten.
Ausserdem möchte ich sagen, dass die in diesem Bericht genannten Punkte keine Aussage über die Qualität und Patientenzufriedenheit der Chirurgie des Kantonspital Aarau zulassen. Ich hatte das Gefühl, dass nichtsdestotrotz gute Arbeit geleistet wird. Ausserdem wurde der offizielle Ausbildungskatalog, welcher von meiner Heimatuniversität verlangt wurde, erfüllt.
Ich wurde auch von einem Assistenzarzt gebeten, keinen Bericht auf PJ-Ranking zu verfassen. Als loyales Mitglied meiner Heimatuniversität bin ich es meinen KollegInnen schuldig, meine Zeit als Unterassistent subjektiv zu reflektieren.