plastische, kolorektale und endokrine Chirurgie, Unfallchirurgie
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP, Station
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Der Tag begann üblicherweise mit einer Visite um 7:00 (je nach Auslastung der Station wurde diese aber auch manchmal eigenständig von den Ärzten auf 6:00 vor- oder 8:00 zurückverlegt). Danach durfte ich relativ frei entscheiden, ob ich auf der Station mithelfen oder in den OP gehen wollte. Die meiste Zeit entschied ich mich für den OP, da die Dokumentation auf Station für mein zukünftiges berufliches Leben eher irrelevant war, da das in jedem Land doch sehr speziell ist.
Im OP konnte ich mich zu fast jeder Operation steril einwaschen und am Tisch stehen. Je nach Operateur wurden mir auch Aufgaben als Assistenz übertragen. Die absoluten Highlights waren für mich hierbei die erste Assistenz bei einer Mastektomie mit Sentinel-Markierung (komplette Brustentfernung bei Brustkrebs mit Lymphknotenmarkierung) sowie die erste Assistenz bei Hüft- und Kniegelenkersätzen.
Im Grunde ist es in Australien jedoch so, dass Studenten eher nur theoretisch unterrichtet werden und weniger praktische Tätigkeiten übernehmen. Bei Nachfrage und Interesse durfte ich aber auch z.B. den ersten Schnitt durchführen, die Wunden verschließen und natürlich die Hilfstätigkeiten wie Haken halten, Koagulieren und Fäden schneiden übernehmen. Allerdings ist man als Student nie fest im OP-Plan eingeteilt, so wie man das aus Deutschland kennt. Dementsprechend wechselte ich auch relativ frei zwischen den OP-Sälen nach meinem Interesse und sah verschiedene Dinge, die ich in so einer breiten Vielfalt in Deutschland nicht hätte sehen können.
Sehr bemerkenswert fand ich auch, dass sich die Ärzte in ihrer freien Zeit zwischen den OPs oder auch auf Station sehr oft bemüht haben, einem mit selbst gemalten Bildchen der anhand von Skizzen auf Google Sachverhalte theoretisch zu erklären. Außerdem bestand immer die Möglichkeit, einen sogenannten „long case“ (vollständige Anamnese und körperliche Untersuchung sowie Therapieplan) herauszuarbeiten und ihn den Assistenzärzten vorzustellen. Mir wurde immer das Gefühl vermittelt, dass sich für die Studenten und ihre Ausbildung Zeit genommen wird und sie einen großen Stellenwert einnimmt. Ich war auch sehr erstaunt, über welches Wissen die australischen Studenten nach vier Studienjahren verfügten (in Sydney ist Medizin ein postgraduate-Studiengang mit einer Länge von vier Jahren). In negativem Sinne war ich jedoch gleichzeitig überrascht, wie wenig sie an praktischen Erfahrungen hatten, da z.B. ein Student im letzten Jahr teilweise noch nie Blut abgenommen hatte.
Nach der Uni werden die Studenten diesbezüglich dann ins kalte Wasser geschmissen, da sie als Interns (erster Ausbildungsschritt) für die komplette Stationsarbeit zuständig sind. Das internship dauert im Normalfall zwei Jahre, dann kann man sich für ein traineeship (Facharztausbildung) als registrar (vergleichbar mit dem deutschen Assistenzarzt) bewerben. Da die Facharztausbildungen je nach Fachbereich jedoch sehr stark begehrt sind, bekommen die meisten Bewerber keinen Platz beim ersten oder zweiten Versuch. Ich habe viele persönliche Geschichten von Odysseen durch dieses Verfahren gehört, in dem versucht wird durch Fortbildungen und Forschungstätigkeit noch weitere Punkte für die Bewerbung zu sammeln. Das klang meiner Meinung nach immer sehr mühsam und auch demotivierend und hat mich persönlich daran erinnert wie „einfach“ wir es im Moment in Deutschland als Ärzte haben. Da können wir uns wirklich glücklich schätzen, dass uns nach der Uni in unserer weiteren Ausbildung keine so großen Steine in den Weg gelegt werden.
Wenn man in Australien irgendwann den Status des consultants (Oberarzt) erreicht hat, dann arbeitet man normalerweise in seinen eigenen private rooms und kommt nur zur Visite und gegebenenfalls zur Operation seiner Patienten in operativen Fächern ins Krankenhaus. Das hat mich zu Beginn sehr verwirrt, dass im Prinzip kein Oberarzt im Krankenhaus ständig vor Ort ist, sondern verschiedene Oberärzte tagtäglich kommen und gehen. Aus diesem Grund wird neben der morgendlichen Visite aller im Krankenhaus arbeitenden Ärzte mehrmals eine kleine Visite mit den entsprechenden Oberärzten und ihren Patienten gegangen. Das finde ich persönlich sehr umständlich, da es jedes Mal wieder eine Unterbrechung der Arbeit auf Station bedeutet und den Intern aufhält.
Positiv – abgesehen von der ärztlichen Tätigkeit – ist mir auch aufgefallen, dass die Krankenschwestern in Australien viel eigenständiger und überlegter handeln als ich das aus Erfahrungen in deutschen Krankenhäusern kenne. (Zur Erklärung: im Krankenhaus in Deutschland auf Station kommt es nicht selten vor, dass man Aussagen wie „Das hat der Arzt nicht gesagt, also mache ich auch nichts und frage auch nicht nach.“ hört. In Australien ist die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Schwestern deutlich kollegialer und der gegenseitige Respekt auch stärker.) Für mich als Berufsanfängerin ist das oft erschütternd wie man es in Deutschland schafft die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Berufsgruppen, die doch schlussendlich auf das gleiche Ziel, nämlich der Genesung des Patienten, hinarbeiten, auf so ein geringes und distanziertes Niveau zu halten. Ich denke, in der Hinsicht könnte man einiges von den Australiern lernen oder müsste vielleicht, wie es uns einige Nachbarländer ja schon vorleben, die Ausbildung der Krankenschwestern verbessern und in ihrer Kompetenz stärken.
Fachlich für mich persönlich habe ich geschätzt, dass ich in viele verschiedene Bereiche hineinschnuppern durfte und auch operativ bereits in der Brustchirurgie, die es bei uns in Deutschland nicht als Teilgebiet der Chirurgie gibt, sondern zur Gynäkologie gezählt wird, viele Dinge gesehen habe, die mir jetzt in meinem Wahltertial (Gynäkologie und Geburtshilfe) schon weiterhelfen.
Ich bin auch sehr dankbar für das nette und entspannte Arbeitsklima, das ich in Australien kennengelernt habe und für die persönlichen Kontakte, die ich knüpfen durfte.
Ein wenig anstrengend fand ich allerdings, dass man manchmal als deutscher Austauschstudent das Image eines Touristen, der hier nur zum Urlaub ist, aufgedrückt bekommen hat und sich teilweise „rechtfertigen“ musste, warum man so pflichtbewusst, pünktlich und engagiert am Morgen zur Visite und dann im OP erscheint, da das ja gar nicht erwartet werden würde. Das hat zuweilen ein wenig an Überzeugungsarbeit gebraucht, dass man auch als deutscher Student in Australien gewillt ist, sich einzubringen und fachlich etwas zu lernen. Medizinstudenten, die danach suchen, in ihrem PJ komplett mit Arbeit und Eigenverantwortung überhäuft zu werden, die sollten wohl doch eher z.B. die Schweiz wählen als Australien. Aber wer in netter Atmosphäre mit unglaublich freundlichen Leuten, die anscheinend Geduld in Mengen haben, arbeiten möchte und ein hervorragendes theoretisches Teaching erfahren möchte, der ist in Australien genau richtig.