Die ersten Wochen im Krankenhaus war ich vor allem damit beschäftigt, zu verstehen, wie alles organisiert (oder eben auch nicht) ist, wer welche Zuständigkeit hat, welche Formulare zu welchem Zeitpunkt in welcher Farbe ausgefüllt werden müssen etc.; weder die Sprachbarriere noch die unordentlichen Handschriften der Ärzte haben mir diese Aufgebe erleichtert. Ein paar der Besonderheiten im Vergleich zu Deutschland: Fast alle Materialien, von Infusionsset und Venenverweilkanüle über Verbände und Nahtmaterial (selbst der Tubus im Intubationsfall!!! - dann kann man Rezept allerdings nachreichen), müssen per Rezept verschrieben und in der krankenhauseigenen Apotheke (kostenlos) abgeholt werden, entweder von Angehörigen oder von uns Medizinstudenten; andere Dinge, wie Tupfer, Pinzetten und Fadenhalter, gibt es zwar in der Notaufnahme auf Vorrat, sind aber in einem verschlossenen Schrank; im OP müssen die Pjler vorher alle Materialien besorgen; verschrieben werden kann nur, was es auf Vorrat in der Apotheke gibt. Das ist eine begrenzte Liste von etwa 100 Medikamenten; es gibt etwa einen Computer auf jeder Station, auf dem Arztbriefe geschrieben und CT-Bilder angeschaut werden, alle weitere Dokumentation ist handschriftlich (und die Zuständigkeit in der Notaufnahme schwammig; oft werden im Dokumentationsbuch nur die Patientendaten und Sozialanamnese durch die Krankenschwestern notiert, und Stunden später fragt der Arzt mal rum, ob jemand sich an einen Patienten mit diesem Namen erinnert, im Zweifelsfall wird erfunden); um ein MRT oder eine ERCP anzufragen, muss erst ein komplizierter bürokratischer Prozess durchlaufen werden, bis ausgewählte Patienten dies im nächstliegenden Privatkrankenhaus bekommen können.
Als ich die Grundregeln einmal verstanden und mein Spanisch verbessert hatte, habe ich mein PJ jedoch genießen können. Ich bin durch die Abteilungen Allgemeinchirurgie, plastische Chirurgie (betrifft in dem Krankenhaus nur Brandwunden, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Substanzdefekte, keine Schönheitschirurgie), Unfallchirurgie, Neurochirurgie und chirurgische Notaufnahme rotiert. Außerdem hab ich am Ende noch eine Woche im OP dafür genutzt, mir das anzuschauen, was ich noch nicht gesehen hatte. Der Tag begann morgens um 7 mit der Visite (für deutsch PJler:in Cuenca arbeiten die Internos 365 Tage im Jahr, 12 Stunden pro Tag an normalen Tagen und alle 4 Tage ein Turno von 24 h – am Tag danach, der „Salida“ heißt, haben die Pjler allerdings nicht frei, sondern bleiben nochmal 12h, sodass sie mindestens 36h am Stück im Krankenhaus sind; wir haben jedoch argumentiert, dass unsere Haftpflichtversicherung nur im Ausnahmefall mehr als 40h pro Woche decke, sodass wir uns auf 8h am Tag 5 Tage die Woche plus 2mal im Monat eine 24h-Schicht geeinigt haben), danach habe ich entweder im OP assistiert bzw. instrumentiert, auf Station Verbandswechsel und Blutabnahmen durchgeführt und Untersuchungen angefordert oder in der Notaufnahme Patienten aufgenommen, Anamnese erhoben, Gipsschienen angelegt oder genäht. Meine spannendsten Erfahrungen hatte ich während der Nachtschichten: einmal war ich während des Stadtfestes von Cuenca dort und habe bis morgens um 10 Uhr noch Platzwunden von Schlägereien und Autounfällen zusammengeflickt; ein andermal wurden 15 politraumatisierte Patienten nach einem Busunglück auf einmal zu uns gebracht, da durfte ich auch Skalpierungsverletzungen versorgen und bei Thoraxdrainagen assistieren. Ansonsten gab es in der Notaufnahme immer viele Apendicitices (auch fortgeschrittene Stadien, da die Patienten oft recht spät zum Arzt gehen), Gallenkoliken, Nierensteine, Schnitt-und brandverletzungen und Frakturen.
Als frustrierend empfand ich (neben der Anfangsphase): den vielen Papierkram (besonders, wenn man gebeten wird, Formulare für Patienten auszufüllen, die man nicht kennt, und dann an der Handschrift der Ärzte scheitert, wo man eigentlich nur abschreiben müsste; oder wenn mal wieder so schlecht kommuniziert wurde, dass 2 Leute auf einmal das gleiche Formular ausgefüllt haben, sodass alle Arbeit umsonst war – die Zuständigkeit ist nur schwer ersichtlich; auch dass CTs immer vom Oberarzt der Radiologie mit Stempel und Unterschrift abgesegnet werden müssen und man diesen Arzt dann lange und mühsam suchen muss); wenn man einen Patienten zum Röntgen fahren soll (es gibt zwar „Servicios generales“, die sich teilweise darum kümmern, aber im Zweifelsfall muss man als Interno doch ran), nur ein Aufzug im ganzen Haus funktioniert und der natürlich ständig besetzt ist, und man dann noch vorm Röntgen sinnlos warten muss, bis der Patient an der Reihe und die Untersuchung beendigt ist; die Wartezeiten im OP, wenn mal wieder entweder Patient oder Operateur fehlen (meine Empfehlung: gutes Buch oder Spanischübungen mitnehmen ;-) ); dass es für die Instrumente im OP oft 2 bis 3 verschiedene Begriffe (plus jeweils deren Verniedlichungsform) gab, und ich daher selbst dann noch gescheitert bin mit Anreichen, als ich schon dachte, es gelernt zu haben.
Große Pluspunkte: in der Notaufnahme selbstständig arbeiten, viel Erfahrung im Nähen und Gipsen sammeln zu können, einmal pro Woche PJ-Unterricht (interaktiv und ohne Power-Point), sich nützlich fühlen können, im OP fast immer am Tisch, nette Kollegen, problemlos freinehmen können um zu reisen, Arbeitszeiten flexibel gestalten können.
Bewerbung
Auf der Internetseite der Universidad de Cuenca (https://www.ucuenca.edu.ec/admisiones/admision-extranjeros#aplicaci%C3%B3n) gibt es eine Rubrik, in der alle benötigten Bewerbungsunterlagen sowie die entsprechenden Bewerbungsfristen aufgelistet sind (ich habe mich etwa ein Dreivierteljahr vorher beworben, es geht jedoch auch kurzfristiger).
Gefragt wird unter anderem: Application Form (gibt es online), Dean‘s Letter, Motivationsschreiben, tabellarischer Lebenslauf, Empfehlungsschreiben eines Professors, Kopie des Passes, Passfoto, Sprachnachweis B2 (kann nachgereicht werden). Die Bewerbung muss an das International Office (asistente.dri@ucuenca.edu.ec) gerichtet werden.
Das PJ heißt in Ecuador „Internado“.
Ist die Bewerbung angenommen, bekommt man ein Bestätigungsschreiben und soll seine Flugdaten und Krankenversicherungsbestätigung einschicken. Dann kam bei mir erst einmal lange keine Antwort. Nicht beunruhigen lassen, etwa zwei Wochen vor Semesterbeginn kamen dann wieder Infos über Willkommenswoche und Registrierung.