Der erste Praktikumstag besteht nur aus bürokratischen Dingen: man registriert sich im Trainingsdepartement und gibt die ausgefüllte PJ-Bescheinigung ab. Diese bekommt man 10 Tage vor Praktikumsende unterschrieben wieder zurück (einige PJler mussten aus persönlichen Gründen früher zurückfliegen und haben trotzdem ihre Unterschrift bekommen). Anschließend wird man an die Universität Ho-Chi-Minh City geschickt, wo man die Bescheinigung abgeben muss dass man wie die anderen Studenten behandelt wird. Diese Unterschrift braucht ein paar Tage und kostet nach wie vor die bekannten 20$.
Am zweiten Tag bezahlt man an der Kasse die Studiengebühren von 2 Mio. VND (ca 74€) pro Woche. Die meisten haben alles auf einmal bezahlt, ist aber auch kein Problem es aufzuteilen. Die Gebühr ist gemessen an vietnamesische Verhältnisse schon ziemlich hoch (Durchschnittsgehalt in Ho-Chi-Minh-City 6,38 Mio VND pro Monat!). Danach wird man von Dr. Hu auf die jeweiligen Stationen geführt. Dort wird man kurz vorgestellt und bekommt die Info wann man am nächsten Tag da sein soll.
D.h. der erste richtige Arbeitstag ist anfangs der dritte und bei jedem Departmentwechsel der zweite Tag der Woche (bei jedem Departementwechsel geht man erst ins training department, bekommt ein neues Namensschild und wird wie anfangs auf die Station geführt)
Das Krankenhaus
Auch wenn man sich vorher schon gedanklich darauf einstellt, treffen einen die Eindrücke vom Krankenhaus und v.a. auf Station am ersten Tag schon sehr. Das Cho Ray ist eines der größten und renommiertesten Krankenhäuser Vietnams und demnach strömen Patienten dorthin. Offiziell gibt es 2600 Betten, teilweise aber 3000 stationäre Patienten, d.h. Patienten müssen sich ein Bett teilen. Wenn die Station voll ist liegen etwa 40 Patienten im Flur (auf beiden Seiten, so dass man gerade noch durchkommt) und etwa 15-20 pro Zimmer. Da das Cho Ray quasi die Spitze der Versorgung darstellt sind die Verletzungen/Erkrankungen und Eingriffe sehr eindrucksvoll und man wundert sich schon, dass Patienten die bei uns auf der Intensivstation liegen würden hier im Flur untergebracht sind. Die Angehörigen sind zur Versorgung der Patienten allgegenwärtig und schlafen auf Bambusmatten und den Patientenliegen, im Treppenhaus, im Flur neben den Aufzügen oder draußen auf der Straße zwischen den Krankenhausgebäuden.
Am meisten gehadert habe ich am Krankenhaus mit der Anästhesie und dem Umgang mit dem Patienten. Klar ist die Hygiene hier auch zu nennen, immerhin werden hier standardmäßig zwei Patienten gleichzeitig in einem OP behandelt und es wird allgemein nicht viel auf Sterilität geachtet. Schwieriger fand ich aber die Tatsache, dass die Patienten teilweise sehr unmenschlich und unfreundlich behandelt wurden. Abgesehen davon, war oft die Anästhesie nicht ausreichend, sodass einmal eine Patientin während einer offenen Thorax-OP aufgewacht ist und auf der Burn Unit die Patienten regelmäßig vor Schmerzen während (und nach) der OP geschrien haben. Die postoperative Schmerzbehandlung bestand meist aus 1000mg Paracetamol, was bei größeren Eingriffen natürlich bei weitem nicht reicht. Deswegen war es auch gut, dass wir mehr oder weniger gehen konnten wann wir wollten, denn manchmal konnte ich eben einfach nicht mehr zu sehen wie Verbrennungspatienten mehr oder weniger unsteril behandelt wurden oder Ärzte sich bei der OP einfach nicht so recht Mühe gegeben haben.
Die Lehre
Ich war ein halbes Tertial im Cho Ray und davon jeweils 4 Wochen auf der Thoraxchirurgie und 4 Wochen auf der Burn Unit/Plastic Surgery
Thoraxchirurgie:
Hier beginnt der Tag morgens um 7.00 mit der Morgenbesprechung. Die Röntgenbilder und CTs werden zum Teil auf englisch besprochen, denn der Chef legt viel Wert darauf, dass seine Ärzte besser englisch sprechen. Dr. Vinh hört sich zwar selbst sehr gerne reden und ist etwas wichtigtuerisch, allerdings spricht er sehr gut englisch und nimmt sich auch mal dem ausländischen Studenten an. Man wird oft morgens von ihm zum frühstücken mit dem Rest des Teams eingeladen, was sehr nett und nicht auf jeder Station der Fall ist. Viele andere Ärzte können hier auch gut englisch, besonders bemüht waren die Assistenzärzte Nam und Quang. Generell durfte ich hier öfters assistieren, aber irgendwann wiederholen sich die OPs auch. Einmal habe ich mit Quang einen Nachtdienst mitgemacht, das begann erstmal mit einem gemeinsamen Abendessen der diensthabenden Thoraxchirurgen um 19.00, anschließend waren wir gemeinsam in der Notaufnahme und auf der Intensivstation. Um 22.30 wurde ich allerdings ins Schwesterzimmer schlafen geschickt und dann auch bis morgens nicht mehr gerufen (angeblich war nichts spannendes, aber ich denke er wollte ein Gentleman sein und mich nicht wecken…), was ich etwas schade fand. Später habe ich eine Woche frei genommen, das war auch kein Problem.
Burn Unit/ Plastic Surgery:
Eine Station von der von allen anderen Studenten nur geschwärmt wurde, ich konnte das in den ersten Tagen nicht so ganz bestätigen, später fand ich einen jungen Assistenzarzt der sehr motiviert war viel auf englisch zu erzählen. Dann wurde es auch richtig spannend, denn er hat dann Teile aus den Akten übersetzt und man hat endlich mal die Anamnese und Geschichte der Patienten erfahren (das wusste man sonst fast nie). Häufig waren v.a. Arbeits- und Elektrizitätsunfälle, es gab aber auch einige Frauen die Säureattacken erlitten haben oder andere Patienten die sich in suizidaler Absicht angezündet hatten. Die Verletzungen sind sehr schwerwiegend, daran muss man sich schon etwas gewöhnen und einiges bleibt einem auch im Kopf hängen. Aber hier darf man viel assistieren, denn die Eingriffe sind kurz und nicht zu schwierig. Meist werden Nekrosen abgetragen oder Haut transplantiert, das klappt auch gemeinsam mit einem Arzt der nur einzelne Wörter englisch spricht. Dann gibt es auch noch die plastisch rekonstruktiven OPs, die meist der Chef persönlich durchführt. Er operiert zwar etwas hektisch, aber die OPs sind tweilweise wirklich interessant! Beispielsweise wurde einmal ein tiefer Defekt am Handrücken mit einem Flap von der Hüfte gedeckt, bei der der Stiel für die
nächsten 10 Tage belassen wurde (Kurzum wurde die Hand an die Hüfte genäht).
Generell:
Wenn man wirklich was lernen möchte muss man schon einiges an Eigeninitiative zeigen. Mittlerweile sind dort so viele ausländische Studenten (hauptsächlich Deutsche), dass man den Eindruck hat die Ärzte haben etwas das Interesse an der Lehre verloren. Wenn man die richtige Person findet kann man aber eine Menge mitnehmen, es ist halt jeden Tag wieder eine Herausforderung diese Person zu finden. Natürlich ist die Sprachbarriere auch groß. Zusätzlich sollte man erwähnen, dass die meisten Ärzte männlich sind und das die Kommunikation für uns Frauen noch etwas erschwert. Man sollte aufpassen wenn man abends zum Essen oder Trinken eingeladen wird, nicht darauf eingehen oder auf jeden Fall jemanden mitnehmen. Ich möchte hier niemanden unter Generalverdacht stellen, aber zwei unserer Kolleginnen mussten Departement wechseln, weil eben solche Verabredungen missinterpretiert wurden.
Leben in Ho-Chi-Minh-City
Lasst euch nicht abschrecken, wenn andere Reisende ganz entsetzt reagieren weil ihr mehrere Monate hier wohnen wollt! Man braucht etwas Zeit um sich an Verkehr, Chaos und Hitze zu gewöhnen, aber man lernt die Vielfalt dieser Stadt lieben. Jeder District hat seine eigene Persönlichkeit und man kann je nach Lust und Tagesform wählen ob man vietnamesisches Chaos oder europäische Ordnung haben möchte (dafür sind District 7 und 2 zu empfehlen). Leider ist es nur unersätzlich ein funktionierendes Handy bei der Hand zu haben, denn zwei Apps sind lebensnotwendig: Busmaps für den Bus und Grab für das Mopedtaxi.
Abgesehen davon gibt es wirklich gut und günstiges Essen in dieser Stadt. Meist besucht war das besagte vegetarische Restaurant am Ost Eingang des Cho Ray, es heißt Hoa Thien. Empfehlen können wir sonst noch Babas Kitchen (indisch) und Pizza 4Ps, wenn man mal Abwechslung zum vietnamesischen sucht ;)
Ansonsten zu empfehlen: Pho Quynh, I.D. Cafe, The Ginhouse, Bep Vo Kitchen, die Tanzshows im Opera House, Ban Co Market (dort in der Nähe der Bushaltestelle gibt es super Smoothies für 15.000 VND)
Fazit
Ich bin froh die Erfahrung gemacht zu haben, habe viele eindrucksvolle Krankheitsbilder gesehen und bin mir nochmal mehr darüber klar geworden was ich persönlich im Umgang mit Patienten wichtig finde. Deswegen war es auf jeden Fall wert das halbe PJ Tertial am Cho Ray Hospital gemacht zu haben. Das heißt aber nicht unbedingt, dass ich es gut fand oder die Zeit genossen habe. Es war oft sehr herausfordernd und hat viele moralische Fragestellungen aufgeworfen, dennoch habe ich viel gelernt, v.a. über mich selbst und wie ich mit diesen Herausforderungen umgehe.
Bewerbung
Motivation:
Ich wollte gerne sehen wie ein Krankenhaus in einem weniger entwickelten Land, schlechterer Ausstattung und anderer Rahmenbedingungen funktioniert.
Versicherung:
Ich habe mich über ein PJ Paket der deutschen Ärzteversicherung versichert ( Unfall-, Haftpflicht- und Auslandskrankenversicherung für 65,45)
Ansprechpartner:
Dr. Bich und Mr. Hu (training.crtd@gmail.com)
Sprache:
Vietnamesisch ist eine Tonsprache und daher wirklich sehr schwer zu erlernen. Wir haben uns viel Mühe gegeben, konnten aber bis zum Ende nur die Zahlen und die wichtigsten Wörter. Im Krankenhaus sollte man nicht zu viel Englisch erwarten, es gibt einige Ärzte die Englisch können (einzelne auch sehr gut), aber das ist teilweise auf einem sehr einfachem Niveau und es sind auch bei weitem nicht alle. Mit Pflegekräften und Patienten kann man eigentlich gar nicht kommunizieren. Das begrenzt die Möglichkeit Dinge zu tun und zu lernen leider sehr und ist wohl eine der größten Schwierigkeiten mit denen man rechnen sollte.
Visum: drei monatiges Touristenvisum, nach Telefonanruf auch mit multiple entry möglich (100 €)
Unterkunft:
Da ich mit einer Freundin nach Vietnam gekommen bin konnten wir uns unser AirBnB Zimmer in Distrikt 4 teilen, das Zimmer war zwar schön, der Weg aber doch etwas weit. Im Nachhinein würde ich District 3 (zwischen District 1 und 5) empfehlen, oder aber einen westlichen Teil von District 1. Das Zimmer haben wir schon ein Paar Monate im Vorraus gebucht, man kann aber sicherlich auch vor Ort spontan etwas finden, das war uns allerdings zu stressig.