Die ersten Tage im Krankenhaus können einen sehr überfordern. Es tummeln sich sehr viele Menschen auf sehr wenig Platz, die Aufzüge sind überfüllt, es ist laut, heiß und stickig, extremes Gedrängel in den Fluren und die Orientierung auf dem Klinikgelände ist anfangs sehr schwer.
Die Einführung durch das Trainingsdepartment und die Organisation war beeindruckend. Wir wurden auf unsere Departments aufgeteilt, uns wurde das Klinikum
gezeigt und alle organisatorischen Fragen beantwortet. Der Einstieg war wirklich sehr angenehm und so richtig fing das PJ erst am dritten Tag an.
Die Qualität der Lehre und der Erfahrungen die man in den verschiedenen Fachrichtungen sammeln konnte war doch sehr unterschiedlich, was nicht zuletzt an den englisch Kenntnissen der vietnamesischen Ärzte lag. Ich war in der Verbrennungschirurgie, dann in der Thorax Chirurgie und zuletzt in der Urologie. Seine Rotation kann man frei wählen, allerdings soll man mindestens zwei Wochen in einem Department bleiben. Ich würde euch empfehlen nicht zu oft zu wechseln. Das Team gewöhnt sich viel besser an euch und ihr werdet mehr integriert, wenn ihr länger da seid.
Leider war meine Erfahrung in der Verbrennungschirurgie sehr schlecht (Mangelnde Hygiene, keine Empathie und viel Leid).
Im Gegenteil dazu war meine Erfahrung in der Urologie durchgehend positiv! Hiermit möchte ich diesem Department danken, weil ich nicht nur aus medizinscher Sicht extrem viel lernen durfte, sondern auch in meiner Freizeit zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen wurde. Es stand mir immer frei mich steril ein zu waschen, man durfte nähen, Fäden schneiden, Haken halten und andere kleine Aufgaben übernehmen. Dabei wurde man stets geduldig angeleitet.
Die Atmosphäre im OP war immer entspannt, freundlich, ruhig und wertschätzend.
Viele der Urologen hatten die Möglichkeit nach Korea oder Australien zu gehen und dort für eine gewisse Zeit ausgebildet zu werden, sodass die fachliche Kompetenz hier sehr groß war und man viel lernen konnte.
Hervorzuheben sei auch die Einladung zur Departmentsparty, mit unfassbar gutem vietnamesischem Essen! Ich wurde nicht nur herzlich aufgenommen, es wurde sehr viel Interesse an meiner Kultur und Herkunft gezeigt und ich fühlte mich stets willkommen. Außerdem war es sehr schön auch privat Zeit mit den Ärzten zu verbringen und in entspannter Atmosphäre über verschiedene Themen zu sprechen. Umso schwerer war leider der Abschied.
Alltag und Freizeit
In einer Stadt wie Ho Chi Minh City wird einem definitiv niemals langweilig. Es gibt nichts, was man nicht machen kann. Da ich vor PJ Beginn bereits einen Monat durch Asien gereist bin, war ich nicht mehr so interessiert an den typischen Touristenattraktionen, welche man aber in gut drei Tagen abgehakt hat.
Die Stadt ist unfassbar groß, laut, voll, stickig und eindrucksvoll. Tag für Tag versteht man mehr, wie der Straßenverkehr funktioniert, wie man auf den Märkten handeln kann, wo man gut Essen und Trinken kann. Ich empfehle Jedem sich die App google translator runterzuladen, da es fast unmöglich erschien vietnamesische Wörter richtig auszusprechen, um beispielsweise etwas zu bestellen. Außerdem sind die Englischkenntnisse der Bevölkerung oft schlecht bis gar nicht vorhanden.
Die Lebenshaltungskosten in Vietnam sind für europäische Verhältnisse sehr günstig. Für knapp 2€ kann man ins Kino gehen, ein großes Mittagessen kostet etwa 1,50€ und Kaffee bekommt man am Straßenstand für knapp 50 Cent. Geht man, wie ich, immer wieder zu denselben Lokalen und Straßenständen, freuen die Verkäufer sich meistens schon auf einen und bereiten alles für euch vor. Ich empfand das Gefühl angekommen zu sein als sehr bereichernd, grade weil die Vietnamesen doch recht lange brauchen um sich an neue Personen in der Nachbarschaft zu gewöhnen. Man muss sich aber wirklich keine Sorgen machen, wenn man alleine anreist, da es sehr schnell und einfach war Anschluss zu finden. Unsere kleine, internationale PJ-Clique verabredete sich oft zum Essen gehen, zum Schwimmen oder auch für Tages- und Wochenendausflüge. Inlandsflüge sind eine super Möglichkeit auch weiter entfernte Orte zu bereisen und das komplette Land und die regionalen Besonderheiten zu entdecken. Ich fand den Norden sehr anders im Vergleich zum Süden und kann es nur jedem nahelegen, so viel wie möglich anzusehen. Für Insidertipps kann man stets die Ärzte im Krankenhaus fragen, da viele aus weiter entfernten Regionen zugezogen sind und großes Interesse daran zeigen uns internationalen Studenten so viel wie möglich von Vietnam zu zeigen. Reisen durfte man immer (nicht offiziell), wenn man dem Chef Bescheid gegeben hat war es aber kein Problem.
Fazit
Zusammenfassend kann ich sagen, dass es eine unfassbar besondere Zeit für mich war. Ich bin sehr dankbar für alle Erfahrungen und Eindrücke die ich sammeln durfte, meine Liebe zu Asien und insbesondere Vietnam wurde definitiv geweckt.
Meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen und ich würde jedem empfehlen die Möglichkeit zu nutzen und für gewisse Zeit in einem Land wie Vietnam zu leben. Ich denke das praktische Jahr bietet sich dafür sehr gut an und grade das Splitting hat mir sehr gut gefallen, da ich sowohl Inlands- als auch Auslandserfahrung sammeln kann. Besonders positiv hervorzuheben sei der Umgang miteinander im OP, der in Deutschland manchmal sehr unangenehm sein kann. Grade wenn man noch nicht viel Erfahrung beim Assistieren am OP-Tisch gesammelt hat, lohnt es sich dort zu beginnen und geduldig und wertschätzend angeleitet zu werden.
Bewerbung
Bewerbung einfach an: Email: training.crtd@gmail.com
(Man bekommt dann eine pdf mit den Guidelines und allen Informationen - bessere Organisation an so manch einer deutschen Uni)
Unterkunft bekommt man günstig und mit Rabatt bei AirBnB, viele sind aber auch erstmal angereist und haben sich vor Ort eine Wohnung gesucht. Ich empfehle zum Wohnen District 3 (weniger Touristen, näher am Leben und viel gutes Essen!). Mit GrabBike kommt man überall super günstig hin.