PJ-Tertial Neurologie in Neurologische Akutklinik Bad Zwesten (9/2018 bis 12/2018)

Station(en)
Neurologische Akutklinik
Einsatzbereiche
Station
Heimatuni
Marburg
Kommentar
Das wichtigste zuerst: Lohnt es sich für ein Tertial nach Bad Zwesten zu gehen? Ja!
Nach drei Tertialen in 4 Abteilungen und etwas Zeit zur Reflektion lässt sich nicht bestreiten, dass die NAK Bad Zwesten genau das liefert , was man von einem PJ erwartet: man betreut Patienten selbstständig, ohne mit ihnen allein gelassen zu werden; man schreibt selbst die Briefe und bekommt konstruktives Feedback, sodass man mit der Zeit seine eigenen Fortschritte sehen kann; man ist jederzeit eingeladen an Untersuchungen teilzunehmen, Fragen zu stellen und eigene Vorschläge einzubringen.
Das alles bei mehr Gehalt als in den meisten Häusern, gratis Kost und Logis, Mitbenutzung des hauseigenen Schwimmbades und einem super netten Team!
Der einzige Preis, den man zahlen muss ist halt Bad Zwesten selbst ... also mit Party ist hier nicht viel. Aber wenn man unter der Woche gerne zu Hause bleibt, Wald und Wiesen genießen kann und ein wenig Ruhe schätzt, dann ist man hier goldrichtig.
Wenn Dich das bis hierhin noch nicht überzeugt hat, dann jetzt nochmal in ausführlich:

Einstieg:
Kontakt über die Sekretärin des Chefs, und nach einem netten Telephonat mit der Personalabteilung (an dieser Stelle muss auch mal betont werden wie verdammt freundlich alle in diesem Haus sind!) bekommt man erste Infos: wo man am ersten Tag aufschlagen muss, wo man den Zimmerschlüssel bekommt und wann man alle nötigen Verträge unterschreiben muss.
Man kann das Zimmer problemlos auch vor Tertialbeginn beziehen und sich schonmal einrichten.
Am ersten Tag bekommt man eine kleine Führung durch das Haus, eine nette Dame notiert sich Eure Kittel- und Hosengröße (Ihr bekommt nämlich eine eigenen Garnitur mit Namensetiketten) und dann übergibt man Euch auch schon eurem Oberarzt, der sich ab da um Euch kümmert.
In der ersten Woche dackelt Ihr noch weitgehend hinter allem hinterher und versucht Euch im Haus zu orientieren; es hilft enorm, wenn man mal in alle Schränke und Gänge sieht, oder auch die Pflege und Assistenten um Tipps und Ratschläge bittet. Ihr bekommt relativ schnell raus, wie die Visiten funktionieren, wann welche Fort- und Weiterbildung ist und wo man das Labor findet.
Alle sind super nett! Ja, hin und wieder auch gestresst, aber niemand ist wirklich unfreundlich und alle freuen sich über die neuen Kollegen, denn das seid Ihr: Kollegen! Vorausgesetzt, dass Ihr Euch brav (gerne im Zweifel auch mehrfach) vorstellt. Als Gedächtnishilfe hängen dann auch Bilder von allen mit Namen im Flur ... da werdet Ihr dann auch unter den Ärzten dazugehängt, also lächeln fürs Photo! ^^
Ab Woche zwei habt Ihr dann eigene Patienten und der Alltag geht richtig los.

Alltag und Tätigkeiten:
Beginn ist morgens gegen 7:30 Uhr, wenn man das Team bei Blutentnahmen am Morgen unterstützen will (kann ich sehr empfehlen denn a) auch wenn es einem irgendwann stinkt, man kann nie genug üben und b) alle Menschen freuen sich über Hilfe).
Spätestens um 8:05 Uhr ist aber Übergabe von der Nacht im Arztzimmer mit anschließender Besprechung aller Überwachungsbetten, alles geleitet vom Oberarzt, der Euch auch betreut. Da kommt man pünktlich!
Anschließend ist man erstmal ungebunden und kann noch den Arztbrief für die heutige Entlassung ausdrucken oder letzte Blutentnahmen tätigen.
Gegen 8:45 Uhr ist dann die Röntgenbesprechung im Team, samt Oberarzt und Chef. Die Vorgabe hieß da ganz eindeutig: "Sie sollen hier nicht einfach nur stumpf bei ihren Bildern (also denen der eigenen Patienten) mitschreiben, damit sie was für den Brief haben. Sie sollen hier was lernen und sich auch Gedanken machen, denn am Ende muss jeder Arzt auch die eigenen Befunde bewerten und nicht einfach alles stumpf kopieren!" Ergo: stellt Fragen! Auch wenn Ihr nicht mehr ganz frisch in Neuroanatomie seid, stellt Fragen. Sicher, man will nicht mit Unwissenheit glänzen, aber Ihr seid ja dort, um zu lernen. Und im Zweifelsfall sind die Assistenten hinterher dankbar, dass Ihr gefragt habt, weil sie es auch nicht wussten.
Danach gibt's Frühstück im Besprechungsraum der Pflege, gefolgt von der Visite; donnerstags groß mit Chef und ganzem Rudel bei jedem einzelnen Patienten, ansonsten meist mit einem der Assistenten bei seinen Patienten und eben jeden Tag bei Euren.
Jop, ganz richtig: jeden Tag Visite mit dem Oberarzt bei Euren Patienten (s. Betreuung)!
Anschließend könnt ihr je nach Kapazität noch weitere Patienten in Euer Kontingent aufnehmen, oder an Euren bereits vorhandenen weiterarbeiten: Besprochenes aus der Visite anmelden, Rückfragen an Labor und Radiologen stellen, Liquorpunktionen vorbereiten/duchführen oder neue Arztbriefe diktieren bzw. an alten feilen.
Um 11:45 Uhr geht man zum Essen (ja, das ist in Zwesten recht früh), das man dann zusammen mit dem Oberarzt, dem Chef, dem Kliniksdirektor, der Pflegeleitung, dem Chefradiologen sowie anderen Assistenten und Oberärzten zusammen im Speisesaal einnimmt.
Montags und Mittwochs gibt es nach dem Mittagessen Fort- bzw. Weiterbildungen im Stationsteam (Mo) oder fürs ganze Haus (Mi). Vor allem erstere kann ich empfehlen, und Fragen kann man dort auch gerne stellen (damit die Assistenten auch noch was lernen ;-)).
Der Nachmittag gestaltet sich dann ähnlich wie die Zeit nach der Visite, und vielleicht gibt es auch mal ein Gespräch mit Angehörigen oder neue Befunde, die ihr dann mit dem Oberarzt besprechen könnt, bevor ihr Euren Brief aktualisiert (und tut das auch, denn niemand will an einem Nachmittag alles überhastet zusammenschustern, weil der Pat. spontan am nächsten Tag um 8:05 Uhr gehen will). Weiterhin kann man mit dem Sozialdienst über Rehaanträge sprechen, die Kurve der eigenen Patienten ergänzen und natürlich auch auf dem PJ-Telephon erreicht werden, wenn halt mal doch wieder ne Braunüle gebraucht wird.
16:00 Uhr ist dann auch Dienstschluss (freitags 15 Uhr), wobei die Übergabe für den Nachtdienst erst ne Viertelstunde später stattfindet, und wenn Ihr einen Strokepatienten habt, dann solltet Ihr den auch selbst übergeben (das ist ne gute Übung und Rekapitulation).
Freitags gibt es zusätzlich noch die große Übergabe für die Pflege im Wochenenddienst, wo alle Ärzte in großer Runde kurz ihre Patienten darlegen und auf Wichtiges hinweisen, was die Pflege wissen muss, um vllt. auch dem Wochenenddienst helfen zu können ... warum machen das eigentlich nicht alle Häuser?!
Das klingt jetzt vielleicht alles etwas überwältigend und Ihr denkt Euch: "Ich hab' doch keine Ahnung von alledem! Wie soll ich denn Briefe schreiben, oder über Rehaanträge sprechen, wenn ich keinen Plan von nichts habe?!"
Stimmt, aber die hatte ich vorher auch nicht, und dort habe ich es dann gelernt! Learning by doing, asking and growing!

Betreuung:
Der leitende Oberarzt der Akutklinik ist gleichzeitig auch Euer Betreuer, und nicht etwa einer der Assistenten. Er ist der primäre Ansprechpartner für Fragen rund um Organisatorisches, Neurologie und die untiefen des deutsches Gesundheitswesens.
Er lässt sehr schnell keinen Zweifel daran, dass er weiß, was er tut. Der gute Mann war quasi fertiger Internist bevor er sich der Neurologie zugewendet hat und das spürt man auch; also auch über EKGs diskutieren, wenn sich die Chance bietet!
Er zeigt Euch am Anfang die Abläufe und schärft Euch die Regeln im Haus ein, sodass Ihr etwa wisst, wie alles funktioniert.
Nach dem Frühstück findet die Visite mit ihm statt, meistens mit einem oder zwei Assistenten, und dann geht man die Zimmer durch und sieht sich alle die Patienten an, die einem der Anwesenden gehören. D.h. dass Ihr jeden Tag eine private Oberarztvisite bei Euren Patienten habt! Das läuft in etwa so ab: ihr öffnet noch vor dem Zimmer die Akte und fasst nochmal kurz zusammen, wer euer Patient ist (Frau X, 39 Jahre, kam gestern mit stärksten Schmerzen in der LWS, ausstrahlend ins linke Bein), aber ohne komplette Anamnese; beschränkt Euch aufs vorerst Nötige. Dann geht Ihr durch, was bisher an Diagnostik/Therapie gelaufen ist und erörtert den Plan, wie's weitergehen soll. Oder wie in meinem Fall: Ihr gesteht, dass Ihr nicht weiter wisst. ^^;
Dann schmiedet Ihr gemeinsam einen Plan, wie es weitergehen soll und wichtiger: was Ihr gleich im Zimmer sagen wollt, und was nicht (nebenbei werdet Ihr noch auf ein paar kleinere oder größere Fehler in Eurer Aktenführung hingewiesen, aber darin werdet Ihr schnell besser).
Im Zimmer führt Ihr dann das Gespräch mit den Patienten, während der OA Teil der Wandvertäfelung wird und sich raushält, bis Ihr anfangt Schwachsinn zu erzählen (ich empfehle ausdrücklich KEINEN Schwachsinn zu erzählen), dann greift er ein und übernimmt das gespräch. Nachdem Ihr die Fragen der Patienten beantwortet und ihnen euren Plan verkauft habt beendet IHR das Gespräch, und die Mannschaft folgt Euch dann aus dem Zimmer.
Dann gibt es ein Feedback, Ihr ordnet in der Kurve an, was soeben beschlossen wurde, und auf zum nächsten Zimmer.
Man muss schon sagen: hier wird man wirklich betreut, aber auch gefordert.
Der OA sieht zwar etwas grummelig aus, aber Ihr könnt ihm jede Frage stellen und jeden Fall durchsprechen. Am Anfang dürfen es auch Guffelfragen sein, man ist ja Anfänger, aber er erwartet auch, dass Ihr mit der Zeit besser werdet, Ratschläge beherzigt und zeigt, dass Ihr dazulernt.
Und das werdet Ihr!

Unterbringung, Essen und Verkehr:
Das Klinikum liegt auf einem kleinen Hügel, und von dort aus muss man nur durch den Kurpark (alternativ eine Route am Wald entlang, sehr zu empfehlen!) bis man in einem kleinen Wohngebiet steht. Dort findet man dann ein unscheinbares Haus, in dem das Klinikum ein paar Zimmer zu "Apartments" umgebaut hat. Nichts allzu beeindruckendes, aber jedes Zimmer hat seine eigene Kochzeile und ein kleines Bad, also gehört wirklich alles nur euch allein.
Ich war mit der Bewerbung später dran, weshalb mir das kleinere Zimmer zufiel: 11 Quadratmeter (bzw. ca. 18 mit Dachschräge), aber auch das ist ausreichend. Alles Essentielle ist enthalten und die Schubladen und Schränke sind auch bereits mit Utensilien gefüllt. Man kommt nicht um die beeindruckende Mikrowelle mit eintausend und einer Funktion herum, die die Küchenzeile dominiert, und auch sonst ist Abstellfläche etwas rar.
Handtücher und Badvorleger werden gestellt, und alle zwei Wochen kommt eine Reinigungskraft aus dem Klinikum und wischt/saugt alles durch (dafür entrichtet man dann doch wieder einen kleinen Obulus, aber nicht den Boden putzen oder Handtücher wechseln zu müssen ist schon ein Luxus).
Gefrühstückt wird auf Station mit dem Team, und irgendwann ist man dann auch mit Einkaufen an der Reihe, was aber machbar ist; besser vorher nach Vorlieben fragen, denn manches wird auch vom Haus gestellt.
Mittagessen bekommt man gegen Essensmarken, die man sich regelmäßig und gratis abholen kann; diese enthalten dann Salat, Hauptgang, Suppe, Getränk und Dessert, wobei das alles überhaupt nicht auf ein Tablett passt. Die Küche ist ordentlich nordhessisch, also muss man vielleicht um etwas mehr Gemüse bitten, aber bis auf die Brühe mit mannigfaltigen Einlagen kann ich eigentlich alles empfehlen.
Als PJ-ler habt Ihr weiterhin Euer eigenen Büro mit PC, Diktiergerät, Schränken, Ablagen und Telephon. Ist zwar nur ein Arbeitsplatz, den man sich gegebenenfalls teilen muss, aber immerhin: es ist euer kleines Reich; und deutlich mehr als Ihr in den meisten Kliniken bekommt.
Da ich ein Auto zur Verfügung hatte konnte ich die Wochenenden in Marburg verbringen, weshalb ich nicht viel über das Wochenende in Zwesten oder die Verkehrsanbindung mit ÖPNV sagen kann, aber es gibt wohl einen Bus, der direkt vor der Klinik hält und Borken mit Bad Wildungen verbindet (da gibt's jeweils nen Bahnhof).

Fazit:
Falls es nicht deutlich genug war, hier nochmal: Geht nach Zwesten!
Die Betreuung ist so gut wie Ihr es traurigerweise sonst wahrscheinlich nie wieder bekommen werdet, das Team ist nett und ihr lernt tatsächlich das an Fähigkeiten, was Ihr später auch brauchen werdet.
Ja, es ist ein kleines und peripheres Haus.
Ja, richtig komplexe Fälle werden auch gerne mal nach Kassel oder Marburg verlegt, aber was nutzen Euch Kolibris und spannende Notfälle, wenn Ihr anderswo keine Patienten betreut oder nicht am realen Brief lernt, wie man sich den MdK fern hält?
Bad Zwesten bietet Euch eine sichere Umgebung, um Eure Basisfähigkeiten zu entwickeln und Selbstsicherheit im Klinikalltag zu gewinnen. Ihr seid dort keine unterbezahlten Hilfskräfte und keine Haken- und Fressehalter.
Nutzt die Chance!
Unterricht
2x / Woche
Inhalte
Patientenvorstellung
Repetitorien
Bildgebung
EKG
Fallbesprechung
Tätigkeiten
Rehas anmelden
Punktionen
Blut abnehmen
Patienten untersuchen
EKGs
Röntgenbesprechung
Briefe schreiben
Eigene Patienten betreuen
Patienten aufnehmen
Braunülen legen
Untersuchungen anmelden
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
15:00 bis 16:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Kleidung gestellt
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Unterkunft gestellt
Essen frei / billiger

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
3
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.13