Vorbereitung:
Ich startete zusammen mit zwei guten Freundinnen in mein halbes PJ-Tertial in Nepal.
Das Touristenvisum online zu beantragen (wir verzichteten mangels Informationen auf ein Arbeitsvisum) war relativ simpel, am Flughafen hat die Einreise dann trotzdem anderthalb Stunden gedauert. Wir brauchten das Formular aus dem Flugzeug nicht, nur ein Passfoto, das ausgedruckte Online-Vorabvisum und den Pass.
Geld:
Es fällt neben Kosten für Visa, Flug etc im Krankenhaus ein Tution fee in Höhe von ca. 220 Euro pro Monat an. Wohnen und Essen einkaufen ist nicht ganz so billig, wie man es für ein Land mit so niedrigem Durchschnittseinkommen erwarten würde, Straßenessen und Taxifahren/Transport hingegen ist sehr günstig.
Arbeitsanfang:
Bringt am ersten Tag im Krankenhaus eine Passkopie bzw. eure Passnr mit, ein Foto und den Tution fee in bar (auch eine Teilzahlung ist möglich und auf dem Gelände ist ein ATM, an dem man aber, wie in Nepal üblich, nur ca 40.000 Rupien auf einmal abheben kann). Ich empfehle sehr, falls ihr auf zwei Stationen nacheinander eingeteilt seid, erst nur für das erste Posting zu zahlen. Das macht einen Wechsel, falls ihr in der Zwischenzeit eure Präferenzen ändert oder doch auf eurer Anfangsstation bleiben wollt, deutlich entspannter.
Bezüglich der Kleidung fürs Krankenhaus: Ein weißer Kittel für die Station ist gut, darunter Alltagskleidung üblich. Für die Chirurgie brauchten wir zusätzlich grüne (oder blaue, oder irgendeine Farbe – hier trägt jede*r was er*sie will) Kasaks (Hemd und Hose). Außerdem werden Schuhe für den OP-Saal benötigt: Das müssen nicht unbedingt die uns bekannten Gummischuhe sein, sondern auch (Bade-)Latschen, wie sie die meisten Nepalis im Haus tragen und die man hier überall kaufen kann, sind okay. Es gab bei uns Schließfächer, für die man, wenn man sie nutzen will, ein kleines Schloss mitbringen soll; wir haben das in Kathmandu gekauft.
Unterkunft
Ich hatte mir zusammen mit den zwei Freundinnen, die das Tertial mit mir antraten, über AirBnB eine Unterkunft gesucht. Absichtlich mieden wir dabei den extrem touristischen Stadtteil Thamel und quartierten uns stattdessen in Lazimpat in eine Mietwohnung ein, die wir ganz für uns allein hatten. Dies bietet natürlich Vor- und Nachteile gegenüber den von der Krankenhausverwaltung vorgeschlagenen Hostels. Für uns war, da wir zu dritt waren, die Privatsphäre der Wohnung ein echter Vorteil, wohingegen ein Hostel bestimmt mehr Möglichkeiten bietet, Leute kennenzulernen. Wir hatten zudem eine eigene Küche, um gelegentlich selbst zu kochen, wenn einer von uns das scharfe Essen nicht bekam oder ähnliches.
Der Weg zum Krankenhaus dauerte zu Fuß 20 Minuten. Grundsätzlich zogen wir das zu Fuß gehen vor, da das Busfahren hier sowohl unbequem ist als auch die Verkehrslage relativ chaotisch.
Auf einige Dinge sollte man sich im Vorhinein einstellen: Das Stromnetz ist hier in den letzten Jahren viel viel besser geworden, aber es gibt gerade im Winter (Stand 2019/20) doch noch recht viele Stromausfälle. Zudem sind die Wohnungen schlecht oder gar nicht isoliert und kaum ein Haus ist mit einer Heizung ausgestattet. Obwohl es hier selten friert sind die Raumtemperaturen oft deutlich unter denen, die wir in Deutschland im Winter gewohnt sind, daher empfiehlt sich für einen Aufenthalt im Winter warme Kleidung.
PJ:
Station Plastische Chirurgie:
Ich kann die Plastische Chirurgie sehr empfehlen und habe von allen chirurgischen Stationen zu dieser auch das meiste positive Feedback gehört. In der Plastischen kann man auch durch Zuschauen enorm viel mitnehmen. Die OPs finden halt grundsätzlich außen am Körper des Patienten statt, und so kann man den Chirurg*innen wunderbar über die Schulter schauen (ganz wörtlich, man kann und sollte sehr nah an den Operationstich gehen, die Sterilität wird hier völlig anders gehandhabt). Außerdem kriegt man in der Plastischen einfach Fälle zu sehen, die man so in Deutschland nicht jeden Tag sieht – Schwerstverbrannte, Erfrierungen vom Mt Everest, heftige Verkehrsunfälle.
Die Stimmung im OP war grundsätzlich tausendmal angenehmer als die, die ich in deutschen OP-Sälen erlebt habe. Alle waren recht freundlich zueinander, die Hierarchien wirken flacher als bei uns, und bei Fehlern eines Assistenten oder einer OP-Pflegerin wird Ruhe bewahrt und nett gelächelt.
Wir waren relativ frei in der Entscheidung, wo wir unsere Arbeitstag verbringen wollen: nach der Visite ist es möglich, sowohl in den Operationssaal (OT) zu gehen als auch in der Ambulanz dabei zu sein oder Verbände zu wechseln. Zudem hatten wir als ausländische Studierende Sonderstatus und waren recht frei in der Entscheidung, wann wir nach Hause gingen. Mit Absprache war es sogar möglich, immer mal wieder freie Tage zum erkunden des Landes zu bekommen.
Stationswechsel:
Leider habe ich schlechte Erfahrungen im GI/ General Surgery Department gemacht. Ursprünglich war geplant, dass ich hier die Hälfte meiner PJ-Zeit verbringen solle.
Problematisch war für mich, dass ich die Woche über weitestgehend ignoriert wurde und auf Fragen nur mürrische kurze Antworten bekam. Das gab mir das Gefühl, nur des Geldes wegen, was die Station für Auslandsstudierende bezieht, geduldet zu sein. Ich habe daraufhin darum gebeten, wieder auf die Plastische zurückwechseln zu können, und obwohl der Tution Fee schon gezahlt war, konnte uns der nette Herr von der Administration den Wechsel als Ausnahme noch ermöglichen. Ich ermutige also jede*n es zu versuchen, wenn eure Station ätzend ist!
Krankenhaus:
Die Betreuung der ausländischen Pjler ist, gemessen an der Situation in deutschen Krankenhäusern, eher dürftig. So hat es zum Beispiel einen Tag und mehrere Milkteas gedauert, bis die Bürokratie abgehandelt war und da man nachmittags niemanden telefonisch erreichte, der sich für uns verantwortlich fühlte, wurden wir danach nach Hause geschickt und starteten erst einen Tag später. Auch danach, wenn man seine Stationsleute gefunden hat, muss man sehr stark selbst darauf achten wo man bleibt und oft nachfragen, wie der zeitliche Ablauf des jeweiligen Arbeitstages geplant ist, damit man nicht plötzlich alleine dasteht.
Wer gerne viel praktisch arbeiten will ist am T.U. Teaching Hospital in der Chirurgie mMn eher falsch aufgehoben. Auf der Plastischen durften wir am Ende regulär dabei helfen, Verbände zu wechseln (das ist spektakulärer als es klingt, da es sich ganz viel um Schwerstverbrannte handelte). Eine Freundin, die auf der Urosurgery war, durfte dort Katheter legen und Drainagen ziehen; darüber hinaus ist es aber ein Tertial was man viel mit Zuschauen verbringen wird. Wie immer wird es besser, wenn die Ärzte und Ärztinnen merken, dass man sich aktiv einbringt: Bei Minor-OT OPs ist es dann evtl auch mal möglich, zu assistieren.
Wie viel man inhaltlich von einem chirurgischen Tertial im T.U. Teaching Hospital mitnimmt, hängt - noch mehr als sonst sowieso schon - ganz massiv davon ab, wie sehr man sich darum bemüht, Dinge erklärt zu bekommen – auf Nachfrage waren fast immer alle Ärzte und Ärztinnen sehr aufgeschlossen und haben gerne und viel erklärt. Weitere Faktoren sind, wie auch in Deutschland, dass es einen riesigen Unterschied macht an was für ein Team man gerät. Hat man einen netten Resident (Assistenzarzt), der*die einem alles erklärt, ist unglaublich viel gewonnen.
Bringt man sich nicht ein, wird man relativ viel freundlich ignoriert werden. Das hat auch damit zu tun, dass die hiesigen Interns und auch die meisten australischen Austauschstudenten (davon gibt es irgendwie sehr viele) immer nur ein bis zwei Wochen auf Station bleiben und somit nicht bei jedem neuen Gesicht sofort nachgefragt wird.
Im Krankenhaus wechselt die Visite oft zu Nepali – oder man kann je nach Akzent der Sprechenden und Stadium des Einhörens nicht so recht erkennen, ob es noch Nepali oder schon Englisch ist. Viele Patient*innen sprechen überhaupt kein Englisch, da das T.U. Teaching Hospital als Governmental Hospital vor allem viel von Menschen aus abgelegeneren Gegenden mit geringerer Schulbildung frequentiert wird.
Ein zusätzliches Verständigungsproblem, das ich im Vorfeld nicht bedacht hatte, ist das Medical English. Mein Alltagsenglisch ist relativ gut, aber im medizinischen Alltag fehlten mir schon die einfachsten Vokabeln bzw ich konnte mit vielen Abkürzungen – OPD, CPR – nichts anfangen. Die hiesigen Kollegen gehen aber automatisch davon aus, dass man auf Englisch studiert hat, wie hier überall üblich, und das erklärt ihre perplexen Gesichter wenn man simpelste Sachen nachfragt. Wenn man sich super gut vorbereiten will, wäre es sicher schlau, ein paar Englischvokabeln zu pauken, darüber hinaus ist es sinnvoll das Handy (mit lokaler SIM, siehe unten) in der Kitteltasche zu haben zum nachschlagen.
Alltagsleben:
Ich war unheimlich froh über die Entscheidung, mit meinen meinen Mitbewohnerinnen ein gemeinsames Auslandstertial zu machen. Der WG-ähnliche Alltag in unserer kleinen AirBnB-Bude war ideal, um die Erlebnisse des Tages etwas sacken zu lassen und gelegentlich tat in Anbetracht der oft sehr sehr schweren Lebensumstände vieler Nepales*innen, denen wir begegnet sind, auch ein Gespräch darüber gut.
Im Alltag in Kathmandu kommt man gut mit Englisch zurecht. Ich selbst habe vor meinem Aufenthalt kein Nepali gelernt und hier nur einige wenige Worte, die natürlich auch schon für viel Begeisterung sorgten.
Nepal ist ein super spannendes Land, das für uns Westler unglaublich asiatisch wirkt, im Vergleich zu anderen fernöstlichen Ländern aber als sehr westlich gilt. Es bietet sehr viel, falls ihr Trekkingbegeistert seid und hat eine immense Tempel- und Klosterdichte, falls ihr Interesse daran habt, euch mit Hinduisms und Buddhismus zu beschäftigen. Die Leute sind oft sehr offen und freundlich und seit Nepal in den 60ern ein Hippieparadies war sind Westler ein sehr gewohnter Anblick für die hiesigen Locals. Ansonsten ist Nepal aber eben auch, das sollte man nicht vergessen, eins der ärmsten Länder der Welt; in Asien das zweitärmste nach Afghanistan. Ein Aufenthalt hier führt fast zwangsläufig dazu, dass man sich etwas mehr mit Themen wie sozialer Schere, Frauenrechten, Kastensystem etc beschäftigt; ich würde sagen, dass ich mich in den zwei Monaten hier durchaus noch etwas mehr politisiert habe und empfinde das als große Bereicherung.
Tipps für die Reise:
• Versucht, wenn ihr das nicht eh schon plant, verfrüht anzureisen oder länger zu bleiben – Nepal hat reisemäßig super viel zu bieten und es ist toll, auch mal aus Kathmandu rauszukommen.
• Holt euch eine lokale SIM, dafür ist wiederum ein Passfoto (viele einpacken!) vor einfarbig hellem Hintergrund nötig.
• In Wohnungen werden grundsätzlich die Schuhe ausgezogen und es ist netter, alles vorzugsweise mit der rechten Hand zu geben und anzunehmen, aber insgesamt hat man als Westler Sonderstatus und viele Faux-pas werden tendentiell nicht übel genommen.
• Mitnehmen:
◦ Ich hatte Tupperboxen dabei, das ist super fürs Streetfood, und nen Blechbecher für die obligatrischen Milk teas die man z.B. auch in der OP-Mittagspause kriegt. Auch wichtig ist eine Taschen/ oder besser Kopflampe wegen der erwähnten Stromausfälle. Außerdem nützlich: Halsbonbons (von uns drei Deutschen waren immer zwei bis drei erkältet)
◦ Steckdosenadapter sind nicht nötig, unsere Stecker passen in viele der dortigen Steckdosen.
◦ Kleidung sollte Schultern und Knie bedecken.
Persönliche Bewertung:
Ich freue mich sehr über die Entscheidung, mein PJ in Nepal zu machen. Trotzdem fand ich es auch eine gute Entscheidung, nur zwei Monate hier zu verbringen. Nach dieser Zeit fühlte hatte ich mich im Krankenhaus gut orientiert, mir einen festen Alltag aufgebaut und hatte, und das ist ein großes Glück, auch das Gefühl im Team auf der Plastischen Chirurgie nicht nur geduldet sondern sehr willkommen zu sein.
Ob man Kathmandu als versmogte laute Großstadt mit zu viel Müll und Verkehr wirklich lieben lernt, ist sicher Typsache – allerdings hat Nepal ja noch andere Städte, in denen ein PJ möglich wäre. Ich persönlich war sehr froh darüber, mit zwei sehr guten Freundinnen in diesen Teil meines Pjs zu starten. Das hat der Aufregung gerade des Arbeitsanfangs in einer so fremden Umgebung und sämtlichen tendentiell unangenehmen Situationen extrem viel von ihrer Bedrohlichkeit genommen. Zusätzlich war es für die freie Zeit für mich sehr angenehm, einen WG-Alltag zu haben. Das macht dich weniger abhängig von der Gunst und Sympathie der Arbeitskolleg*innen. Mit Sicherheit ist es so, dass man als Alleinreisende*r auch automatisch mehr Anschluss bei den Kollegen vor Ort sucht und findet. Da wir aber immer wieder sehr nette Kontakte mit anderen nepalesischen Interns und Residents hatten, die wir zu Teil auch in unserer freien Zeit getroffen haben, fehlte es mir da an nichts. Großartig fand ich die Gelegenheit, verschiedensten Locals viele Fragen zu ihrer Kultur stellen zu können - nur so erschloss sich mir die komplizierte, oft hinduistisch geprägte Alltagswelt ein bisschen.
Wie bei vermutlich jedem Auslandstertial ist die Eigeninitiative im Krankenhaus absolut essentiell, sowohl bei der täglichen Aufgabenverteilung als auch, wenn mal was schief läuft und sich die Frage stellt, ob daran etwas geändert werden kann. Für mich war der schwierigste Punkt die frustrierende Erfahrung im GI-Unit. Die Erfahrung zu machen, dass man nicht auf sich allein gestellt ist und wenn man den Mut aufbringt nachzufragen, sich die meisten Sachen lösen lassen, hat mir sehr gut getan.
Bewerbung
Die Bewerbung lief recht unkompliziert, ich habe mich ca. 10 Monate im Voraus per Mail beworben. Die Kommunikation mit den Verantwortlichen in Kathmandu war aber recht lose, sodass ich wenige Wochen vor Arbeitsbeginn nochmal eine Mail mit durchnummerierten Fragen (wann, wo, mit welcher Kleidung geht es los) an die Verantwortlichen schrieb.