Station, Notaufnahme, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP
Heimatuni
Kiel
Kommentar
Ich habe das komplette chirurgische Tertial am dortigen UniversitĂ€tshospital gemacht. Das Gute ist, dass in Brasilien ebenfalls das Konzept des praktischen Jahres existiert (hier allerdings zwei Jahre), sodass man einfach in die Rotation der dortigen PJler (sogenannte âInternosâ) eingeteilt werden konnte. Dadurch sah man ein breites Spektrum der operativen Medizin und konnte auch mal andere Bereiche sehen, die man in Deutschland nicht kennengelernt hĂ€tte, z.B. die AnĂ€sthesie oder Urologie. Man ist stets in einer Gruppe mit anderen Medizinstudierenden auf Station eingeteilt, was sehr hilft beim BewĂ€ltigen der kulturellen und organisatorischen Unterschiede sowie beim KnĂŒpfen neuer Kontakte. Zwar sind die rĂ€umlichen Bedingungen auf Station eher prekĂ€r, aber der medizinische Standard ist vergleichsweise hoch. Man sieht also auch Operationen, die in Deutschland genauso gemacht werden und lernt viele Dinge, die auch nach der RĂŒckkehr relevant sind. Allerdings ist der Alltag etwas anders strukturiert, es gibt keine festen Visiten oder Routinen, sondern vieles ergibt sich spontan. Auch ist es keine Pflicht, in den OP zu gehen, daher liegt es auch viel an einem selbst, was man letztlich sieht und wie viel man lernt. Ein Unterschied ist auch, dass man viel Zeit in den Ambulanzen verbringt und dort Patienten empfĂ€ngt. Das kann man sogar selbstĂ€ndig tun und den Fall anschlieĂend mit dem Oberarzt durchsprechen und ein Konzept ĂŒberlegen. ZusĂ€tzlich zu den klinisch-praktischen TĂ€tigkeiten gab es durchgĂ€ngig auch theoretischen Unterricht. So haben die AssistenzĂ€rztInnen und OberĂ€rztInnen nicht nur gerne theoretisches Teaching gegeben (z.B. im Rahmen der Visiten), auch gab es oft VortrĂ€ge oder Falldiskussionen. Teils mussten die Studierenden selbst VortrĂ€ge vorbereiten. Dadurch hatte man theoretischen Input, den ich nicht missen wollte. Man fĂŒhlte sich so nicht nur als bloĂes Arbeitstier. Dennoch wird ein groĂer Teil der Stations- sowie Ambulanzarbeit von den PJlern dort bewĂ€ltigt, sodass man viel Zeit im Krankenhaus verbringt und die Tage lang und anstrengend sind. Kurz morgens erscheinen und danach an den Strand legen ist hier nicht möglichâŠ
Insgesamt ist schwierig zu sagen, wo ich mehr gelernt hĂ€tte. Zwar glaube ich, dass ich medizinischerseits in Deutschland mehr gelernt hĂ€tte, da das System anders funktioniert und man eben in der Regel in Deutschland praktizieren wird. Aber genau darin lag der Reiz, nĂ€mlich ein anderes Gesundheitssystem mit anderen Problemen und anderen Krankheiten kennenzulernen. Daher habe ich andere Dinge gelernt, professionell wie persönlich. Wichtig ist im Krankenhausalltag, sich seines Portugiesisch sicher zu sein. Die Erfahrung ist ohne Kenntnisse bzw. ohne die Bereitschaft, diese auszubauen, nicht empfehlenswert. Man muss den ProfessorInnen und ĂrztInnen stets FĂ€lle vorstellen, ist Teil des Teams und somit aktiv eingebunden. Daher muss man sich einfach trauen, BrasilianerInnen sind Ă€uĂerst verstĂ€ndnisvoll und hilfsbereit. So konnte ich mein Portugiesisch deutlich verbessern und mich zum Schluss deutlich besser verstĂ€ndigen. Auch dies ist ein Nutzen fĂŒr die Zukunft.
Zur Anerkennung ist zu sagen, dass man beim LandesprĂŒfungsamt vor Antritt des Auslandstertials die sogenannte Ăquivalenzbescheinigung beantragen muss. Dies kostet 20⏠und ist in jedem Fall rechtzeitig vor Abreise einzuholen. Im Falle des Hospitals der Universidade Federal do CearĂĄ war dies recht einfach, da es bereits auf der Liste anerkennungsberechtigter HĂ€user stand, weil bereits jemand vorher ein Tertial dort gemacht hat. Trotzdem muss man diese formal beantragen. DafĂŒr brauchte ich ein Schreiben der dortigen UniversitĂ€t, auf dem bescheinigt wurde, dass ich mindestens einmal das Fachgebiet wechsele vor Ort, was Anforderung der Studienordnung ist. Dies war fast das Schwierigste, im Vorfeld zu organisieren, da sich niemand zustĂ€ndig fĂŒhlte. Hier muss man unbedingt hartnĂ€ckig bleiben. Hat man dies, braucht man eine BefĂŒrwortung des Dekanats und kann damit zum LPA gehen und sich die Bescheinigung holen. Damit ist letztlich die Anerkennung garantiert. Vor Ort war es dann zum Schluss noch unerwartet schwierig, einen Stempel des Krankenhauses zu erlangen. Man muss sich wie oft in Brasilien einfach durchfragen und hartnĂ€ckig bleiben. Bei der Anmeldung zum dritten Staatsexamen ist es ratsam, die Bescheinigung schon einmal vorzuzeigen und sich die Richtigkeit vom LPA absegnen zu lassen, bevor es zu spĂ€t ist.
Bewerbung
Der Bewerbungsprozess an der dortigen UniversitĂ€t war chaotisch und erforderte viel E-Mail-Verkehr. Ich bewarb mich dort bereits im FrĂŒhjahr des Vorjahres, also mehr als eineinhalb Jahre vorher. Die Zusage bekam ich schnell, dann herrschte lange Funkstille. Als ich mich schlieĂlich wieder dort meldete, war meine Zusage vor Ort wohl schon vergessen, also musste ich mich erneut bewerben. Es war eine Menge an FormalitĂ€ten und Dokumenten, die man jeweils vom LandesprĂŒfungsamt, dem Dekanat sowie auch dem International Center benötigte. DafĂŒr schaut man am besten auf der Seite der FakultĂ€t nach, dort steht aufgelistet, was man benötigt. Man braucht einen langen Atem, aber nach mehr als einem Jahr hatte ich alles zusammen. Man bekommt dann vom International Center der Gastuni per Post ein offizielles Dokument zur Beantragung des Visums zugeschickt. Dieses war mehrfach falsch datiert bzw. hatte Fehler, sodass es lange brauchte, bis ich ca. ein halbes Jahr vorher den richtigen Bescheid im Briefkasten hatte. Gerade wegen der besonderen Anforderungen beim PJ unbedingt darauf achten, dass die Tertialzeiten genau eingehalten werden! Man benötigt fĂŒr ein PJ-Tertial dort das sogenannte VITEM IV Visum, das beim brasilianischen Konsulat in Berlin zu beantragen ist. Auch hier informiert man sich am besten auf der Internetseite des Konsulats. Die Beantragung geht per Post. Wichtig ist auch, vor Abreise separat beim gleichen Konsulat eine brasilianische Steuernummer (CPF) zu beantragen, das erleichtert vor Ort vieles. Auch dies geht per Internet sowie Post.
Es empfiehlt sich auch, frĂŒhzeitig einen Tropenmediziner aufzusuchen, gerade weil immer mal wieder das Gelbfieber umgeht, vor allem im SĂŒden des Landes. Das ist meines Erachtens die einzige Pflicht-Reiseimpfung, die dann auch ein Leben lang hĂ€lt. Unbedingt frĂŒhzeitig an einen neuen Reisepass denken: Er muss bei Einreise noch mindestens 6 Monate gĂŒltig sein. Ansonsten kann noch ein Portugiesischkurs oder noch besser ein Sprachtandem Gold wert sein, genauso wie der Lonely Planet als ReisefĂŒhrer, der meiner Meinung nach Beste, den es fĂŒr Brasilien gibt.
Was sehr gut war an der dortigen Uni ist, dass man ein paar Monate vor Ankunft von dortigen Studierenden (sogenannte âPadrinhosâ, also Paten) kontaktiert wird. Diese helfen einem bei Fragen, bei der Wohnungssuche, holen einen bei Ankunft sogar vom Flughafen ab und helfen einem bei der Ankunft. Meine Unterkunft habe ich glĂŒcklicherweise schnell finden können. Dabei haben mir die Study-Buddies der Gastuni sehr geholfen. Mein Vermieter ist selbst im International Center der Uni aktiv und vermietet einige Zimmer in seinem Haus an internationale Studierende. Ich habe letztlich mit drei anderen wundervollen deutschen Studierenden anderer Fachrichtungen zusammengelebt und in diesem Umfeld viele Freunde gefunden und viel mit ihnen unternommen. Das International Center hat auch selbst einmal einen Ausflug fĂŒr alle Incomings organisiert. Die Miete war recht okay, habe ca. 160⏠an Miete monatlich bezahlt. Die Wohnung hatte eine gemeinsame KĂŒche und ein eigenes Zimmer mit Bad. Sie lag zufĂ€llig in zehnminĂŒtiger fuĂlĂ€ufiger Entfernung zur Klinik, was fĂŒr mich sehr praktisch war. Zur Wohnungssuche sollte man seine Paten fragen. Wenn sich bis wenige Monate vorher niemand bei einem meldet (Mails checken!), sollte man sich beim dortigen International Center (âProinterâ) einmal danach erkundigen. Sie antworten in der Regel schnell. Wenn man ankommt, muss man sich dort direkt einmal vorstellen und sich registrieren. Hierbei begleiten einen auch die Paten vor Ort. SchlieĂlich muss man sich unbedingt (!) bei der dortigen Bundespolizei registrieren, das Prozedere wird einem aber auch vor Ort erklĂ€rt und auch hier helfen die Paten. Diese sind, nochmals erwĂ€hnt, gerade am Anfang wirklich Gold wert und strukturieren das anfĂ€ngliche Chaos. Brasilien kann sehr bĂŒrokratisch sein, da ist jede Hilfe willkommen. Insgesamt muss man diese paar Termine wahrnehmen, man wird aber gut und professionell dabei unterstĂŒtzt.