Da ich an der LMU München studiert habe, aber aus Graz-Umgebung komme, wollte ich gern ein PJ-Tertial in Graz absolvieren. Ich hatte viel Gutes vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gehört und beschloss mich dort zu bewerben.
Zunächst zum organisatorischen Teil, der mich häufig vor Probleme stellte.
Die erste Hürde war es, einen Praktikumsplatz zu bekommen. Da das Prüfungsamt der LMU nur die eigenen Tertialzeiten akzeptiert, diese sich jedoch um eine Woche von denen der Med Uni Graz unterschieden, schien dies zunächst unmöglich. Nach mehreren hartnäckigen Anfragen (und bereits einer Absage) wurde mir jedoch ein Platz zugesagt . Ich wurde darüber informiert, dass ein Praktikum in den von der LMU verlangten Tertialzeiten nur ohne Vergütung und über Erasmus möglich sei. Ich wurde schnell an die Zuständige der Med Uni Graz verwiesen, die mir zeitnah alle Unterlagen zukommen ließ. Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Kontaktaufnahme mit der Verantwortlichen der LMU. Nach erfolglosem Versuch per Mail (eine Antwort hierauf erhielt ich erst nach drei Monaten und mit falscher Anrede) beschloss ich anzurufen. Nach einigen Anrufen erhielt ich die Auskunft, mich an Student- und Arbeitsmarktservice zu wenden, wo ich rasch die benötigten Unterlagen bekam.
Die nächste Hürde stellte das „Learning Agreement“ dar. Nachdem ich es ordnungsgemäß ausgefüllt hatte, waren weder „Receiving-“ (Med Uni Graz) noch „Sending Institution“ (LMU München), dazu bereit, dieses zuerst zu unterzeichnen. Nach mehreren verwirrenden Telefonaten setzten die beiden Institutionen sich endlich miteinander in Kontakt und schließlich wurde mir das von beiden Seiten unterschriebene Formular zugeschickt.
Um einen Überblick über den Zeitraum zu bekommen, in dem sich das ganze abspielte: die erste Bewerbung an das Krankenhaus schickte ich im Dezember 2018 ab, die Zusage für einen Platz erhielt ich Ende April 2019, das Learning Agreement mit beiden Unterschriften im November 2019. Das Praktikum begann im März 2020. Dazwischen war ich damit beschäftigt, die erforderlichen Unterlagen zu vervollständigen. Ich empfehle also, sich frühzeitig um alles zu kümmern, auch wenn man „nur“ im Heimatland „Auslandspraktikum“ machen möchte.
Sobald die organisatorischen Hürden überwunden waren und ich das Praktikum beginnen konnte, gefiel es mir sehr gut. Am ersten Tag erhielt ich am Standort Eggenberg der Barmherzigen Brüder in Graz eine Hygieneinführung, wodurch ich erst im Laufe des Vormittags am Praktikumsstandort (Barmherzige Brüder Standort Marschallgasse) ankam. Dort wurde ich herzlich empfangen, mir wurde von Wäsche- über Essensausgabe alles genau gezeigt. Bei Ankunft auf der Station durfte ich gleich mit zur Visite gehen, wobei mir auch viel erklärt wurde.
Am nächsten Tag startete ich in den normalen Stationsalltag. Als erstes waren die Blutabnahmen zu erledigen, Leitungen zu legen und Medikamente zu verabreichen. Danach fand die Visite statt, die je nach Patientenbelegung und Erkrankungen unterschiedlich lang dauerte. Dabei konnte man viel über die Erkrankungen, Diagnostik und Therapie lernen, bzw. teilweise auch selbstständig die Visite dokumentieren und Untersuchungen anmelden. Danach erfolgten die Aufklärungsgespräche für die während der Visite festgelegten Maßnahmen (MRT, CT, Gastro- und Koloskopie) oder die Erledigung weiterer noch offener Aufgaben. Hierzu gehörte unter anderem auch das Erheben des Aufnahmestatus von neuen Patienten.
Bisher unbekannte Aufgaben wurden mir theoretisch erklärt und gezeigt, danach durfte ich sie unter Aufsicht selbst durchführen. So lernte ich zum Beispiel arterielles Blut abzunehmen und Ports anzustechen.
Auf der Station war der Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen gut, bei Fragen war immer ein Arzt ansprechbar. Die Studenten waren auf die verschiedenen Stationen verteilt, es war aber oft möglich, zusammen Mittagessen zu gehen.
In der Hochphase der Corona-Krise fanden zudem morgens und mittags Besprechungen zu den von der Klinikdirektion neu beschlossenen Maßnahmen statt. Als die kritische Zeit vorbei war und der Regelbetrieb langsam wieder hochgefahren wurde, war es zudem jederzeit möglich, bei Koloskopien, in den verschiedenen Ambulanzen (chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Kardiomyopathie) oder in der Notaufnahme zuzuschauen und mitzuhelfen. Dabei wurde mir viel erklärt, ich durfte teilweise auch selbst Patienten schallen.
Phasenweise war auf der Station weniger zu tun (vor allem auch durch die Corona-Krise bedingte geringe Anzahl an Patienten), wodurch wir Studenten Zeit hatten, aneinander das Sonografieren zu üben.
Aufgrund der Corona-Krise wurde der Regelbetrieb im Krankenhaus heruntergefahren und nur die notwendigsten Untersuchungen durchgeführt. Ambulanzen und Tagesklinik waren geschlossen. Dadurch waren nur wenige Patienten auf der Station zu betreuen. Dieser Zustand hielt für einige Wochen an, wodurch Lerneffekt und Auslastung eher gering waren. Davor und danach war ich mit meinen Aufgaben aber gut ausgelastet.
Die größte Herausforderung während (und auch schon davor) des Praktikums stellte die Organisation dar. Aufgrund der Corona-Krise wurden mir universitäre Bestätigungen seitens der Med Uni Graz verweigert. Da die eigenen Studenten das PJ jedoch weiterführen durften und das Krankenhaus mir erlaubte zu bleiben, beschloss ich dies zu tun. Hinzu kam, dass zeitnah auch die Grenze zu Deutschland geschlossen wurde und ich in solch einer kritischen Zeit gerne bei meiner Familie sein wollte. Ich wandte mich an die Vizederektorin der Med Uni Graz, die mir zusagte, dass ich mich weiterhin einbringen dürfte. Im Verlauf des Praktikums kam es zu weiteren Ungereimtheiten von Seiten der Med Uni Graz, auf die ich nicht genauer eingehen möchte. Oft befürchtete ich, aufgrund von rechtlichen Problemen das Praktikum nicht weiterführen zu können bzw. die Anrechnung durch das Prüfungsamt nicht zu bekommen. Die vielen Telefonate mit verschiedenen Stellen (Prüfungsamt der LMU, Erasmus-Koordinatoren der Med Uni Graz) waren nicht nur mit einem zeitlichen Aufwand verbunden, es lastete die gesamte Zeit auch ein psychischer Druck auf mir. Im schlimmsten Fall drohte die Wiederholung des Tertials bzw. der Verlust des Praktikumsplatzes, für den ich über ein Jahr gekämpft hatte und der wesentlich für meine zukünftige Berufswahl war.
Man bekommt insgesamt weder von Seiten der Med Uni Graz, noch von der LMU das Gefühl, dass ein Austausch gewollt ist.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich aufgrund der organisatorischen Hürden und der Steine, die man in den Weg gelegt bekommt (sowohl von der LMU als auch der Med Uni Graz), ein Praktikum in Graz nicht empfehle. Das ist vor allem sehr schade, weil ich im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gute Erfahrungen sammeln konnte und die Arbeitsatmosphäre dort als sehr angenehm empfand.
Das Krankenhaus an sich nimmt auch gerne ausländische Studierende auf, erfreut sich aber einer besonderen Beliebtheit, weshalb es nicht einfach ist, einen Platz zu bekommen.