Ersteinmal möchte ich sagen, dass ich nicht unbedingt Chirurgie machen will, aber trotzdem interessiert war und ich deshalb mit recht niedrigen Erwartungen und offen an die Sache rangegangen bin. Die Bewertung hier ist etwas schwierig, weil es je nach Einteilung echt toll oder richtig scheisse war. Ich versuche es mal etwas aufzuschlüsseln.
Gesamte Organisation:
Wie in der Schweiz gewohnt wirklich gut. Man hat am ersten Tag eine Einführung, bekommt das Gebäude gezeigt. Es wird sich darum gekümmert, dass man Badge, Telefon und Wäsche bekommt und Zugang zum PC-System hat. Es gibt nie Probleme mit irgendetwas und wenn, ist es immer mit einem Anruf oder einer Mail in kürzester Zeit behoben. Über- und Wochenendstunden werden vergütet, wenn auch nicht besonders gut (6CHF pro Stunde etwa), sodass man minus Miete meist bei 800-1000 CHF pro Monat raukommt, je nach dem, wie viel Pikett man machen musste.
Unterkunft:
Die Unterkünfte sind in der Umgebung verteilt. Wenn ihr hingeht, versucht in die Unterkunft am Birkenweg zu kommen, dort ist es am schönsten. Ich war in der Lenzburgerstr. Die ist 30min zu Fuss vom Spital entfernt. Ziemlich schlichte 3er WGs ohne Aufenthaltsraum. Jeder WG wurde ein Fahrrad gestellt, was bei mir ok war, weil ich die kompletten 4 Monate allein in meiner WG gewohnt habe. Wenn man mit mehreren dort ist, ist es ziemlich lästig. Auch wenn man zum Pikett nachts gerufen wird noch 10min Fahrradfahren zu müssen ist auch nicht der Knaller. Kostenpunkt sind für die günstigsten Zimmer 500 CHF, die direkt vom Lohn abgezogen werden.
Jetzt zu den einzelnen Stationen:
Thoraxchirurgie:
Hier war ich leider nur eine Woche. Da Pjler hier nicht immer eingeteilt sind, hat man keine fixe Aufgabe sondern läuft eher erstmal mit. Trotzdem war es eine sehr tolle Woche, weil man wirklich aktiv mit eingebunden wird. An den OP-Tagen wird geschaut, dass man mit an den Tisch kann zum Zuschauen oder dass es zumindest eine Kamera gibt, die auf das OP-Gebiet gerichtet ist. Wenn mal nicht viel los ist, setzt sich der Leitende Arzt auch mit einem mal für über eine Stunde hin und bespricht Fälle und macht Teaching. Von der Atmosphäre auch sehr nett.
Viszeralchirurgie:
Morgens um 7:00 Visite, dann Morgenbesprechung. Man wird hier weitesgehend ignoriert und wenn man zum Hakenhalten im OP ist, interessiert es hier auch absolut niemanden, wo man sich sonst aufhält. Wenn man nicht zum Hakenhalten eingeteilt ist, gibt es absolut keine Aufgabe aussser gelegentlich einen Patienten aufzunehmen und den Nachmittagsrapport vorzubereiten. An meinem ersten Tag, wurde ich von dem zuständigen Assistenzarzt (der auch Betreuer für die Unterassistenten war) etwas angemotzt, warum ich denn nicht wüsste, dass ich den Nachmittagsrapport vorzubereiten hätte und dass wir UAs uns das ja schon gegenseitig erklären sollten, was ich auch etwas fragwürdig finde. So funktioniert eine gute Einarbeitung nicht. Als ich dann meinte, dass mir das niemand erklärt hätte, war er etwas genervt, wollte sich dann aber auch nicht mit mir hinsetzen, um es durchzugehen. Auch bei den neuen PJlern habe ich dann immer versucht, das zu erklären (obwohl ich finde, dass das eigentlich eher Aufgabe der Assistenzärzte ist). Teaching gibt es hier leider kaum. Auch wenn man den ganzen Tag nur rumsitzt, hatte ich es in 4 Wochen dort nur 2mal, dass sich jemand mal die Zeit genommen hat, um etwas Teaching zu machen. Von den Oberärzten wird man weitesgehend nicht beachtet, das zieht sich auch im OP so durch. Es erklärt selbständig in den wenigsten Fällen jemand etwas. Auf Nachfrage gibt es schon Antwort, auch nicht unfreundlich. Danach wird dann aber wieder geschwiegen. Die Stimmung im OP ist aber meist neutral bis gut, den typischen raueren "Chirurgie-Ton" gibt es hier eher selten. Nähen nach der OP ist in etwa 30% der Fälle möglich (je nach Operateur).
Trauma:
Die schlimmsten 2 Wochen meiner Zeit dort. Ich war der einzige PJler dort zu dem Zeitpunkt und stand quasi dauerhaft im OP und das von morgens 8 bis teilweise um 19-20 Uhr (manchmal auch ohne Mittagspause). Die Stimmung unter den Ärzt:innen ist eine Katastrophe. Es wird immer über nicht anwesende Oberärzte gelästert, angeschissen werden gehört zum guten Ton. Im OP wird man als PJler entweder ignoriert oder angeschrien. Teaching gibt es keins, wenn man etwas nachfragt, wird man teilweise ignoriert, angemotzt weil die Frage als dumm befunden wurde oder mit einer einsilbigen Antwort abgespeist. Man hat regelmässig das Gefühl, zum Abreagieren der Oberärzte da zu sein und wird in regelmässigen Abständen für Dinge angeschnauzt, die einem entweder niemand erklärt hat oder die man nich beeinflussen kann (z.B. nicht abzusaugen, wenn es blutet, obwohl man das OP-Gebiet nicht einsehen kann -> als ich das angemerkt habe, wurde ich angemotzt, ich sei doch so gross und dass es gar nicht sein könnte). Als der Leitende Oberarzt einmal die Knochensäge der Instumentierenden über den Patienten zurück auf den Tisch geworfen hat, weil sie sie ihm nicht schnell genug abgenommen hat, wusste ich auch nichts mehr zu sagen. Das einzige Lob was man hier bekommen wird, ist es, nicht angeschissen zu werden. Nähen darf man hier fast nie. In 2 Wochen und bei mindestens 30-40 OPs wo ich dabei war durfte ich insgesamt mal 2 Nähte setzen. Das war bei der einzig netten Oberärztin dort.
Kinderchirurgie:
Eine der schönsten Wochen, die ich hier verbracht habe. Alle sind wahnsinnig freundlich, erklären viel. Du wirst immer überallhin mitgenommen und es wird auch geschaut, dass du nie irgendwo allein stehen gelassen wirst. Wenn es Operationen gab, konnte man meist steril mit an den Tisch, teilweise dann auch Haken halten o.Ä. Wenn keine OPs waren, konnte man immer mit jedem der Oberärzt:innen mit in die Sprechstunde gehen und dort alles fragen. Man bekam auch immer sehr ausführliche Erklärungen zu allem.
Notfall:
Insgesamt die beste Zeit, die ich dort hatte. Es ist allerdings ziemlich abhängig vom Assistenzarzt. Bei vielen darf man eigenständig Patienten übernehmen und untersuchen. Bei den neueren Assistenzärzten läuft man oft eher ein bisschen mit, kann aber dann mit etwas Eigeninitiative doch auch was machen. Dort habe ich echt viel lernen können und hatte wahnsinnig viel Spass. Sogar die Oberärzte von der Trauma sind auf dem Notfall deutlich angenehmer als auf Station oder im OP.
Dienstplan:
Wird in der Regel vom PJler gemacht, der noch am längsten da ist. In meiner Zeit hatte ich das Los gewonnen, das zu machen. Generell müssen immer zwei PJler auf dem Notfall eingeteilt werden (einer früh, einer spät), einer auf der Viszeral und einer auf der Trauma. Sollten es noch mehr Pjler (Unterassistenten) sein, können die in die Gefäss-, Thorax- oder Kinderchirurgie verteilt werden oder als Zweitbesetzung auf die Viszeral oder Trauma. Jeder kann Wünsche äussern und ich habe versucht, die auch immer zu berücksichtigen. Ein Assistenzarzt schaut drüber und wenn ihm irgendwas nicht passt, muss das geändert werden. Dadurch fiel mir dann immer die unliebsame Aufgabe zu, anderen PJlern sagen zu müssen, dass sie ihre Freiwünsche (pro Monat 2 Freitage) nicht haben können.
Pikett:
Es muss jeden Tag einer der UAs Pikett machen. Das heisst man nimmt sein Diensttelefon nach Dienstschluss nach Hause und lässt es angeschaltet und hat Rufbereitschaft bis zum nächsten Morgen zu Dienstbeginn. Bei Anruf muss man in 30 min im OP stehen. Am Wochenende ist man von 8 Uhr Morgens bis am nächsten Morgen um 8 auf Rufbereitschaft, zusätzlich hat man von 11-19 Uhr Dienst auf dem Notfall. Dafür gibt es dann einen Kompensationstag, den man auch nach Wunsch frei einteilen kann - sofern möglich. Dadurch dass wir am Anfang nur 4 UAs waren hatte jeder etwa 7-8 Pikettdienste. Das ist schon ziemlich viel, vor allem, da man schon regelmässig rausgerufen wird. In manchen Wochen wurde der Pikettdienst jede Nacht gerufen. Man konnte nach Absprache am nächsten Tag später kommen, wenn man mal wieder 4-5 Stunden mitten in der Nacht Haken gehalten hatte, das ging aber nur, wenn jemand am nächsten Tag die OPs auffangen konnte, in denen man eingetragen war.
Fazit:
Insgesamt ein durchwachsenes, aber gutes Tertial. Ich habe viel gelernt, vor allem auf dem Notfall, aber auch etwas Frustrationstoleranz. Ich habe es nicht bereut, hier gewesen zu sein, weil es bis auf die Viszeral und vor allem die Trauma hier schon sehr cool ist. Man kann ein sehr breites Spektrum an chirurgischen Sachen sehen und teilweise sehr selbständig arbeiten. Allerdings weiss ich nicht, ob ich es so weiterempfehlen würde, denn die Traumarotation kann man sich hier echt sparen.