Das PJ Tertial in den Abteilungen Allgemeinchirurgie (11 Wochen) und Unfallchirurgie (5 Wochen) am Amalie-Sieveking-Krankenhaus hat mir nach einigen Startschwierigkeiten viel Spaß, Selbstbewusstsein und einiges an Wissenszuwachs gebracht. Ich bin jeden Tag gerne hin gegangen und war traurig als meine Zeit dort zu Ende ging.
Organisatorisches
Am ersten Tag wurde ich durch die Urlaubsvertretung der Chefarzt-Sekretärin der Allgemeinchirurgie in Empfang genommen. Ich bekam Essensmarken, ein Telefon und eine Umkleide mit einem Spind zugeteilt - leider jedoch keine Arbeitskleidung. Die Vertretung stellte sogar in Frage, dass man als PJler überhaupt Arbeitskleidung bekommt. Eine Führung durch das Haus oder Informationen ob, wann und wo PJ-Unterricht stattfindet, habe ich nicht erhalten. Die vertretende Sekretärin und die Assistenten konnten mir dazu auch keine Auskunft erteilen.
Im Anschluss sollte ich im Arztzimmer das Ende der Chefarztvisiste abwarten und mich dann selbst vorstellen. Letztlich saß ich eine Stunde wartend in Privatkleidung im Arztzimmer. Die Assistenten haben mir auf Station einen Kleidungswagen gezeigt, da dort nur Kleidung in viel zu großen Größen vorhanden war, musste ich die ersten 3 Tage mit Privatkleidung und einem selbst mitgebrachten Kittel bestreiten. Zwei Wochen später sollte ich erfahren, dass Kittel im Amalie aus hygienischen Gründen verboten sind. Am Mittwoch der ersten Woche habe ich in meinem Diensttelefon glücklicherweise einen Telefonbucheintrag "PJ Innere" gefunden. Nach einem verzweifelten Anruf hat mir „PJ Innere“ das Wäschelager in der CPU und ZNA gezeigt und mir ihren PJ-Seminar-Plan zum Abfotografieren gegeben. Apropos Hygiene: Fragt dringend danach, wann die Hygiene Unterweisung für PJler stattfindet. Mir hat niemand mitgeteilt, dass es so eine Unterweisung gibt und dass ich sie besuchen muss. Das hat dazu geführt, dass ich zwei Wochen lang von einem Hygieniker inklusive seines Klemmbretts bei den Blutentnahmen verfolgt wurde. Der Hinweis, dass es mit der Hygiene nicht weit her sein kann, wenn man die erste Woche keine Arbeitskleidung gestellt bekommt, stößt nicht auf Gegenliebe. Lieber Contenance bewahren und jeden Patienten und euch selbst in Desinfektionsmittel baden.
Schließlich musste ich in der Mensa feststellen, dass der Wert der ausgehändigten Essensmarken nicht ausreichte um ein Mittagessen ohne Zuzahlung zu bekommen. Erst nach gezielter Einschüchterung des Mensa-Personals – kleiner Scherz: Ich habe die Mensa direkt telefonisch mit dem Chefarzt-Sekretariat der Allgemeinchirurgie verbunden - war kostenloses Essen dort möglich. Mein Vorgänger schreibt in seinem PJ-Bericht, dass er die Zuzahlung einfach akzeptiert hat. Das müsst ihr nicht. Es ist vorgesehen, dass ihr als PJler kostenfrei Mittagessen könnt - auch wenn man dafür ggf. „Überzeugungsarbeit“ leisten muss. Am Ende des Tertials habe ich erfahren, dass es eine PJ-Koordinatorin im Haus gibt. Diese hat mich weder willkommen geheißen noch mich von ihrer Existenz und Zuständigkeit wissen lassen. Glücklicherweise hat sie sich 1 Woche vor Ende des Tertials dann doch noch bei mir gemeldet, um mich darauf hinzuweisen, dass der 24.12. nicht dienstfrei ist, sondern ein Fehltag genommen werden muss. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
Im Ergebnis war die Organisation des Tertials eine mittelschwere Katastrophe.
Fairerweise ist an dieser Stelle hinzuzufügen, dass mein Einstieg in das Tertial sicher besser verlaufen wäre, wenn die Chefarzt-Sekretärin nicht im Urlaub gewesen wäre. Frau Müller ist ein Traum: Engagiert, organisiert und wahnsinnig nett!
Allgemeinchirurgie
Der Tag in der Allgemeinchirurgie beginnt um 7 Uhr mit der Visite und den Blutentnahmen. Bei manchen Assistenten ist große Hartnäckigkeit und Resilienz erforderlich, um die Visite mitgehen zu dürfen. Dabei handelt es sich eher um Gedankenlosigkeit als um Widerwillen – sprich, man wird vergessen. Es lohnt sich also täglich anzusprechen, dass man gerne mitgehen würde. Es ist außerdem möglich ein Patientenzimmer zu betreuen. Auch hier muss man hartnäckig und nervig bleiben: Bei mir hat es drei Wochen gedauert, bis es endlich so weit war. Ähnlich verhält es sich auch mit allen anderen Aufgaben. Alle sind gewillt etwas zu zeigen, zu erklären und Aufgaben zu delegieren, müssen aber gerade anfangs häufig daran erinnert und dazu motiviert werden. Es lohnt sich nicht zu resignieren und Vorschläge zu machen, welche Aufgaben man noch übernehmen könnte. Aber keine Angst: Das Assistenten-Team ist außergewöhnlich nett – so nett, dass ich Jeden aus dem Team direkt in mein anspruchsvolles Studentenherz geschlossen habe. Man wird schnell ins Team integriert, es herrscht gute Stimmung und ich wurde selbst nach den peinlichsten Fauxpas nie so behandelt als könne ich nicht bis 3 zählen. Im OP ist man auch gerne gesehen. Man darf sich immer einwaschen und wird zum Haken halten, in seltenen Fällen zur Kameraführung bei laparoskopischen OPs eingesetzt. Ich habe vor allem darmchirurgische Operationen, Cholezystektomien, Hernien- und Fisteloperationen gesehen. Vom Chefarzt wird man währenddessen gerne abgefragt. Rückblickend habe ich dadurch viel gelernt und Wissen nochmal aktiviert. Geschwitzt habe ich trotzdem jedes Mal. Basic Survival Skill, wenn ihr bei den chefärztlichen Fangfragen nicht in der ersten Runde rausfliegen wollt: Über Indikation und alternative Therapiemöglichkeiten Bescheid wissen. Schade fand ich, dass ich im OP nie zunähen durfte. Schließlich ist das PJ ein praktisches Jahr: Ich hätte mir daher sehr gewünscht auch ein paar praktische chirurgische Grundfertigkeiten zu erlernen. Besonders da ich in Blockpraktika und Famulaturen nie die Gelegenheit dazu hatte. Darüber war ich sehr enttäuscht.
Mittwochs wird man außerdem häufig in den Schilddrüsen-OP dazu geholt. Auch hier wird man als Hakenhalter eingesetzt. Nur leider in einer so ungünstigen Position, dass man bei den fast 3-stündigen Operationen absolut nichts sieht. Da mittwochs außerdem beide PJ-Seminare stattfinden, habe ich diese meistens verpasst. Die Assistenten haben sich sehr für mich eingesetzt und mehrfach dafür plädiert, dass ich die Seminare besuchen kann. Das stieß bei der Schilddrüsenmafia jedoch auf taube Ohren. Es wurde argumentiert, dass ich ja auch im OP viel lernen könne. Dem kann ich nicht beipflichten. Schließlich konnte ich das OP-Gebiet nicht einsehen und habe nichts erklärt bekommen. Das PJ-Seminar zur endokrinen Chirurgie ließen die endokrinen Chirurgen ersatzlos ausfallen. Es fiel mir zudem auf, dass die Assistenzärzte nie als erste Assistenz bei Schilddrüsen-OPs eingesetzt wurden. Im Ergebnis hatte ich daher nicht den Eindruck, dass der Abteilung für endokrine Chirurgie Lehre und Weiterbildung eine Herzensangelegenheit waren. Das mag so auch noch hinzunehmen sein, wenn man für das PJ eine Aufwandsentschädigung erhält. Das ist im Amalie jedoch nicht der Fall. Für einen unbezahlten PJler muss es möglich sein Lehrangebote wahrzunehmen. Mir war es außerdem höchst unangenehm, dass Ärzte anderer Abteilungen mit Mühe und Zeitaufwand Seminare vorbereiteten, denen ich jedes Mal fernblieb.
Um 15 Uhr findet schließlich die Röntgen- und OP-Besprechung statt. Eure Aufgabe besteht darin die OPs für den nächsten Tag vorzustellen. Das schult gut in der Patientenvorstellung und macht auch meistens Spaß. Um 15:40 Uhr darf man nach Hause gehen. Das klappte bis auf wenige Ausnahmen immer. Auch Mittagessen war meistens möglich.
Nun hat mein Tertial nicht nur aus Blutentnahmen und Hakenhalten bestanden. Das hatte ich in erster Linie der Rotationsärztin des UKE zu verdanken. Visitendokumentation, Arztbriefe schreiben, VAC-Wechsel, Ports anstechen, Drainagen ziehen, Abszesse spalten und sonografieren habe ich von ihr gelernt. Zu guter Letzt hätte ich ohne besagte Rotationsärztin wohl auch nie etwas genäht und keinen Dienst mitmachen dürfen. Wie man derart geduldig sein kann, obwohl einem ständig der Praktikant am Kasak klebt, ist mir bis heute ein Rätsel. An dieser Stelle nochmal ein großes Danke!
Unfallchirurgie
Der Tag in der Unfallchirurgie beginnt ebenfalls um 7 Uhr. Blutentnahmen übernimmt der Tagdienst der ZNA – was für ein Luxus! Nach der Visite auf Station, kann man sich sehr frei bewegen. Ich war meistens in der Notaufnahme. Hier durfte ich nach einiger Zeit Patienten selbst aufnehmen und untersuchen, Kopfplatzwunden und kleinere Schnittwunden nähen und sogar eine Pleurapunktion eigenständig durchführen. Manchmal kann man bei Reponierungen von Hüft- und Schultergelenksluxationen oder bei der Anlage von Thoraxdrainagen zusehen. Die Qualität der Woche in der Unfallchirurgie hängt immer davon ab, wer gerade Dienst in der Notaufnahme hat. Einige geben auch ein Teaching zur Interpretation von Röntgenbildern oder führen Gelenksuntersuchungen vor – das fand ich ganz toll! Da es ein echter „Männerladen“ ist, sind viele Assistenten nicht so „caring“ wie die Allgemeinchirurgen. Da wird gerne mal vergessen, dass man den Praktikanten auch essen und nach Hause schicken muss. Hier gilt: Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden! Es ist außerdem jederzeit möglich im OP zu assistieren. Das Team ist ausnahmslos sehr nett und ich habe mich auch hier wohl gefühlt.
Fazit
Rückblickend war ich mit meinem Chirurgie-Tertial im Amalie sehr zufrieden und werde mich immer gerne an meine Zeit dort zurückerinnern. Wer später eine chirurgische Facharztausbildung anstrebt, sollte vielleicht ein Haus mit breiterem Spektrum und mehr Möglichkeiten in praktische Fertigkeiten eingebunden zu werden auswählen.