PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in See-Spital Horgen (9/2021 bis 1/2022)
Station(en)
Chirurgie
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Ich habe mein PJ Chirurgie Tertial in Horgen von September bis Dezember 2021 verbracht. Sicherlich hat mich dieses Tertial in meiner Arztkarriere geprägt. Hier das Wichtigste in Kürze:
- Gehalt ca. 4,75 Franken/ Std., pro Monat ca. 950 Franken (Deutschland ca 2,80€/Std, 450 €/Monat). Bei unten genannter Arbeitsbelastung, Verantwortung und z.T. Schichtdienst unangemessen niedrig. Fürs Geld braucht man nicht in die Schweiz gehen.
- Gute Wohnung direkt nebenan im Personalwohnheim kann man für 500 Franken/Monat anmieten. Das Mitagessen in der Kantine konnte ich mir nicht leisten. Lidl nebenan ist erschwinglich.
- Toller Chef und vorallem nettes Team, auch auf den Stationen. Flache Hierarchien. Es wird gerne gelehrt. Nervige Stationsaufgaben wie Blutentnahmen sind nicht Teil deiner Arbeit. Jedoch gibt es einen Kaderarzt mit cholerischen Zügen und einer unangemessenen Hektik, sodass ich mehrfach mitbekommen habe, dass Personen nach OPs mit ihm in Tränen ausbrachen.
- Man rotiert auf der Bettenstation, Notaufnahme, Belegstation, OP. Urlaubswünsche werden erfüllt. Regelmäßige Wochenenddienste und Nachtdienste.
Notaufnahme: Gute Anleitung, man darf eigenständig nähen und Patienten aufnehmen. Daher sehr beliebt unter den Studierenden.
Auf den Normalstationen ist man einem Assistenzarzt zugeteilt, hier hat man in der Regel sehr wenig Verantwortung und darf gegen Nachmittag gehen oder übernimmt OP Assistenz.
Das Gegenteil besteht auf der Belegstation: Eigenständige Betreuung von Patienten in telefonischer Rücksprache mit den Belegärzten. Entweder es erfolgten tägliche Visiten mit den verschiedenen Belegärzten oder Telefonate (hierbei liegt es am Studierenden, die Lage des Patienten korrekt abzuschätzen/ Notfälle / Komplikationen frühzeitig zu erkennen). Schwierig fand ich, dass man alleine teils bis 13-14 Patienten betreute von 3-6 verschiedenen Ansprechpartnern (Belegärzten), die Assistenzärzte hatten hingegen zum Teil 4-5 Patienten, in der Regel nie mehr als 9. Hier ist große Organisation und Fürsorglichkeit nötig bei einer Menge verschiedener Ansprechpartner, die wiederum ihre eigene Vorgehensweise haben. (Da die Belegstation aber quasi "getrennt" ist, d.h. nicht die hauseigenen Kaderärzte verantwortlich sind, übernahmen die Assistenzärzte in der Regel keine Patienten. Das war bei sehr kranken Patienten meiner Meinung nach nicht angemessen, außerden hatten die Assistenzärzte z.T. trotz 10fachen Gehalts eine weitaus niedrigere Arbeitsbelastung und gingen früher heim, sodass eine Ansprechperson im Arztzimmer fehlte (in der Notaufnahme ist aber immer jemand). Arbeitstage daher oft nach 18 Uhr (eigentliches Arbeitsende 17:30 Uhr). Schweizer PJler, die weniger Praxiserfahrung hatten, machten z.T. Überstunden bis 21 Uhr in ihrer Belegwoche und einfach mehr Fehler. Diese Problematik wurde meinee Meinung nach eher wenig an die Kaderärzte weitergeleitet / oder sogar durch den Studenten selbst heruntergespielt, Hilfe zu fordern als Eingeständnis oder als persönliches Versagen?
Im besten Falle teilt man sich mit den anderen Studenten die Arbeit/ Patienten auf der Belegstation auf. Wurde in den Besprechungen eine hohe Arbeitsbelatung angesprochen, fand das fairerweise immer ein offenes Ohr und Möglichkeiten wurden offeriert.
In der Regel sind die Belegärzte auch direkt erreichbar und bemüht um eine gute Zusammenarbeit und die Patienten nicht allzu krank, sodass alles abgearbeitet werden kann, das ist sehr zufriedendstellend!
Zu Beginn des neuen Jahres sollte vom Klinikum Horgen ein verbessertes System für die Belegstation ausgearbeitet werden (sodass die Station z.B. von 2 Studierenden betreut wird).
Fazit: Horgen passt zu sehr organisierten, fleißigen Studenten, die in ihrem Tertial gerne > 50 Std./Woche und mit der Verantwortung eines Assitenzarztes arbeiten möchten, mit allen Höhen (Wissenszuwachs, Selbstwirksamkeit, Verantwortungsübernahme) und Tiefen (Management von Notfällen, Überforderungen, lange Schichten). Persönlich bin ich an dieser ärztlichen Aufgabe gewachsen.
Die Schweizer Alpen an den Wochenenden entschädigen den trubeligen Krankenhausalltag.