Ich habe das letzte PJ-Tertial (Chirurgie) im Winter in der Traumatologie und Orthopädie im Krankenhaus Bruneck gemacht. Insgesamt habe ich 20 Fehltage genommen, 5 am Anfang über Weihnachten, 5 in der Mitte und 10 am Ende, war also insgesamt 3 Monate dort. Die Organisation über Frau Neumair lief problemlos und schnell ab und sie stand auch während meiner Zeit in Bruneck immer für Fragen zur Verfügung. Das Zeugnis wurde mir vom Chef einfach unterschrieben, es gab keine Probleme. Ich brauchte keine Äquivalenzbescheinigung, aber die würde sonst über die Uni Verona laufen, aber da kümmert sich Frau Neumair auch drum. Das Krankenhaus ist relativ klein, aber die traumatologische und orthopädische Abteilung ist aufgrund der Nähe zum Skigebiet relativ groß.
Es gibt eine Station mit knapp 40 Betten, eine Ambulanz mit mehreren Sprechzimmern, 3 Gipsräume sowie Schockraum in der Notaufnahme, 2 OP-Säle und insgesamt um die 15 Fachärzt:innen. Bruneck hat keine Ausbildungsermächtigung für Assistenzärzt:innen, somit sind alle Ärzt:innen dort Fachärzt:innen, sowas wie Oberärzt:innen gibt es auch nicht. Die meisten sind Südtiroler:innen und sprechen hauptsächlich deutsch, es gibt aber auch einige italienische Ärzt:innen und in Besprechungen wird deutsch und italienisch gemischt gesprochen. Mit den Patient:innen redet man je nach Herkunft/Muttersprache auf deutsch, italienisch, ladinisch oder englisch, ein paar Italienischkenntnisse sind daher von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig.
Auf der Station ist immer ein Arzt/eine Ärztin eingesetzt, für PJler gibt es dort nichts zutun, da Breifeschreiben und Dokumentieren von Sekretärinnen übernommen wird. Wir wurden hauptsächlich im OP und in der Notaufnahme eingesetzt, dort war je nach Saison mal mehr mal weniger zutun. Vor allem Im Januar und Februar gab es unglaublich viele Skiunfälle, sodass es viel in der Notaufnahme und auch noch nachmittags im OP zutun gab. Im OP konnte man je nach Operateur auch mal bohren, sägen, hämmern oder am Ende zunähen oder klammern. In der Notaufnahme hilft man bei der Anamnese und Untersuchung, bei Gipsen und bei der Wundversorgung (Nähen) sowie beim Fädenziehen und ab und zu darf man auch irgendetwas punktieren oder injezieren. Ab und zu konnte man auch, wenn man sich dafür interessiert hat, in die Ambulanz gehen und dort zum Beispiel Injektionen machen. Wir hatten keinen eigenen PC-Zugang, haben diesen aber auch nicht benötigt, da sehr sehr wenig dokumentiert wird und man ja eh nur in der Notaufnahme und im OP eingesetzt wird. Manchmal wurde mir in der Notaufnahme ein zweites Fenster aufgemacht, sodass ich meine Anamnese und Befunde selbst tippen konnte.
Etwa 1x im Monat übernimmt man einen Hakenhaltedienst, wo man für OP-Assistenz bei den Traumatologen und bei den Allgemeinchirurgen zuständig ist. Eigentlich ist es Bereitschaftsdienst von 8 bis 20 Uhr, ich war allerdings meistens dort und habe in der Notaufnahme und im OP geholfen, weil ich sonst zu Hause sitzen würde. Für die 2 Tage kriegt man 3 Ausgleichstage unter der Woche, welche man sich relativ frei wählen kann. In der Allgemeinchirurgie ist der Ablauf insgesamt sehr ähnlich und ab und zu war ich auch im allgemeinchirurgischen OP um mir irgendwelche spannenden Eingriffe anzuschauen.
Es gibt keinen PJ-Unterricht und irgendwie auch niemanden, der sich für uns zuständig gefühlt hat, und insgesamt ist die direkte Ausbildung eher schlecht. Ich glaube ich habe viel gelernt durch Selbermachen und Zuschauen und einfach aufgrund der hohen Verletzungsrate sehr viel gesehen. Wenn man sich sehr interessiert und viele Fragen stellt, ist die Lernkurve wahrscheinlich steiler, aber mir war das alles auch einfach egal.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass ich nicht unbedingt gebraucht werde (außer manchmal im OP zum Assistieren), sodass ich sehr viele kurze Tage hatte und nach dem Mittagessen gegangen bin oder 1 Studientag pro Woche genommen habe. Am Ende des Tertials war ich nur noch sporadisch da und habe auch deutlich mehr Fehltage gehabt, als am Ende auf meinem Zeugnis standen. Da wir meistens 3-4 Studierende in der Trauma waren, haben wir uns in Früh- und Spätdienst eingeteilt und oft hat einer auch einfach frei gemacht. Es war also immer sehr gut besetzt und niemand hat sich für Fehlzeiten und Studientage interessiert, sodass genug Zeit für Freizeit in den Bergen blieb.
Es gibt kostenloses Mittagessen, dort kann man sich so viel nehmen, wie man möchte und es gibt immer mehr als genug Zeit Mittagessen zu gehen. Das Essen ist typisch italienisch mit Primo und Secondo und Desert dazu gibt es ein Salatbuffet und manchmal noch eine Suppe, also mehr als ausreichend. Es gibt kein Gehalt, aber über Erasmus+ kriegt man 540€ im Monat, bei mir hat das alles reibungslos und pünktlich geklappt. Es gibt kein Wohnheim, aber die Klinik hilft ein bisschen bei der Suche einer Unterkunft. Man bekommt eine Liste mit günstigen Unterkünften in der Umgebung von Frau Neumair, die meisten Studis wohnen bei Prof. Waibl oder bei Graf Mamming. Ich habe bei Prof. Waibl für ca 300€ im Monat in einer 4er WG mit 3 anderen Studierenden gewohnt, die auch alle im Krankenhaus Bruneck gearbeitet haben. Die Wohnung war relativ einfach, aber mit allem was man braucht und nah an Zentrum und Krankenhaus und mit meinem Mitbewohner:innen hatte ich eine wahnsinnig gute Zeit. Wir kannten auch Leute, die bei Graf Mamming gewohnt haben, auch dort kann man ganz gut leben und lernt meist andere Studis kennen. Insgesamt waren wir in der Zeit um die 10 PJler und Famulanten und haben viel zusammen gemacht (Kochen, Essen gehen, Bar, Skifahren, Wandern, Feiern) und hatten eine sehr gute Zeit in den Bergen.
Der Freizeitwert in Bruneck ist enorm hoch, ich war im Winter da und hatte nach 3 Monaten über 40 Skitage zusammen. Direkt in Bruneck ist der Kronplatz, aber mit dem Dolomiti Superskipass (890€ Saisonpass) könnt ihr auch in fast allen anderen Skigebietn in Südtirol fahren. Wir waren oft im Gebiet der Sella Ronda, in Cortina d'Ampezzo oder bei den Drei Zinnen. Skifahren konnte ich schon, aber ich habe dort noch Snowboardfahren gelernt. Mit dem Saisonpass kann man auch einfach auf den Kronplatz hochfahren um Aperol oder Kaffee zu trinken, sehr sehr gut zu essen, in der Sonne zu sitzen oder eines der beiden Museen zu besuchen. Auch sonst ist Bruneck eine sehr süße Kleinstadt mit Fußgängerzone, Geschäften und einem Schloss. Dort ist ein Messner Montain Museum beherbergt, welches ich sehr empfehlen kann. Auch die beiden Museen auf dem Kronplatz, das Lumen Fotographiemuseum und ein weiteres Messner Mountain Museum, kann ich beide sehr empfehlen. Ansonsten kann man auch super viel machen, Nachtskifahren, Winterwandern, Schlittschuhfahren, Langlaufen, Rodeln oder Eishockeyspiele in der neuen Arena besuchen. Im Sommer kann man natürlich Wandern, Fahrradfahren, Klettern, Baden, Schwimmen. Die Dolomiten rund um die Sella Ronda sind die schönsten Berge, die ich je gesehen habe, außerdem sind der Gardasee und tolle Städte wie Innsbruck, Bozen, Verona oder Venedig nicht weit. Der Freizeitwert in Südtirol ist also wahnsinnig hoch und die Zeit vergeht wie im Flug! Besonders gut dort ist auch das Essen, es gibt Tiroler Spezialitäten wie Käsespätzle, außerdem typisch Südtiroler Küche mit Knödeln, Käse, Speck und Schlutzkrapfen, aber auch italienische Einflüsse wie Gelato und sehr guten Wein. Außerdem kann man sein Italienisch aufbessern und etwas über die Südtiroler Kultur oder die ladinische Sprache erfahren, das fand ich alles auch sehr spannend!
Wenn du also ein entspanntes Chirurgie-Tertial in den Bergen mit sehr viel Freizeit, gutem Essen und Kultur und nur wenig Lernen und Zeit im Krankenhaus suchst, bist du in Bruneck genau richtig! Wenn du richtig Lust auf Chirurgie hast, sehr engagiert bist und viel lernen und selber machen willst, bist du hier eher falsch, kannst aber auch mit viel Eigeninitiative und Anwesenheit eine sehr lehrreiche und spannende Zeit im Krankenhaus haben! :)
Bewerbung
1,5 Jahre vorher per Mail an die wirklich super nette und hilfsbereite Frau Michaela Neumair