Zunächst muss ich sagen, dass ich den PGS über die Summerschool für Medizinstudierende gefunden habe. Wer also einen kleinen "Vorgeschmack" auf das PJ und die Stadt haben will: Ab Mai/Juni kann man sich für den Sommer bewerben und eine Woche diverse Kurse/Seminare kostenlos mitmachen.
Ich war in meinem Tertial als einziger PJler da und hatte hier und da schon Vorerfahrungen Us dem PJ davor. Das käme dir auch zugute, falls du Innere als 2./3. Tertial belegen willst- denn auf den Stationen, auf denen ich war, durfte ich schnell praktisch unter Supervision tätig werden und auch Verantwortung übernehmen.
Generell besehen (ich spreche von der Klinik Innere Medizin 1) wird man aber nicht als "Ersatz" für Assistenzärzte eingeplant und hat dadurch auch einige Freiheiten.
Große Vorteile aus meiner Sicht im Vergleich zu meinen Vorerfahrungen beim Maximalversorger in Westdeutschland:
- Spannendes Patientengut- im Dienst bekommt man hier (Flächenlandkreis) alles, sogar neurologische Patienten, da diese Klinik im Kreis den Versorgungsauftrag hat
- Flexülenanlagen und Blutabnahmen im erträglichen Ausmaß (die Pflege übernimmt hier idR noch viel mehr BE, es bleiben eigentlich nur die Flexülen)
- Direkte Kommunikation abteilungsübergreifend, Wünsche meinerseits für Rotationen wurden so z.B. auch meist berücksichtigt
-Wertschätzender Umgang mit PJlern wenn ihr euch aktiv einbringt und hier und da auch mal nicht nur im engeren Sinne "ärztliche Pflichten" erfüllt, wer eigene Verantwortung will, kann diese bekommen wenn er sich bewährt
- Meist Zeit für Mittagessen, dieses ist auch gesünder als in anderen Kliniken
- Für mich sogar erneute Teilnahme an der Summerschool im August möglich (keine Garantie, aber fragen könnt ihr)
- Drei Studientage je Tertial (bald sollen es wohl mehr werden)
- Von der PJ-Unterkunft aus ca. 10 Minuten entspannter Fußweg zur Klinik, schöne Wohnung, die vom Colleg geputzt wird (max. 3 PJler/innen auf einmal mit gemeinsamem großem Wohnbereich, Badezimmer und separaten Schlaf-/Arbeitszimmern, ruhiger Terasse, Parkplatz, Fahrradunterstand)
-Fahrrad für Touren durch die Umgebung gestellt
-Unmittelbare Nähe zum Katharina von Bora-Hospiz, dieses bietet großartige Möglichkeiten für ein Ehrenamt für Medizinstudierende bei Interesse
-Teilnahmeoptionen an der endokrinologischen, hausärztlichen und infektiologischen Sprechstunde, Besuchsmöglichkeiten in der Dialysepraxis mit ärztlicher Einführung und in meinem Fall sogar bei Hausbesuchen mit Professor Jehle
Fakt ist: Wenn ihr höflich und bemüht seid, stoßt ihr in den Abteilungen hier auf offene Türen.
Gut fand ich vor allem zu Anfang zum reinkommen die Rettungsstelle, dann hat mich die Oberärztin auf der 22A an die Hand genommen, der leitende Oberarzt der Geriatrie ist aber ähnlich hilfsbereit und freundlich, falls ihr dort eingeteilt werdet. Man hat hier ausreichend Zeit für die Patienten und kann so manchmal spannende Fälle "aufdecken".
Hervorheben möchte ich, dass aktuell seit ein paar Monaten ein großartiger infektiologischer Oberarzt in der Klinik arbeitet, der auch sehr offen für studentische Mitarbeit ist, wie etwa bei Liquorpunktionen oder "Infektvisite" auf den jeweiligen Stationen. Ich hätte nie zu Unizeiten gedacht, dass dieser Bereich so vielseitig und praxisnah ist.
Der Chefarzt Professor Jehle macht viel und gern Lehre und ist auch immer für Zwischenfragen/Anregungen und Gespräche ansprechbar. Bei ihm kann man jederzeit auch Ideen einfließen lassen und wird wirklich gefördert. Auch seine Ehefrau im Sonografieraum zeigt und erklärt viel.
In den Zeiten auf diesen Stationen war generell viel Zeit für Sonografie/Echo/Sprechstunden oder theoretische Zusatzausbildung und ich kam immer zeitig von der Arbeit los.
Dank der Klinik für Innere Medizin 1 habe ich auch die Berührungsängste vor dem Arztbriefe schreiben verloren, auch da bekommt ihr bei Bedarf viel Hilfe und Feedback.
Auf der 13B wird man leider eher für die Stationsarbeit eingesetzt und ich persönlich kam parallel wenig zur Weiterentwicklung (Chef ist idR in der Endoskopie und kommt 1x wtl. zur Chefarztvisite) ,der Chefarzt der Klinik für Innere 2 hat mein Feedback auf mehr Praxis aber auch umgesetzt, leider erst nach meinem Wechsel zurück in die Innere 1- wenn ihr also unzufrieden sein solltet: Zeitnah Absprachen treffen, sonst geht das unter. Und pünktlich Feierabend machen, ich habe mich den Patienten verpflichtet gefühlt und hier fast immer und am meisten Überstunden gemacht. Effizientes Arbeiten lernt man dadurch natürlich, da hier sehr schnelle Patientendurchsätze sind.
Ich kam dadurch leider auch nicht mehr als einen Tag auf die 14B, die auch einen palliativstationären Bereich hat(te), das Personal dort war auch nett und engagiert, leider wird der stationäre Palliativbereich langfristig wegfallen.
Zur Kardiologie (Klinik Innere 3) kann ich nicht viel sagen; Tagsüber sind die Assistenzärzte wohl hier eher allein auf Station, und arbeiten fast immer bis 18 Uhr, Oberärzte kommen dann zwischendurch und sind sonst im Herzkatheterlabor oder Echo. Selbst war ich aber aufgrund des verkürzten Tertials nicht mehr dort eingesetzt. Die Oberärzte dort erklärten aber auch viel und waren sehr freundlich.
Neben den oben genannten Vorteilen sind Nachteile aus meiner Sicht am ehesten:
- Der Träger scheint momentan überall wo möglich zu sparen- das merkt man an den Nachbesetzungen von wegfallenden Stellen von "fertigen Assistenzärzt*inn*en (krankheitsbedingte längere Ausfälle werden echt zum Problem) und an den Nachwuchsproblemen oder auch daran, dass es keine Getränke mehr zum kostenlosen Mittagessen für PJler gibt
- Die IT braucht sehr lange, um dich für Diktate und das KIS freigeschalten, sowas sollte eigentlich von selbst laufen, funktionierte leider bei mir aber erst 3 Wochen teilweise nicht und hat viel Zeit und Nerven gekostet
- PJ-Seminare im engeren Sinne hatte ich (einziger PJler in dem Tertial) nicht, Professor Jehle oder die Assistenten/Oberärzte auf Station nahmen sich aber ausreichend Zeit für theoretische Ausbildung aus meiner Sicht, bzw. ersetzte die Summerschool mit internistischem Themenschwerpunkt für mich viel
-Krankheitsbedingte Fehlzeiten werden wohl registriert und von den Fehltagen abgezogen, denke aber bei Problemen kann man da auch mit Professor Jehle eine Lösung finden, bzw. durch Dienste zusätzliche "Puffertage" verdienen
- keine Waschmaschine, Wäscheservice übers Colleg kostet 10€ pro gewaschenen und getrockneten Korb
Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Tertial gerade im Hinblick auf berufliche Fragen eine tolle Vorbereitung war.
Eine Erlösung im Vergleich zu dem, was ich bisher erlebt habe, war vor allem,nicht zu ausufernden Blutentnahmen missbraucht zu werden, wie anderweitig aus der Not heraus auch oft. Die Erwartungshaltung, was die Aufgaben eines PJlers sind, fand ich absolut vertretbar. Die Arbeitszeiten sind human und die Mittwochsfortbildungen qualitativ wirklich hochwertig.
Hinsichtlich des Gehaltes würde ich nochmal nachfragen, da mir auch schon angekündigt wurde, dieses erhöhen zu wollen.
Auch die Unterkunft ist mitten im Zentrum Wittenbergs, 1 Straße neben Teich und Einkaufszentrum, inkl. leider etwas dürftig ausgestatteter Küche mit Kühlkombi, Ofen, Kochfeld und Mikrowelle (Lage s. Foto) und die Anbindung an den ICE und Flixtrain in dieser Stadt ist für die Größe sehr gut.
Ich persönlich würde dieses Tertial jederzeit wieder so belegen- warum in die Schweiz wenn man hier solche guten Ausgangsbedingungen findet? Gebt den Leuten und der Inneren Medizin hier eine ehrliche Chance, lasst euch wie ich darauf ein und ihr werdet nicht enttäuscht werden.
Bewerbung
Habe mich bereits 1 Jahr vorher beworben,aber auch kurzfristig über Professor Jehle anfragbar.