Hinweis: Ich beziehe mich hier lediglich auf die Allgemein-/Visceralchirurgie (ACH). Eine kurze Anmerkung zur Unfallchirurgie und Neurochirurgie befindet sich weiter unten, fließt aber nicht in meine Bewertung ein.
Mein chirurgisches Tertial habe ich im AGAPLESION Bethesda Wuppertal absolviert.
Kurzfassung: Wer gerne ACH machen möchte, ist hier goldrichtig! Aber auch wenn nicht, kann man hier in guter Atmosphäre sehr viel sehen und lernen.
Bereits an meinem ersten Tag wurde ich sehr freundlich von der leitenden Oberärztin in Empfang genommen, die sich auch allgemein viel um die PJler und Famulanten kümmert. Ihr ist es sehr wichtig, dass man viel lernt und sich dabei wohl fühlt! Von Anfang an wurde ich voll ins Team integriert und als Kollege respektiert.
Der typische Tagesablauf sieht folgendermaßen aus:
Beginn ist kurz nach 7 Uhr umgezogen auf Station. Dort findet die morgendliche Visite statt, d. h. es wird unter die Verbände geschaut und die Patienten je nach Bedarf kurz untersucht. Anschließend geht es zur Röntgenbesprechung in den Demoraum. Danach findet noch eine kurze Frühbesprechung im Büro des Chefs statt, dort werden u. a. Histobefunde an die betreuenden Ärzte verteilt und kurz besprochen, wie es bestimmten Patienten mit komplexen Erkrankungen geht und wer wann welche Aufgaben übernimmt.
Je nach OP-Plan ist man danach entweder direkt im OP oder geht auf Station und dann später in den OP.
Mittags gibt es noch eine weitere Besprechung, die man aber nur dann besuchen kann, wenn man nicht gerade am OP-Tisch steht. Diese ist aber vor allem für den Kollegen aus der zentralen Notaufnahme wichtig. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, in der zentralen Notaufnahme Patienten zu untersuchen. Dies habe ich vor allem dann gemacht, wenn ich gerade nicht auf dem OP-Plan stand und die Stationsarbeit erledigt war. Auch in der Terminambulanz kann man bei der Terminvergabe und den OP-Vorgesprächen von elektiven Operationen dabei sein.
Die Mittagspause ist zeitlich relativ flexibel. Als PJler bekommt man ein Mittagessen, einen Nachtisch und ein Getränk pro Tag kostenlos. Die Gutscheine dafür gibt es im Sekretariat der ACH. Da wegen COVID-19 die Cafeteria nur für Personal geöffnet war, war diese auch in den Öffnungszeiten beschränkt, sodass ich bedingt durch den OP-Plan manchmal auf mitgebrachtes Essen zurückgreifen musste. Dies dürfte inzwischen aber wahrscheinlich wieder anders sein.
Der Arbeitstag endet dann gegen 15:30 Uhr, wobei man - wenn man möchte - für interessante OPs auch gerne mal länger bleiben darf. Dafür ist es aber auch kein Problem, wenn man mal wegen eines wichtigen Termins etwas früher gehen muss oder erst etwas später kommen kann.
OP: Insgesamt darf man sehr viel Zeit im OP verbringen. Mir persönlich hat es im OP am besten gefallen. Von Anfang an war ich bei fast allen Eingriffen steril am Tisch und durfte assistieren. Natürlich gehört das klassische "Haken halten" auch dazu, man bekommt aber sämtliche OP-Schritte bis ins Detail erklärt und hat die Möglichkeit, viele Fragen zu stellen. Insbesondere dem Chef ist es sehr wichtig, dass man auch versteht, was, wann und warum etwas so gemacht wird, wie es gemacht wird. Die Atmosphäre im OP ist sehr gut. Ein unfreundlicher Umgangston ist eine seltene Ausnahme (jeder kann mal einen schlechten Tag haben), diskriminierende Kommentare oder gar fliegende Instrumente gibt es hier nicht. Oft durfte ich die Hautnaht am Ende der OP selbstständig durchführen, bei Schwierigkeiten wurde mir entsprechend weitergeholfen. Zusätzlich zur Allgemein- und Visceralchirurgie werden ebenfalls gefäßchirurgische Operationen durchgeführt. Wenn man mal früh dran ist, kann man auch bei der Anästhesie zuschauen und Fragen stellen.
Mein persönliches Highlight im OP war, eine Großzehenamputation unter Aufsicht als Operateur selbstständig durchführen zu dürfen! Der Oberarzt hat mir jeden Schritt erklärt und ich habe ihn entsprechend durchführen dürfen. Bei Schwierigkeiten hat er dann wieder übernommen.
Station: Natürlich gehört zur Stationsarbeit auch die Blutentnahme und das Legen von venösen Zugängen dazu. Diese ärztliche Aufgabe teilt man sich aber mit den anderen Ärzten und ggf. Famulanten, sodass man mit dieser eher eintönigen Aufgabe nicht allzu lange beschäftigt ist. Wenn man gerade im OP ist, übernehmen die Stationsärzte diese Aufgabe auch vollständig. Weitere Aufgaben auf Station sind das gemeinsame Wechseln von Vakuum-Verbänden und das Durchführen von Sonografien. Die chirurgische Station hat ein sehr hochauflösendes Sono-Gerät in einem Sono-Raum und ein kleines tragbares Gerät (wie einen Laptop). Da ich in meinem Tertial Innere Medizin einen Sono-Kurs belegt hatte, durfte ich an vielen Patienten meine Kenntnisse vertiefen und Übung sammeln. Die leitende Oberärztin hat mir einige interessante Patienten herausgesucht, die dann schon mal eine zusätzliche Sonografie von mir bekommen sollten. Meist habe ich die Patienten erst alleine geschallt und dann im Anschluss unter Aufsicht meine Befunde demonstriert bzw. Fragen gestellt.
Arztbriefe und Befunde (insbesondere Sono-Befunde) darf man auch selbst schreiben, wird dazu aber nicht gezwungen. Ich würde trotzdem empfehlen, aus Eigeninitiative wenigstens den einen oder anderen Arztbrief zu schreiben, weil man das später im Beruf ohnehin können muss.
Eine Frühstückspause vor den OPs ist möglich und absolut sinnvoll. Jeder hat Verständnis dafür, kurz etwas zu essen und zu trinken, um kreislauftechnisch fit für den OP zu sein!
Etwas nervig ist, dass sich das Arztzimmer nicht in unmittelbarer Nähe der Station befindet. So hält man sich viel im Stationszimmer auf und darf sich dort manchmal mit der Pflege um die Computer streiten, anstatt im Arztzimmer am Rechner zu sitzen. Ansonsten ist der Kontakt zur Pflege aber sehr gut und von guter Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt geprägt.
Mein persönliches Highlight auf Station war, als ich auf Comfort-Station die allgemeinchirurgischen Patienten auf dieser Station für eine Woche alleine übernehmen durfte, auch wenn dies zwar nur eine Handvoll Patienten waren und ich für alle möglichen Angelegenheiten dauernd den Chef angerufen habe. So konnte ich aber selbstständig einen Patienten entlassen und Patienten auf die anstehenden OPs vorbereiten.
Einmal hatte ich einen Konflikt mit dem Angehörigen eines Patienten, der mir gegenüber unverschämt geworden ist. Ich wusste in dieser Situation nicht genau, was ich machen sollte und habe die Situation den anderen Ärzten erklärt, die dabei alle hinter mir gestanden haben. Angehörige könne ich jederzeit aus dem Patientenzimmer schicken. Ansonsten kann man sich aber immer an die anderen Ärzte wenden, die sich dann um das Problem kümmern.
Die Hierarchie ist entgegen dem Klischee familiär und sehr angenehm. Es kann durchaus mal vorkommen, dass sich der Chef beim Mittagessen zu einem an den Tisch setzt und sich freundlich mit einem unterhält. In anderen Kliniken habe ich schon erlebt, dass die Oberärzte von den Assistenzärzten an getrennten Tischen sitzen.
Mit der IT ist das so eine Sache. Prinzipiell erhält man einen Medico-Zugang und damit Zugriff auf das IT-System. Allerdings hatte ich erst einmal keinen Zugriff auf den OP-Plan. Die IT-Abteilung telefonisch zu erreichen ist schwierig. Und auch als es dann hieß, dass man sich kümmern würde, ist erst einmal nichts passiert. Irgendwann hat es dann aber doch geklappt. Medico ist an sich ein schönes und übersichtliches Programm, in der Infrastruktur im Bethesda hat man aber leider viele Ladezeiten. Dafür gibt es aber mit Fluency direct eine funktionierende Diktiersoftware, die das Schreiben von Texten enorm erleichtert! Das hätte ich mir in anderen Häusern auch gewünscht!
Einmal wöchentlich gibt es PJ-Unterricht für alle PJler des Hauses. Dieser wird immer von einer anderen Fachrichtung gestaltet und kann im Rahmen einer Vorlesung, eines Seminars, einer Führung durch die Organisation der ZNA, einer Patientendemonstration, Patientenuntersuchung (Sonografie), einer Fallbesprechung oder dem Training von praktischen Fertigkeiten (Naht- und Knotenkurs) sein. Die Qualität des PJ-Unterrichts ist sehr gut! Die ACH hat sich auch noch um zusätzliche Termine gekümmert und fragt gerne nach, welche Themen uns PJlern besonders wichtig sind. Trotzdem hat eine Uniklinik mit Skillslabs natürlich noch mehr Möglichkeiten.
Besonders schön fand ich es auch, mit Famulanten zusammenzuarbeiten und Schülerpraktikanten etwas zeigen zu können. Hier ist die leitende Oberärztin auch sehr engagiert und setzt sich dafür ein, dass die Schüler möglichst viel mitnehmen können. Beim Girls' und Boys' Day habe ich zusammen mit der leitenden Oberärztin eine Truppe Jungs durchs Haus geführt und dabei selbst auch eine Vorstellung von den verschiedenen Bereichen wie z. B. der Physiotherapie bekommen.
Auch sehr gut gefallen hat mir, dass das Bethesda sein christliches Leitbild und seine christlichen Werte nicht nur (wie viele andere Häuser) auf dem Papier stehen hat, sondern auch wirklich umsetzt. Dies habe ich sowohl im Umgang miteinander als auch mit den Patienten erlebt. Kleine Anekdote dazu: Ein Oberarzt hat bei der morgendlichen Visite einen Bibelvers zitiert: "Niemand näht doch ein neues Stück Stoff auf ein altes Gewand, sonst reißt das neue Stück aus und der Riss im alten Stoff wird noch größer." (Matthäus 9,17) und anhand dieses Verses einem Patienten ein sinnvolles Vorgehen bei einer OP erläutert.
Insgesamt kann ich das Tertial Chirurgie in der Allgemein- und Visceralchirurgie im Bethesda wärmstens empfehlen! Hier kann man in guter Atmosphäre viel mitnehmen und lernen und wird als PJ-Kollege sehr wertgeschätzt! Allerdings gehört zum Chirurgie-Tertial auch eine Rotation in die Unfallchirurgie dazu.
Zur Unfallchirurgie (UCH): Bis ich hier in den OP gekommen bin, hat es fast zwei Wochen gedauert! Und dort habe ich auch nicht viel gelernt, sondern durfte vor allem die Extremitäten in Position halten, damit der Operateur operieren kann. Eine gute Sicht ins OP-Gebiet war nur selten möglich. Letzten Endes war ich für die vielen Blutentnahmen auf allen unfallchirurgischen Stationen zuständig und wurde dafür auch dauernd angerufen. Bei einer unschönen Auseinandersetzung mit einem beleidigenden Patienten stand die ärztliche Leitung nicht hinter mir, das habe ich in der ACH ganz anders erlebt.
Die Assistenzärzte sind im Allgemeinen aber sehr nett und verstehen auch die Problematik eines PJlers, haben auf eine eventuelle Änderung aber keinen Einfluss. Im Laufe der Zeit merkt man auch, wer einem gerne etwas beibringen möchte und kann sich etwas an diese Personen halten.
Profi-Tipp: Wenn es irgendwie zu Schwierigkeiten kommen sollte, wendet euch an die ärztliche Leitung aus der ACH.
Zur Neurochirurgie (NCH): Eine Rotation in die NCH ist nicht der Regelfall, aber auf Wunsch möglich. Sehr ruhiges und entspanntes Team. Der Tag startet etwas später als in der ACH und beginnt mit der Frühbesprechung und anschließender Visite sämtlicher neurochirurgischer Stationen. Anschließend gibt es die Möglichkeit, im OP zuzuschauen (nicht am Tisch), in die ZNA zu gehen, bei Patientenaufnahmen dabei zu sein und ein paar wenige Blutentnahmen zu erledigen. In der NCH hat man relativ wenig Pflichten, dafür aber auch relativ wenig Aufgaben. Dies mag aber auch mit der sehr kurzen Dauer meiner Rotation zusammenhängen. Vor allem konnte ich viel dabei sein und zuschauen. Neben den OPs von Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen war ich bei einer Hirntumor-OP dabei, die mit Navigation durchgeführt wurde, was für mich das Highlight dieser Rotation dargestellt hat.
Organisatorisches: Als PJler bekommt man auf Wunsch einen Parkplatz im Parkhaus zum halben Preis (12,50€ pro Monat). Das Mittagessen in der Kantine ist im Gegensatz zu vielen Unikliniken kostenlos (aber zeitlich von den OPs und Öffnungszeiten her nicht immer möglich) und bei den "Gerichten der Woche" oft sehr gut, ansonsten eher durchschnittlich. Ein Telefon und ärztliche Berufskleidung (Hose und Kasack) wird zur Verfügung gestellt. Mit einer Chipkarte erhält man Zugriff zum Parkhaus (sofern Parkplatz gemietet), zum OP-Bereich, zur ZNA, zur Intensivstation und zum Wäscheautomaten. Für den eigenen Platz im Arztzimmer gibt es noch einen mechanischen Schlüssel. Theoretisch soll es auch noch ein PJ-Zimmer geben, dieses befinde sich aber am anderen Ende des Hauses, daher habe es nicht genutzt.
WICHTIG: Erinnert die Chefsekretärinnen daran, dass ihr eine Strahlenschutzplakette bekommt! Eigentlich sollte sich da selbstverständlich drum gekümmert werden, bei mir ist es aber wohl auf irgendeinem bürokratischen Weg untergegangen, sodass ich dann erst einmal keine hatte, als ich eine brauchte. In der ACH ist die nicht ganz so wichtig, aber in der UCH wird intraoperativ viel geröntgt.
Studientage: Einen regelmäßigen Rhythmus für Studientage gibt es nicht. Nach Absprache sind Studientage aber möglich und kein Problem. Der Klinik ist die Problematik mit Urlaubs- und Krankheitstagen im PJ bekannt.
Noch ein paar allgemeine Tipps am Ende: Ich persönlich finde es sinnvoll, das Tertial Innere Medizin in einer Uniklinik zu absolvieren, da dort einfach mehr an PJ-Unterricht mit EKG-/Sono-Kurs etc. angeboten werden kann als in einer kleinen Klinik. Das Tertial Chirurgie hingegen würde ich lieber in einer kleinen Klinik machen, da man dort mehr (alltägliches) sieht und vor allem auch mehr machen kann als in einer Uniklinik.
Ihr könnt mich für Fragen gerne über das Kontaktformular unten anschreiben!
Bewerbung
Die Bewerbung verläuft über das PJ-Portal, dort gehört das Bethesda als Lehrkrankenhaus zur Ruhr-Universität Bochum. Einige Wochen vor Beginn habe ich eine Mail vom Chefarzt der Allgemein-/Visceralchirurgie bezüglich der Planung des Tertials bekommen. Auf meinen Wunsch hin habe ich die Zeit zu ca. 2/3 in der Allgemein-/Visceralchirurgie und 1/3 in der Unfallchirurgie verbracht und konnte mir am Ende noch für ein paar Tage die Neurochirurgie anschauen.