Mein Wunschtertial Anästhesiologie im St. Adolf Stift Reinbek war mit Abstand mein lehrreichstes und schönstes Tertial. Bedauerlicherweise ist, dank der nun zentralisierten Vergabe der PJ- Plätze, mein Wunschtertial ans Ende der PJ- Zeit gefallen. Bedauerlicherweise, weil ich die letzten M3 Vorbereitungstage sehr gerne noch vor Ort verbracht hätte.
Reinbek ist ein mittelgroßes Haus der Grund- und Regelversorgung mit schwerpunktversorgender Funktion in einigen ausgewählten Bereichen. Die operative Bandbreite ist erstaunlich hoch und auf höchstem Niveau, dementsprechend auch die Vielfalt der möglichen Narkoseverfahren und Abläufe, die dies ermöglichen. Von Shuntchirurgie in Regionalanästhesie, bis hin zu komplexen Mehrhöhleneingriffen mit äußerst dynamischen Ansprüchen an Narkoseführung und Ventilation, ist hier ein breit gefächerter Einblick in das vielfältige Arbeitsleben von Anästhesiologen garantiert.
Am ersten Tag steht alles im Zeichen des Onboardings. Man wird herzlich empfangen, eingeschleust und bekommt ein gut strukturiertes Hand Out ausgehändigt, in dem die wichtigsten Ansprechpartner und Anlaufstellen beschrieben sind.
Um 07:30 beginnt der OP- Tag im Aufwachraum mit dem Ärzteteam. Hier wird das Tagesprogramm besprochen und die Saalverteilung verkündet. Hier lohnt es sich aufmerksam zu sein und sich einen spannenden Sall auszusuchen. Nach Absprache mit, mal mehr mal weniger anwesenden Kommilitonen, kann man sich einem Anästhesisten anschließen und bekommt je nach eigenem Wissensstand auch direkt Aufgaben während der Einleitung. Alles in sehr behüteten Rahmen und eher im Sinne des Teachings und weniger als Arbeitserleichterung für die Ärzte. WHO liste abfragen, verkabeln, Zugänge legen, präoxygenieren, Atemwegssicherung, Beatmung. Was man sich zutraut, darf man auch übernehmen.
Es ist jedem selbst überlassen, wie man seinen Tag gestaltet. Sei es Einleitungshopping mit möglichst vielen VVKs und Intubationen, oder sei es Narkose von Anfang bis Ende komplett selbst unter Supervision zu führen, alles erlaubt und es wird alles unterstützt.
Neben der großartigen Hands On Lehre, von der die Anästhesiologie so lebt, kann man mit jedem Mentor alle theoretischen Fragen klären, die sich im Laufe des Tages so ergeben. Für mich stand im Vordergrund die Vorbereitung auf die M3 und die Vollständige Narkoseführung, beides war sehr gut möglich. Mein sich zufällig so herauskristallisierter Hauptmentor ging mit mir jeden Tag seine alten Lernbücher durch und simulierte Prüfungsgespräche mit Ergänzungen aus der eigenen Praxis, während ich die komplette Narkose fahren und dokumentieren durfte. Danke dafür! Im laufe des Tertials und nach gründlicher theoretischer Vorbereitung waren leitungsanästhesiologische oder neuroaxiale Verfahren unter fach- und/oder oberärztlicher Supervision möglich.
Der fakultative, in der Regel einen Monat dauernde Einsatz auf der Intensivstation ist nicht minder hoch zu loben! Für einen roten Chronotypen zwar ein noch quälenderer Dienstbeginn, nämlich 07:00, jedoch sehr lehrreich, spannend und genauso herzlich.
Man beginnt mit der morgendlichen Visite, in der man auch dazu ermutigt wird Patienten vorzustellen. Die folgende Patientenrunde besteht aus Körperlicher Untersuchung, Sichtung des aktuellen Labors, des Volumenstatus, der Drainagen, kurzum des Gesamtzustandes der oft komplexen Intensivmedizinischen Patienten. Hier hat man nicht nur die Möglichkeit sich in die Patienten einzulesen und einzudenken, sondern darf ebenfalls Hands On! Tätig werden. Untersuchen von oben bis unten ist mehrfach am Tag möglich und bringt eine solide Routine in diese Prüfungsrelevante Tätigkeit. Sono kann hier in extenso eingeübt werden. ZVK, Shaldon, Reanimationen, Bronchoskopien, you name it. Auch die eher lästigen Stationsarbeiten wie Dokumentation, Kurvenerstellung, Konsile anmelden. Nichts bleibt einem erspart, wenn man es mitnehmen möchte, um einen möglichst guten Blick auf sein potenzielles künftiges Arbeitsfeld zu gewinnen und seinen eigenen Workflow sowie sein Zeitmanagement auf die Probe zu stellen. Engagement und Lernbereitschaft werden begrüßt und mit gleicher Hingabe beantwortet wie im OP. Wenn ich mir nicht vorher schon sicher gewesen wäre, Hätte diese Abteilung mich von der Anästhesiologie zu 100% überzeugt.
Dieses enorme Vertrauen einem Studenten gegenüber, die sehr herzliche und familiäre Atmosphäre im Team und die großartige theoretische Ausbildung, machen die Abteilung für Anästhesiologie am Adolfstift nicht umsonst seit Jahren zu einem absoluten Spitzenreiter im PJ- Ranking. Ich kann dies so nur bestätigen.
Nun noch ein paar Rahmenfakten:
Einige Hospitationstage auf dem NEF sind möglich, auf diese musste ich leider aus persönlichen Gründen verzichten, die zuständigen Personen tun aber alles, um es zu organisieren, ich habe nur gutes gehört.
PJ-Unterricht ist jeden Tag außer Freitag. Hier ist jede Fachrichtung einmal vertreten. Die Internisten und Kardiologen haben zwei Slots mit dem legendären EKG-Unterricht eines der kardiologischen Oberärzte und dem sehr stimulierenden Fallseminar des Ärztlichen Direktors. Die Chirurgen haben einen Slot für Upper GI, der stets vom gleichen Dozenten gehalten wird, welcher nicht nur ein großartiger Didakt, sondern auch ein äußerst freundlicher und respektvoller Mensch ist, der jedem auf Augenhöhe begegnet und für den die Lehre sichtlich eine Herzensangelegenheit ist. Der andere Slot ist gut durchmischt und wird von seinen ebenfalls sehr freundlichen Kollegen im Wechsel belegt. Hier werden alle wichtigen allgemein- und thoraxchirurgischen Themen entweder im prüfungsnahen Fachgespräch oder auch Hands On im OP, am Patienten, oder an sich selbst aufgearbeitet. Ein weiterer Slot wird unfallchirurgisch besetzt. In diesem bringt der alte Chef der Unfallchirurgie Prüfungsrelevante Themen in Form von aktuellen Patienten auf Station und erarbeitet mit dem Plenum zusammen typisches Prüfungswissen. Die Gynäkologen und Urologen haben jeweils auch einen Slot, da sie für mich nicht so prüfungsrelevant waren, habe ich die Zeit doch lieber auf der Intensiv oder im OP verbracht, habe hier aber auch nur positives gehört. Der abwechslungsreiche Anästhesiologische Unterricht war für mich stets eine willkommene "Pflichtveranstaltung". Hier war von Prüfungssimulation, über bedside Teaching bis hin zu Hands On mit eigener Maske am Beatmungsgerät genauso viel Vielfalt wie sonst auch gegeben und für mich persönlich war es auch stets das Highlight.
Die Vergütung wurde auf 400 Euro angehoben, leider gibt es kein freies Essen, da die Kantine wegen Umbauarbeiten geschlossen wurde. In meinen Augen ein guter Kompromiss. Man kann sich etwas aus dem Convini Automaten oder aus dem Foodtruck vor dem Haupteingang ziehen, selbst mitgebrachtes ist natürlich immer am günstigsten. Kaffee gab es im OP und auf der Intensiv umsonst. Ehrensache.
Fazit: Ich bin absolut zufrieden mit meiner Wahl, bin traurig, dass es das letzte abgespeckte Tertial sein musste und fühle mich durch die Zeit exzellent auf die M3 vorbereitet. Glatte 1.
Bewerbung
Nicht nötig, da es das grandiose zentralisierte Glücksspielverfahren zur Vergabe der PJ- Plätze gibt, welches eine top Vorbereitung auf die anstehenden Bewerbungsprozesse bietet.
Es hilft das Sekretariat einen Monat bis zwei Wochen vor Start zu kontaktieren und sich anzukündigen. Wer eine Strahlenschutznummer hat, kann diese direkt mit angeben, so hat man sein Dosimeter zeitnah parat und kann auch bei den Orthobros in den Saal.