Mein chirurgisches Tertial im Universitätsspital Zürich war insgesamt eine durchwachsene Erfahrung. Obwohl die Stadt an sich wunderschön ist und die Aussicht auf ein PJ in der Schweiz verlockend war, gab es viele organisatorische und strukturelle Hürden, die den Aufenthalt weniger angenehm gemacht haben.
Organisation und erster Tag: Die Organisation war leider nicht optimal. Schon am ersten Tag war meine Ansprechpartnerin nicht vor Ort, und es gab keinen Ersatz. Zwar wurde mir eine Wegbeschreibung geschickt, aber in einem so großen Krankenhaus habe ich mich schnell verloren gefühlt. Noch dazu habe ich keinerlei digitale Einarbeitung in das Krankenhaus-System bekommen, was die Arbeit vor allem am Anfang erheblich erschwert hat. Besonders problematisch war, dass ich sehr lange auf mein Passwort warten musste, ohne das der Zugriff auf viele Systeme schwierig war.
Kosten und Bescheinigungen: In Zürich kommt hinzu, dass gefühlt alles Geld kostet. Selbst die Äquivalenzbescheinigung, die man am Ende des Tertials benötigt, schlägt mit stolzen 50 CHF zu Buche. Besonders frustrierend war, dass die Ausstellung der Bescheinigung viel Zeit in Anspruch nimmt – ein echtes Problem, wenn man das letzte Tertial macht und die Unterlagen zügig für das Staatsexamen einreichen muss. In meinem Fall wurde mein Nachname falsch geschrieben, und *ich* musste die korrigierte Version selbst an das Dekanat senden – auch das war unnötig stressig.
Lebenshaltungskosten: Zürich ist unglaublich teuer. Zwar bekommt man als PJler einen relativ hohen Lohn, aber das Studentenwohnheim allein kostet rund 700 Franken im Monat. Am Ende blieben mir gerade mal 300 Franken übrig, was für den Alltag bei Weitem nicht ausgereicht hat. Noch dazu war völlig unklar, wie viel man durch Pikettdienste oder Schichtzuschläge zusätzlich verdienen konnte – dies wurde leider nicht transparent kommuniziert.
Wohnsituation: Das Studentenwohnheim in der Vogelsangstrasse war eine echte Enttäuschung. Man teilte sich die Küche, das Bad und die Duschen mit 15 bis 20 anderen Personen, was für mich nicht nur eine Frage der Bequemlichkeit, sondern auch der Hygiene war. Die Bauqualität des Gebäudes war miserabel – man wurde ständig durch zuschlagende Türen oder die Wecker anderer Leute geweckt. Die Zimmer waren extrem klein, und die Rückmeldung, ob man überhaupt einen Platz im Wohnheim bekommt, kam erst zwei Wochen vor Beginn des Tertials. Da blieb keine Zeit, sich nach einer anderen Wohnmöglichkeit umzusehen. Ich hatte gehofft, ein Wohnheim mit eigenem Bad zu bekommen, wurde aber in das deutlich schlechtere eingeteilt.
Probleme mit dem Arbeitsvisum: Als Nicht-EU-Bürger benötigte ich für mein PJ ein Arbeitsvisum, was an sich kein Problem war. Ein Jahr im Voraus hatte ich extra nachgefragt, ob noch irgendwelche Unterlagen benötigt werden, und mir wurde versichert, dass sich das Krankenhaus um alles kümmern würde. Doch kurz vor Beginn erhielt ich eine E-Mail, dass mein Visum möglicherweise nicht rechtzeitig fertig werden würde und ich eventuell gar nicht anfangen dürfte. Diese Unsicherheit, wenige Tage vor dem geplanten Start, war extrem belastend.
Lehre und praktische Erfahrungen: Das Teaching war im Großen und Ganzen in Ordnung. Besonders in der Allgemeinchirurgie gab es motivierte Ober- und Assistenzärzte, die sich Mühe gaben. Das Team war sehr freundlich und hat mich als Teil des Teams aufgenommen, was ich sehr geschätzt habe. Allerdings beschränkten sich meine Tätigkeiten oft auf Berichte schreiben und Hakenhalten im OP. Für ein drittes Tertial hätte ich mir mehr praktische Aufgaben gewünscht.
Obwohl das allgemeinchirurgische Team gut war, sah ich hauptsächlich bariatrische Operationen und Hernien. Uns wurde zwar gesagt, dass wir nach Erledigung der Stationsarbeit auch zu anderen Operationen (Upper GI, Lower GI, Transplantationen, HBC) gehen könnten, aber die Stationsarbeit nahm so viel Zeit in Anspruch, dass das nie möglich war.
Ich war auch auf der Intensivstation und in der Viszeralchirurgie eingeteilt, später dann in der Notaufnahme. Leider war mein Aufenthalt in der Notaufnahme aufgrund meines Tertialendes am 20.09. gekürzt. Auf der Intensivstation durfte ich hauptsächlich zuschauen, konnte aber dank motivierter Assistenzärzte 1-2 Mal eine Arterie legen. Leider waren die Oberärzte weniger begeistert, dass ich solche Tätigkeiten übernehmen durfte. Ein Highlight waren die zweimal wöchentlichen Fortbildungen für die Ärzte, an denen ich teilnehmen durfte – sie waren sehr interessant und lehrreich.
In der Viszeralchirurgie gab es einmal wöchentlich Betreuung durch motivierte Assistenzärzte, die unsere Anliegen anhörten und uns spannende Fälle vorstellten, was eine wirklich wertvolle Erfahrung war. In der Notaufnahme war meine Hauptaufgabe, Anamnesen und körperliche Untersuchungen durchzuführen sowie sterile Wundversorgungsmaterialien vorzubereiten. Gelegentlich durfte ich nähen. Es war oft schwierig, die Patienten weiter zu betreuen, da ich ständig mit anderen Aufgaben beschäftigt war. Nur einmal durfte ich einen Patienten in der Notaufnahme selbstständig betreuen, was für mich im dritten Tertial definitiv zu wenig war.
Allgemein waren Ober- und Assistenzärzte waren wirklich freundlich und offen, aber es gab auch gelegentlich Situationen, in denen man spürte, dass Unterassistenten in der Hierarchie ganz unten stehen. Ein inoffizieller, jedoch unschöner Begriff in der Schweiz ist "UHU", was für "Unterhund" steht und sich abwertend auf Unterassistenten bezieht. Ein weiterer weniger angenehmer Punkt war, dass Unterassistenten in der Viszeralchirurgie einmal pro Woche früher kommen mussten, um Croissants für die Morgenbesprechung zu besorgen. Solche Aufgaben fand ich persönlich unnötig und etwas erniedrigend.
Es war jedoch nicht die Regel, dass man so behandelt wurde – viele Kollegen waren offen und bemüht, uns eine angenehme Zeit zu ermöglichen.
Fazit: Falls ihr unbedingt in Zürich euer PJ machen wollt, würde ich empfehlen, dies als erstes Tertial zu machen, da man zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel Eigenständigkeit erwartet. Ansonsten gibt es in der Schweiz definitiv andere Städte, die mehr Gehalt und weniger Ausgaben bieten. Für mich persönlich war das PJ in Zürich insgesamt überbewertet und brachte mehr organisatorischen Stress als tatsächlichen Nutzen.
Bewerbung
Weitere Infos zur Bewerbung findet ihr hier: https://www.usz.ch/bildung/aerzte/medizinstudium/chirurgie/