Notaufnahme, Pädiatrie, Allgemeinchirurgische Station
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Erfahrungsbericht
Vorneweg: meine Zeit im PJ in Mbarara würde ich nicht missen wollen.
Ich habe auch den direkten Vergleich zu den Krankenhäusern in Südafrika und Tansania. Das PJ und die Integration als Intern ist hier in Mbarara deutlich besser. Und auch als Urlaubsland ist Uganda stark unterschätzt und auch deutlich günstiger als die anderen typischen PJ-Locations in Subsahara-Afrika. Mit einer Erasmus+ Förderung ist es auch kein finanzieller Mehraufwand sein PJ hier zu machen (Flüge, Unterkunft, Leben und auch Reisen vor Ort ist abgedeckt).
Ich habe hier vor allem meinen Charakter in emotionaler und menschlicher Hinsicht durch die Erfahrungen vor Ort geschärft. Die Ungerechtigkeiten der Welt werden einem hier unverblümt vors Auge gehalten und daraus kann durchaus ein Aktivismus erwachen. Und es ist eine so wichtige Erfahrung die Versorgungsrealität von großen Teilen der Welt mal wirklich gesehen zu haben. Selbst wenn man Daten und Zahlen kennt über weltweit unterschiedlichen Zugang zu gesundheitlichen Ressourcen, ist es in der Realität noch einmal ganz anders, da hinter jeder Zahl hier vor Ort eine Frau, ein Kind, eine Person steckt, die leidet oder sogar stirbt aufgrund von unzureichender medizinischer Versorgung.
Das Arbeiten in der Notaufnahme war sehr lehrreich. Und je nach Eigeninitiative und Vorerfahrung könnt ihr hier gut im Team integriert arbeiten und werdet auch viel lernen.
Insgesamt zur Arbeit und dem Leben vor Ort hat mein PJ-Partner im vorherigen Bericht schon viel geschrieben, dem ich mich nur so anschließen kann. Vor Ort haben wir uns immer sicher gefühlt und konnten neben der Zeit in der Klinik auch dieses wahnsinnig schöne Land bereisen. Ergänzend: ihr habt ziemliche Narrenfreiheit in der Klinik. Ihr solltet die Zeit aber wirklich nutzen, um einmal in die verschiedenen Abteilungen zu rotieren. Gerade die Dermatologie, Augenheilkunde und Gynäkologie ist ziemlich gut aufgestellt. Überall seid ihr sehr herzlich willkommen und seht wie die gesundheitliche Versorgung in den unterschiedlichen Fachdisziplinen abläuft. Stellt euch einfach in den Abteilungen vor. Mit Eigeninitiative dürft ihr auch viel machen, müsst aber nicht. Die gesundheitliche Versorgung ist aber eher schleppend, da Angehörige häufig erst Material besorgen müssen, und dann die Ärzte auch vor Ort sein müssen, dass z.B eine Thoraxdrainage gelegt werden kann. An dieses Tempo muss man sich auch erstmal gewöhnen.
Mbarara ist leider typisch afrikanische Großstadt sehr voll, staubig und laut, aber es gibt ein sehr gutes Restaurant: Dangotte, gutes Gym: Ruhanda Hotel und außerordentlich gutes Gemüse und Obst beim Einkaufen auf den Märkten der Stadt. Abseits von Mbarara ist das Land wirklich so unfassbar schön. Wenige Autostunden unterschiedliche Nationalparks, Seen, Berge, Regenwald. Also auch Zeit zu nehmen für das Reisen lohnt sich sehr.
Im Folgenden will ich noch ein paar Tagebucheinträge von meinen Erlebnissen vor Ort teilen. Nicht jeder Tag war so intensiv wie in den Tagebucheinträgen. Es liegt sehr an euch, ob ihr euch diesen Erfahrungen auch aussetzt. Ich will nur zeigen, dass ein Aufenthalt sicherlich nicht für Jeden etwas ist, ABER für uns war die Zeit hier so wertvoll, dass wir es immer wieder machen würden.
Pädiatrie (hier waren die Erfahrungen besonders bewegend):
Morgens in der Frühbesprechung fragst du dich, warum ist das Neugeborene, das gestern noch völlig stabil war, heute morgen tot. Darauf gibt es dann keinerlei erklärende medizinische Antwort. Beiläufig findet der Tod in einem Nebensatz Erwähnung. Es ist nämlich nur eins von täglich im Durchschnitt 5 gestorbenen Kindern.
Hier wird vom Personal und teils auch von den Familien nicht über den Tod eines Kindes getrauert. Wenn man anfängt über ein Kind zu trauern, dann kommt man aus dem Trauern nicht mehr raus.
So wird es akzeptiert und hingenommen, dass der Intern (Medizinstudent im 6. Jahr), der seit 2 Tagen auf der Kinderstation ist, und ich die Aufnahmen der schwer kranken Neugeborenen und Säuglinge übernehmen. Ein Student aus dem 3. Semester unterstützt uns, während alle etwas erfahreneren Ärzte (die wirklich erfahrenen Ärzte sind im Office oder verdienen ihr Geld in Privatkliniken) beim Mittag, auf einer Fortbildung oder auch nach Hause gegangen sind. Ein 4-Monate alter Säugling hat einen Krampfanfall, drei Neugeborene bekommen Sauerstoff, davon eins mit dem „Verdacht auf“ eine Blutstrominfektion („Verdacht auf“ gilt hier sehr häufig, denn es gibt ja kaum Diagnostik, die etwas bestätigen könnte). Ein anderes, wenige Stunden altes Neugeborenes wiegt nur in etwa 1kg und hat ein Atemnotsyndrom. Durch die unzureichende Entwicklung seiner Lunge, kann die Lunge nicht ausreichend belüftet werden. Die Neugeborenen atmen schnell, jede Muskulatur des zarten Körpers wird dazu eingesetzt Luft in den Körper zu bekommen. Die Muskulatur zwischen den Rippen und unter den Rippen zieht sich im Kampf um Luft zusammen. Die Säuglinge stöhnen und japsen.
Die Neugeborenenstation besteht aus einem Raum, in dem sich ca. 24 Neugeborene aneinanderreihen. Sie liegen alle hier eng an eng, egal ob Hirnhautentzündung, Lungenentzündung oder sonstige schwere Erkrankung. So stecken Sie sich auch hier mit Krankheitserregern an. Ein Isolierzimmer gibt es nur für die 5 an Masern erkrankten Kinder. Die Möglichkeiten ein Frühgeborenes hier durchzubringen, sind natürlich sehr limitiert. Es gibt keine Inkubatoren. Keine invasive Beatmung. Viele lebensrettende Medikamente fehlen. Es gibt vor allem das Schema-F: Sauerstoffgabe über eine Nasenbrille, Flüssigkeit und die immer gleichen Antibiotika (bei viel zu hohen Resistenzraten) in die Vene und Nahrung über die Magensonde, dazu ein morgendliches Gebet. Wer mit Hilfe dieser Mittel nicht durchkommt, stirbt. So sterben hier täglich Kinder im ersten Lebensmonat.
Ihr werdet im Team aber mit diesen Erlebnissen nicht allein gelassen, sondern es wird mit Verständnis reagiert, wenn euch etwas "zu viel" ist oder ihr von der medizinischen Versorgung geschockt seid. Die Pädiatrie ist auch mit Abstand am intensivsten von den Erfahrungen. Das sagen euch alle Interns und Residence auch vor Ort. Ihr müsst natürlich nicht auf die Pädiatrie gehen, aber das, was ihr dort erlebt, ist leider die medizinsische Realität in vielen Ländern, vllt sogar den meisten Ländern, der Welt.
Notaufnahme:
Schon in der ersten Stunde war mir klar, auf das hier kann man sich mental nicht vorbereiten. Ich erwartete schon, dass ich viel Leid sehen werden, dem nur mit unzureichenden Ressourcen begegnet werden kann, dass Patient:innen sterben werden, die im deutschen Gesundheitssystem gut behandelt werden könnten. Allerdings ist die Realität durch die Bilder von viel Blut, viel Leid, Geschrei und Emotionen, einfach außerhalb der eigenen Vorstellungskraft. So hörte ich am ersten Tag in der Visite schon mehrmals, dass ein Patient hier liegt, weil er „assaulted“ wurde. Wo Armut herrscht, dort gibt es auch mehr Gewalt. Im Konkreten versteckt sich hinter dem Begriff „assaulted“: Glasflasche gegen den Kopf mit Hirnblutung, Stöcker gegen Kopf, Backstein gegen Kopf einer Schwangeren mit Hirnblutung, teilskalpiertes Gesicht nach Machetenangriff, offener Bauch nach Messerangriff. Hinzukommen jede Menge Motorradverunfallte, mit teils „nur“ schweren Brüchen oder tiefen Schnitt- und oberflächlichen Schürfwunden, teils aber auch sehr infausten neurologischen Schäden.
Eine weitere Woche ist ins Lande gezogen. In der Notaufnahme ist weiterhin alles beim Alten. Weiterhin viele Opfer von Gewalt und verunfallte Motorradfahrer:innen und vor allem am Wochenende auch vermehrt betrunkene, verunfallte Motorradfahrer (hier bewusst aufs gendern verzichtet). Auf diese schwerst verunfallten Patient:innen ist die Rettungsstelle nur bedingt vorbereitet. Sowohl die personellen Ressourcen sind ungenügend. Es gibt zwar jede Menge Personal aber leider nur wenig gut ausgebildetes Personal. Das universitäre Krankenhaus hat nämlich vor allem die Aufgabe Ärztinnen und Ärzte auszubilden. Während ihrer Ausbildungen kosten Ärztinnen und Ärzte gar nichts oder nur sehr wenig. Wirklich ausgebildete, erfahrene Fachärzte gibt es so gut wie keine, sodass die Rettungsstelle größtenteils von Studierenden geleitet wird. Zum Anderen mangelt es natürlich auch stark an materiellen Ressourcen. Es gibt nur 2 Monitorplätze, wo die Vitalzeichen überwacht werden können, sodass unter den ganzen Schwerstverletzten erstmal priorisiert werden muss, bei wem man als erstes mitbekommen will, wenn er/ sie sich verschlechtert. Ich habe gelernt, dass das weit verbreitetste ugandische Monitoring ist, die Patient:innen einfach immer wieder (wenn man gerade mal daran denkt) anzusprechen und zu fragen, ob alles „okay“ ist. Ein starke Zeitverzögerung in der Versorgung ist, dass Angehörige zunächst das zur Versorgung benötigte Material in der Apotheke besorgen müssen, bevor eine Therapie begonnen wird. Ausnahme: Es handelt sich um „echte Notfälle“ (ein hier seeeeehr dehnbarer Begriff). So liegen viele Patient:innen hier stundenlang mit einem Blut vollgesogenen T-Shirt um den Kopf gewickelt, damit irgendwie der zerflederte Stirnlappen noch an den Schädelknochen fixiert wird. Es sind weiterhin also echt prägende Eindrücke, auch wenn man sich mit der Zeit mehr daran gewöhnt. Wir haben nun auch einiges an Material (Nahtmaterial, Material für die Wundreinigung, Throaxdrainagen…) auf Vorrat gekauft, sodass wir hier nun schon selbstwirksamer arbeiten können. Auch in die zunächst sehr unübersichtlichen Abläufe kommen wir besser rein.
Bewerbung
ich habe mich 6 Monate im Voraus bei Sheila vom international office beworben: iro@must.ac.ug
Emails gehen gerne unter, deshalb bleibt hartnäckig und fragt mehrmals nach, auch auf WhatsApp (gängige Kommunikationsplattform hier). Die Nummer und Email-Adresse gibt es auf folgender Website: https://www.must.ac.ug/international-students/