Wer sich für ein PJ-Tertial in der MKG an der Charité am Campus Virchow entscheidet, sollte sich im Klaren sein: Das ist kein „Einsteigerwahlfach“, das man wählt, weil man „ein bisschen Interesse an Chirurgie“ hat. Dieses Tertial verlangt echtes Engagement, Eigeninitiative und Durchhaltevermögen. Wer nur passiv mitläuft, wird schnell untergehen oder am Rand stehen – wer sich aber aktiv einbringt, findet Zugang, wird eingebunden, kann viel lernen und auch selbst machen.
Der Einstieg ins Tertial war erfreulich unkompliziert. Am ersten Tag wurde ich von einem sehr netten Assistenzarzt in Empfang genommen, bekam Kleidung (mit OP-Kleidung darf man eig überall rumlaufen, Kittel nicht zwingend nötig), die nötigen Zugänge sowie eine erste Orientierung. Solche Struktur ist nicht selbstverständlich – denn im weiteren Verlauf ist man in der Regel auf sich allein gestellt. Früh um 7:30 Uhr ist bereits Visite, die Blutentnahmen sollten dann idealerweise schon erledigt sein – was je nach Patientenzahl stressig werden kann, denn als PJ-Studierender ist man meist allein dafür zuständig, Famulanten und Blockstudierende machen die nämlich nicht. Mehr Zeit auf Station verbringt man eigentlich nicht.
Im OP spielt sich dann der Großteil des Tertials ab. Hier hängt sehr viel davon ab, wie man sich einbringt und ob man es schafft, sich ins Team zu integrieren. Wer engagiert ist, wird belohnt: Ich durfte unter Aufsicht mitoperieren, Hautnähte bei größeren Operationen vollständig selbst übernehmen, nach Lappenplastiken einen ganzen Arm oder ein Bein zunähen und wurde dabei von erfahrenen Operateuren geduldig angeleitet. In ruhigen Momenten – und mit der richtigen Assistenz – ist es sogar möglich, kleinere Eingriffe vollständig durchzuführen, natürlich mit viel Hilfestellung, aber das Vertrauen und die Lernmöglichkeit, die einem hier gegeben wird, sind bemerkenswert.
Mit besonders lehrreichen und angenehmen Erfahrungen im OP sind mir Jan Voss und Steffen Koerdt in Erinnerung geblieben – beide Oberärzte, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch Lust auf Lehre haben. Bei ihnen konnte man im OP in einer Art „Mini-Prüfungssituation“ klinische Fragen beantworten, ohne sich dabei schlecht oder unter Druck gesetzt zu fühlen. Die Stimmung war dabei durchweg kollegial, manchmal flapsig – und trotzdem auf Augenhöhe. Zwar fiel auch mal das Wort „Schätzchen“, was nicht jede:r angenehm findet – aber es war für alle Beteiligten gleich und hatte nichts Anzügliches. Es gehörte eher zum familiären Umgangston im OP, der dort meist sehr angenehm war.
Der Chefarzt selbst war stets freundlich, interessiert und nahm sich die Zeit, mit Studierenden über ihre beruflichen Pläne zu sprechen. Besonders positiv ist mir in Erinnerung geblieben, dass er sich sogar gemerkt hat, wer welches Fach später machen möchte – und mir am Ende des Tertials konkrete Tipps zu Kliniken und Chefärzten gegeben hat, als ich ihm sagte, dass ich eher Richtung Unfallchirurgie oder HNO gehen möchte. Eine solche persönliche Betreuung ist absolut nicht selbstverständlich und hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Die Teamstimmung war insgesamt sehr wechselhaft. Es gab sehr nette Assistenzärzt:innen, mit denen die Zusammenarbeit angenehm war – aber auch Situationen, in denen man sich völlig abgestellt fühlte. Teilweise wurde man im OP einfach ignoriert, hatte keinerlei Ansprechpartner und fühlte sich weder als Lernende:r noch als Mensch willkommen. Besonders unangenehm war für mich die offene Stimmungsmache gegen einzelne Teammitglieder: Vor versammeltem OP-Team wurde über einen bestimmten Assistenzarzt gelästert – wiederholt und ohne Rücksicht darauf, wer gerade anwesend war. Selbst wenn die Kritik inhaltlich zutreffend gewesen sein sollte, fand ich den Umgang damit eher belastend.
Die Pflege auf Station war ebenfalls sehr durchwachsen. Es gab einzelne Pfleger:innen, mit denen man sehr gut zusammenarbeiten konnte, aber das Grundklima – insbesondere von der Leitungsebene – war eher toxisch. Besonders irritierend war der Umgangston: Wenn man etwa kurz auf Station verschnaufen wollte oder im Pausenraum einen Kaffee zog, wurde man nicht etwa freundlich informiert, dass dieser privat finanziert sei – sondern passiv aggressiv angeschrien. Auch Blutentnahmen nach langen OPs wurden mit spitzen Bemerkungen oder lauten Kommentaren gefordert, ohne dass auch nur ein Hauch von Respekt spürbar gewesen wäre. Gerade als Student:in, die sich unbezahlt und ohne feste Absicherung in dieses System einbringt, war das oft zermürbend.
Die offizielle Lehre im Tertial war leider kaum vorhanden. Es gibt keine festgelegten Unterrichtseinheiten, was für Wahlfächer wohl nicht ungewöhnlich ist. Umso wichtiger war es, sich die Lehre im OP aktiv zu holen – und hier wurde das eben auch stark davon bestimmt, wie sehr man sich ins Team integriert hatte.
Studientage stehen einem formal zu – einen pro Woche. Sie werden jedoch nicht wirklich „aktiv“ unterstützt. Wer nett fragt, darf auch mal zwei Studientage in einer Woche nehmen und die folgende durcharbeiten. Aber gerade unter hoher Arbeitsbelastung wird eher erwartet, dass man durchzieht. Ich habe meine Studientage trotzdem konsequent genutzt – weil es das Einzige war, das einem als Ausgleich zu einer sonst völlig unbezahlten Tätigkeit zusteht. Auch wurde man selten aktiv zum Mittagessen geschickt, teilweise war es gar nicht möglich, aber ich habe immer versucht immerhin diese 7€ Essensgutschein zu nutzen. Wenns mal nicht ging, war es halt so...
Gegen Ende meines Tertials wurde ich zeitweise wegen Personalmangels an den Campus Benjamin Franklin geschickt – was sich als sehr positiv herausstellte. Das Team dort war sehr offen, hat mich sofort eingebunden, mich wertgeschätzt und auch fachlich ernst genommen. Ich bekam bereits am ersten Tag Feedback dafür, dass ich mitdenke und operative Erfahrung mitbringe – ein Kontrast zu meiner Erfahrung am Campus Virchow, wo ich das erst sehr spät gespiegelt bekam. Vielleicht würde ich sogar empfehlen eher an den Campus zu gehen. Dort ist das Spektrum allerdings nicht so breit.
Fazit:
Dieses Tertial ist intensiv – in jeder Hinsicht. Es kann belastend, frustrierend, sogar emotional überfordernd sein. Aber es kann ebenso inspirierend, lehrreich und motivierend sein, wenn man sich darauf einlässt und sich aktiv einbringt. Wer sich gut integriert, kann enorm viel lernen – nicht nur zuschauen, sondern auch selbst mitarbeiten, assistieren, nähen und kleinere OPs durchführen. Man wird gefordert – und manchmal auch überfordert. Aber man wächst daran. Wer chirurgisch interessiert ist und bereit, sich anzustrengen, wird von diesem Tertial profitieren. Wer eine ruhige, strukturierte Wahlfachzeit sucht, sollte sich einen anderen Ort oder ein anderes Fach wählen.