Rorschach war meine erste Stelle im PJ und deswegen habe ich für die meisten Dinge keinen Vergleich. Doch ich kann auf jeden Fall berichten, dass ich mich vom ersten Tag an super willkommen und gut aufgehoben gefühlt habe, sowohl menschlich wie auch fachlich. Alle Mitarbeiter im Team vom Chefarzt bis zur Pflege gaben sich Mühe mir etwas beizubringen und man musste auch nicht um "doofe" Fragen verlegen sein. Zudem wurden eigene Inputs und Ideen ernst genommen und die Mitarbeit wertgeschätzt. So konnte ich trotz Corona gut in mein PJ starten.
Einführungstag:
Am ersten Tag bekamen wir in St. Gallen eine Schulung zum Klinik-Programm und anschliessend sogar das Mittagessen spendiert. Am Nachmittag dann wurde ich in Rorschach begrüsst, erhielt mein eigenes Telefon, wichtige Unterlagen etc. von der sehr lieben Chefarztsekretärin, sowie eine ausführliche Einführung durch eine UHUline, die bereits länger da war.
Stationsarbeit:
Da zwei andere Unterassistenten aus Deutschland whs. wegen Corona die Stelle frühzeitig abgebrochen hatten war ich nicht einem Assistenzarzt fix zugeteilt, sondern wechselte je nachdem wer gerade am meisten Arbeit hatte. Das war eigentlich ganz interessant, denn dadurch konnte ich unterschiedliche Herangehensweisen kennen lernen. Nach einiger Einarbeitung durfte ich dann eigene Patienten übernehmen. Das heisst man macht wie bereits in anderen Bewertungen beschrieben den Eintritt mit Anamnese und Untersuchung, schreibt den Eintrittsbericht, stellt den Patienten dem Oberarzt oder Chefarzt vor, überlegt sich das Prozedere gemeinsam mit den Ärzten, führt die Visite, führt Angehörigentelefonate, bespricht sich mit der Pflege, schreibt den Austrittsbericht usw. Die Patienten werden dann mindestens einmal täglich mit dem Oberarzt besprochen. Die Oberärzte und auch der Chefarzt nehmen sich sehr viel Zeit dazu und bauen dabei auch sehr viel Teaching mit ein. Allgemein muss man sich in Rorschach darauf einstellen, dass man sehr viel gefragt wird, egal ob während der Besprechung, bei Visite, am Morgen-Rapport oder auch zwischendurch. Dadurch kann man sich schnell unter Druck gesetzt fühlen, doch es war nie ein Problem, wenn ich mal etwas nicht gewusst habe.
Weiterbildungen nach dem Morgen-Rapport:
Jede Woche Dienstags gab es einen Journal Club. Als Unterassistent muss man auch einmal einen halten, mit eigens ausgesuchter Studie. Mittwochs wurden entweder "kleine Fälle" von interessanten Krankheiten oder Untersuchungsergebnissen vorgestellt oder praktische Seminare, bsp. zur arteriellen Blutgasanalyse gehalten. Donnerstags gab es eine Video-Weiterbildung mit St. Gallen zu verschiedensten Themen. Ca. einmal im Monat kam eine endokrinologische Fallbesprechung mit einer Endokrinologin vom KSSG hinzu.
Diagnostik:
Man konnte jederzeit bei Echokardiografien durch die Kardiologen, Gastro- oder Koloskopien oder Ultraschalluntersuchungen dabei sein, wenn man wollte. Bei etwas Eigeninitiative durfte ich auch gelegentlich "vorschallen".
Interdisziplinärer Notfall:
Nach ca. 3 Wochen Einarbeitung wird man immer abwechselnd eine Woche auf der Station und eine Woche auf dem Notfall eingeteilt. Während dem Notfalldienst beginnt man etwas später, bleibt dafür länger und arbeitet auch am Wochenende. Man ist dem diensthabenden Assistenzarzt unterstellt und darf aber eigenständig Patienten untersuchen gehen. Danach berichtet man dem Assistenten, oder wenn viel los ist direkt dem Oberarzt und diskutiert dann gemeinsam Differentialdiagnosen sowie das Prozedere. Die Zeit auf dem Notfall hat mir am besten gefallen, da der Patient noch ohne Diagnose kommt und dann durch Anamnese/Untersuchung und weitere Diagnostik häufig schon auf dem Notfall die richtige Diagnose gestellt und eine Therapie eingeleitet wird. Ich konnte trotz kleiner Patientenzahlen viele spannende Fälle sehen und dadurch sehr viel lernen. Eigentlich wäre man als UHU auf dem Notfall interdisziplinär und somit auch den Chirurgen unterstellt, doch da in meiner Zeit die OPs ausfielen übernahmen die chirurgischen Unterassistenten den chirurgischen Notfall. An den Wochenenden konnte ich dann aber doch manchmal unter Anleitung eine Wunderversorgung durchführen und bspw. eine Wunde nähen.
Die Arbeitslast war auf dem Notfall definitiv am höchsten und nach 7 Tagen am Stück war ich dann oft auch etwas erledigt.
Stimmung im Team:
Der Zusammenhalt im Team ist gross und am Mittagstisch konnte man immer angenehm plaudern. Die hierarchische Rolle als Unterassistentin habe ich nie zu spüren bekommen. Es war allerdings schade, dass man nicht wie üblicherweise sich noch nach der Arbeit zum gemeinsamen Essen oder Unternehmungen verabreden konnte. Auch im Umgang mit den Patienten fand ich es eindrücklich wie empathisch und geduldig die meisten Ärzte handelten.
Freizeit:
Rorschach ist sehr schön gelegen am Bodensee. Zu Fuss ist man in etwa 10 Minuten an der Seepromenade, wo man auch super Joggen gehen kann.
Essen oder Feiern gehen lagen Corona-bedingt leider nicht drinnen. Dafür ladet die Umgebung zum Wandern ein. Es gibt sogar ein vorgefertigtes Formular mit Wandertipps extra für UHUs. Bei mir war es noch etwas kalt dafür, aber im Sommer kann man sicher auch gut Baden gehen im See.
Personalunterkunft:
saubere, moderne Zimmer mit eigenem Bad im Zimmer, oder auf dem Flur. Neu eingerichtete Küche auf jedem Stock.
Corona- bedingte Veränderungen während meiner Zeit:
- viel weniger Patienten als normal (ca. 10-20 auf Station statt sonst wohl eher 30). Was nicht unbedingt schlecht war, da man sich dann intensiver mit den Patienten auseinandersetzen konnte und die Assistenzärzte richtig viel Zeit fürs Teaching hatten.
- keine Besuche durch Angehörige. Das war für die Patienten leider oft sehr belastend und für die Angehörigen natürlich auch. Denn es ging häufig etwas unter die Angehörigen über Veränderungen im Prozedere zu informieren, da diese ja normalerweise einfach Fragen stellen, wenn sie vorbei kommen. Deswegen versuchten wir sie möglichst telefonisch zu informieren.
- bei den Corona-Patienten konnte man meistens leider nicht mit auf Visite, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren.
- interne Weiterbildungen fanden zum Glück weiterhin statt. Später erfuhr ich hingegen, dass die monatliche Endo-Weiterbildung einmal wegen Corona ausgefallen war. Im Vergleich mit anderen Schweizer Kliniken allerdings gut zu verkraften.
- Abstand halten während dem Rapport und beim Mittagessen.
Zusammenfassend habe ich meine Zeit in Rorschach sehr genossen und habe auch viel dabei gelernt. Ich finde es sehr schade, dass das Spital wohl bald geschlossen wird.