Also grundsätzlich muss man sagen, dass ich keine besonders hohen Erwartungen an mein Chirurgie-Tertial hatte und es deshalb auch direkt als erstes machen wollte, um einfach ein bisschen in den Krankenhausalltag reinzukommen, meine Skills im Blutabnehmen und Viggos legen aufzufrischen und optimalerweise etwas nähen zu können. Soweit wurden meine Erwartungen auch erfüllt und es war definitiv ein ganz akzeptables Tertial, ohne absolute Katastrophen; ich wurde in keiner OP negativ vorgeführt oder angeschrien wie man es in PJ Berichten aus anderen Krankenhäusern liest. Allerdings muss man sagen, dass die verschiedenen Stationen mir doch sehr unterschiedlich gut gefallen haben:
Allgemeinchirurgie: hier hat es mir definitiv am besten gefallen und ich würde für diese Station die Note "1" vergeben
pro:
- super nettes, jungen Team, die einen mega nett einbinden
- regelmäßiges Teaching seitens der AÄ mit kurzen Vorträgen zu Themen eurer Wahl
- strukturierte Anleitung und dann selbstständiges Durchführen von praktischen Tätigkeiten unter Supervision (Magensonde legen, Port anstechen, Stomaversorgung, VAC-Verbände etc.)
- viele Freiheiten; es ist definitiv kein Problem, mal früher zu gehen oder später zu kommen
- im OP wird auch seitens der OÄ viel erklärt und man kann Fragen stellen, ohne dumme Antworten erwarten zu müssen. Die Stimmung im OP ist generell ganz gut, natürlich gibt es immer die eine OTA, die den PJs gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Generell darf man meistens zutackern und falls es was zu nähen gibt, auch mal zunähen.
- sehr lohnenswert ist auch die ZNA. Hier kann man sonographieren, Wundversorgung erlernen oder auch mal einen Abszess eröffnen.
- Außerdem gibt es noch einen Kinderchirurg, der regelmäßig einen PJ der ACh als erste Assistenz für kleinere OPs benötigt. Mit ihm zu operieren macht wirklich Spaß, da er einem viel erklärt und viel zutraut
contra:
- es gibt jeden Morgen viele Blutabnahmen, die PJ-Aufgabe sind. Falls man zu zweit auf Station ist, ist es gar kein Problem, aber alleine kann man schon mal länger beschäftigt sein. Auch Viggos legen ist PJ-Aufgabe. Allerdings sind die AÄ auf Nachfrage auf jeden Fall bereit, euch zu unterstützen und es schaut einen niemand schief an, wenn mal eine BE oder Viggo nicht klappt.
- lange OPs
Gefäßchirurgie: hier hat es mir am wenigsten gut gefallen
pro:
- breites OP-Spektrum. Ich hatte vorher keinerlei Berührungspunkte mit GCh und es war auf jeden Fall cool, mal eine Auswahl an OPs (Carotis TEA, Bypass, etc.) zu sehen. Da die Abteilung chronisch unterbesetzt ist, darf man auch meistens als 1. Assistenz mit an den Tisch, wodurch man zumindest einen guten Blick ins OP-Gebiet hat und als 1. Assistenz wird man auf jeden Fall aktiver eingebunden und steht nicht nur steril im Raum umher. Die OÄ bemühen sich auf jeden Fall, während der OPs auch ein bisschen zu erklären. Meistens darf man dann die Drainage annähen.
- aktuell gibt es noch einen AA, welcher wirklich super lieb ist und immer bemüht, die PJs möglich gut einzubinden
- ZNA: hier kann man ggf. mal eine Duplexsonographie machen oder Patienten klinisch untersuchen
- als PJ "darf" man alle geplanten Aufnahmen auf Station machen, was insofern ganz cool ist, dass es eine gute Gelegenheit ist, die klinische Untersuchung inklusive Fußpulse tasten zu üben.
contra:
- Blutabnahmen und Viggos sind absolute PJ-Aufgabe. Man wird von der Stationsärztin auch schon mal mit den Worten begrüßt "ahhh ein PJ, toll, dann muss ich ja gar keine Blutabnahmen machen"
- Team: viele Lästereien, miese Stimmung, absolut überarbeitet, geringes Ansehen der PJ
- kein Teaching, keine Anleitung, wenig Erklärungen (max. auf Nachfrage)
- viele und sehr lange OPs: gerade wenn man als einziger PJ auf Station ist, steht man gut und gerne mal bis 18 Uhr im OP, ohne ein Danke zu hören
Unfallchirurgie: irgendwo zwischen GCh und ACh
pro:
- einige nette AÄ, die auch bemüht um Teaching oder zumindest Erklärungen während der Visite sind. In der Konstellation macht die Stationsarbeit dann auch Spaß. Es gibt eine super nette chirurgisch-technische Assistentin, die den PJs auch viel erklärt, gerade hinsichtlich Verbandswechsel und Wundpflege, aber auch bei den Blutabnahmen/Viggos mal aushilft, falls es zu viele sind
- ZNA: wenn die Stationsarbeit erledigt ist (selten), darf man auch in die ZNA, hier kann man eigenständig Patienten sehen und sie danach mit den AÄ besprechen
- die meisten OÄ und AÄ sind bemüht um Erklärungen im OP
- eher kürzere OPs, man kann häufig auch sitzen
- Einblicke in Verbandswechsel und Fixateurpflege
contra:
- einzelne AÄ sehen in den PJs reine Blutabnahme/Viggo-, VW- und Briefknechte.
- viele Briefe, viele BEs und Viggos bei überwiegend geriatrischem Patientenkollektiv
Noch ein paar generelle Worte:
- in den 500€ sind bereits 5 Pflichdienste (4x Mo-Fr 16-23Uhr und 1xSa/So 8-18 Uhr) enthalten. Darüberhinaus werden die Dienste mit ca. 21€/h vergütet. Für jeden Dienst bekommt man einen freien Tag. Während er Dienste hilft man in der ZNA und macht BEs/Viggos auf den Stationen. Im chirurgischen Dienst darf man auch Wundversorgungen, Sono etc. durchführen
- im KH bekommt ihr Frühstück ODER Mittagessen kostenlos
- das KH stellt kostenlose Appartments mit eigener Küche und eigenem Bad. z.T. sind die Wohnungen bei Einzug doch sehr verschmutzt, also bringt besser ein paar Putzutensilien mit.
- Bei uns waren dann alle PJs im gleichen Wohnheim untergebracht und wir haben Wochenends und nachmittags viel zusammen unternommen. Ein paar Tipps: Strandbad Radolfzell, Don Alfredo in Konstanz, Goodways Coffee in Radolfzell, Segel- und Motorbootkurs bei der Wilden Flotte Radolfzell
- in ca. 40min ist man mit dem Rad entspannt am Bodensee, ein Zug fährt alle 30min und ist innerhalb von 15min in Radolfzell