Ich berichte zwar mit etwas Verzögerung aber es ist mir wichtig eine weitere Entwarnung zu geben und die extrem schlechten Bewertungen zu relativieren. Auch ich war zu Beginn nicht begeistert, nach dem Lesen dieser Bewertungen, einmal durch ganz Deutschland zu reisen, um mein PJ in Wismar zu beginnen. Doch am Ende fiel mir der Abschied sehr schwer und das komplette Team hat mir die Entscheidung, welche Fachrichtung ich einschlage nicht einfacher gemacht.
Ich war die einzige PJlerin für das Tertial in der Chirurgie und deswegen erst etwas verunsichert. Ich wurde sehr nett empfangen und auf die Stationen gebracht. Für alle Belangen gab es eine PJ-Beauftragte, die jederzeit erreichbar war und weiterhelfen konnte. Auf Station hatte ich das Glück noch von den vorherigen PJlern eingelernt werden zu können und wertvolle Tipps mitbekommen zu haben.
Wie schon in den vorherigen Berichten beschrieben ist das Tertial in zwei Abschnitte unterteilt:
1. Allgemein-und Gefäßchirurgie:
Der Arbeitstag beginnt um 7:oo Uhr mit der Visite auf Station. Die Visite wird von den Oberärzten durchgeführt und während der Visite kann man, je nach Personalbesetzung, Kartex schreiben üben unter Supervision. Im Anschluss erfolgte die Frühbesprechung mit dem Chefarzt. Manchmal mit Besprechung und Demonstration eines interessanten Falls oder Röntgenbilder. Zudem die Einteilung der PJler für OP und Station. Einmal die Woche ist Chefarztvisite, dabei wird es gern gesehen, wenn der PJler 1-2 Patienten kurz vorstellt. Dies dient als gute Übung für den Ernstfall und wird auch eher entspannt gesehen und man wird nicht angeschrien oder sonstiges, falls man etwas nicht weiß (ist mir in anderen Kliniken schon passiert). Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Tragen des Desinfektionsmittels für den Chef und Verteilung der Evaluationsbögen, aber so hat halt jeder Chef und Arzt seine Eigenheiten. Für einen PJler ging es danach meist direkt in den OP, denn bei fast allen Eingriffen war eine helfende Hand erwünscht. Dabei war es keine Seltenheit 1.Assistenz zu sein. Von Schilddrüsenoperationen, Kameraführung bei laparoskopischen und thorakoskopischen Eingriffen, Adipositaschirurgie bis zu gefäßchirugischen Eingriffen und der Whipple-OP war alles dabei. Je nach Operateur und Zeitplan konnte knoten und nähen geübt werden. Es wurde viel erklärt und man konnte jederzeit Fragen stellen. Natürlich gab es auch Operateure oder Tage, an denen nicht jede Frage sinnvoll beantwortet wurde oder der Ton auch mal etwas ruppig wurde, daher ein etwas härteres Fell und „in ein Ohr rein, ins andere Ohr wieder raus“ schadet zwischenzeitlich auf keinen Fall. Doch bei mir überwiegte der positive Anteil (wenn ich auch jetzt absolut keinen einzigen Schwabenwitz mehr hören kann :D) Ich bin super gerne in den OP und durfte gegen Ende auch einen kleineren Eingriff unter Supervision zusammen mit dem Oberarzt durchführen.
Für die Stationsarbeit gibt es ein Zimmer für die PJler mit 2 Computern, was seine Vor- und Nachteile hat. Vorteil ist die Privatsphäre, man kann auch mal kurz durchatmen und eigenständig arbeiten. Nachteil ist, dass man oft von den Assistenzärzten nichts hört und ständig telefonieren oder in das andere Zimmer laufen muss. Die Aufgaben auf Station umfassten dabei Blutabnahmen, Flexülen, ggf Hilfe oder eigenständige Verbandswechsel und Briefe schreiben und organisatorische Dinge. Als ich auf Station war, war es 1 Assistenzarzt und ansonsten nur Oberärzte. Im Verlauf wurden 2 weitere Assistenzärzte eingestellt und es fand eine Einarbeitung und Eingewöhnungszeit statt. Dadurch war der Tagesablauf etwas chaotisch und manchmal schwer einen Ansprechpartner bei Fragen oder Anliegen zu finden. Aber es gab auch sehr motivierte Oberärzte, die sich Zeit genommen haben und mit einem Krankheitsbild besprochen haben. Falls Zeit war, und der Assistenzarzt Bescheid gegeben hat, konnte man mit in die Notaufnahme oder bei Sprechstunden mitgehen. Der Stationsalltag konnte auch etwas chaotisch sein und die Menge an Briefen überwältigend, jedoch war immer Zeit für Mittagessen, das Team froh über Hilfe und ein pünktliches nach Hause gehen so gut wie immer möglich.
2. Orthopädie/Unfallchirurgie
Auf dieser Station habe ich den zweiten Teil meines Tertials verbracht und den perfekten Abschluss erlebt. Die Assistenzärzte sind superfreundlich, hilfsbereit, dankbar, kompetent und durch ein stärker besetztes Team auch insgesamt eine etwas entspanntere und ausgelassenere Atmosphäre. Fragen werden gerne beantwortet und Befunde, Röntgen, MRT oder CTs erklärt. Der Stationsalltag beginnt, wie auch auf der Viszeralchirurgie, um 7 Uhr morgens. Zuerst mit einer kleinen Frühbesprechung und OP-Einteilung. Dann erfolgt die Stationsvisite. Danach Blutentnahmen und Flexülen. Bei knapp besetzten Pflege-Team oder komplexeren Wunden dürfen die PJler die Verbandswechsel durchführen. Dies wurde zuvor von den Assistenzärzten gezeigt. Einmal zuschauen, einmal helfen und einmal machen unter Supervision. Im Anschluss dann selbständig. Auch Drainagenzug oder Fadenzug stand auf dem Programm. Weitere Aufgaben lagen im Briefe schreiben oder organisatorische Dinge, Sozialdienst klären. Morgens, während der Visite, wurden die Aufgaben für den Tag notiert und dann gemeinsam mit den Assistenzärzten abgearbeitet. Da man sich ein Arztzimmer teilte, konnte bei Unklarheiten immer nachgefragt werden. Im OP war man bei allen Eingriffen gerne gesehen und konnte zuschauen. Auch hier war ein breites Feld gegeben nicht nur orthopädisch und unfallchirurgisch auch Wirbelsäulenoperationen und einige kinderchirurgische Eingriffe. Bei Hüften und Knie-Operationen musste man dann auch ordentlich mit anpacken. Diese Eingriffe sind einfach anstrengend und oft wenig lehrreich, doch selbst dort wurde ich nicht im Stich gelassen und von einem Assistenzarzt, der meinen Struggle sehen konnte, abgelöst und durfte als 1. Assistenz weitermachen. Danke dafür! Die Operateure sind eher von der ruhigeren Art und erklären von sich aus nicht viel, aber es herrschte ein respektvoller Umgang und großes Vertrauen. So durfte ich Drainagen annähen, tackern, und bei Wirbelsäulenoperationen assistieren.
Auch in der Notaufnahme ist man gern gesehen als PJler und darf bei der Patientenaufnahme helfen, körperlich untersuchen, beim Reponieren assistieren und die ein oder andere Kopfplatzwunde nähen. Schockräume sind manchmal etwas schwierig, da die Anmeldung meist über die Oberärzte läuft, falls man aber gerne dabei sein will, lässt sich auch dies mit etwas Nachfragen organisieren.
Seminare:
Initial hatte ich nicht viele Seminare, da ich alleine als PJlerin war, jedoch im Verlauf ca 1-2x die Woche. Meist nachmittags.
Studientage:
8 zur freien Verfügung. Sie können unter Rücksprache mit den Chefärzten eingeteilt werden.
Bewerbung
Meine Bewerbung erfolgte über das PJ-Portal. Eine Unterkunft wird nicht gestellt. Ich habe mich beim Studierendenwerk Wismar/Rostock gemeldet und für den Zeitraum ein Studentenzimmer im Wohnheim bekommen. Dies ist von der jeweiligen Studentenzahl und Wohnungsangebot abhängig. Auch sind nicht alle Wohnheime zu empfehlen. Aber mit etwas Recherche findet sich eine Unterkunft.
Ein Fahrrad ist auf alle Fälle empfehlenswert, da kleinere Besorgungen bis hin zum Tagesausflug damit gut zu machen sind.
Wismar ist ein schönes Städtchen und der Tourismus macht es für ein PJ sehr attraktiv. Es gibt ein großes Freizeitangebot, auch Wassersportbegeisterte kommen vollsten auf ihre Kosten. Die Lage zwischen Rostock und Lübeck lädt am Wochenende zu Tagesausflügen ein und ich hab die Zeit an der Ostsee sehr genossen.