PJ-Tertial Innere in Berner Klinik (5/2022 bis 9/2022)
Station(en)
Medizin
Einsatzbereiche
Station
Heimatuni
Koeln
Kommentar
Ich habe mein Tertial im Sommer in der Inneren Medizin in der Berner Klinik Montana in Crans-Montana gemacht und kann es definitiv weiterempfehlen.
Crans-Montana ist ein kleiner Ort im zweisprachigen Kanton Wallis in der Schweiz (Französisch und Deutsch).
Zur Klinik:
Die BKM ist eine Rehabilitations-Klinik. Neben der Inneren Medizin gibt es hier auch eine neurologische und eine psychosomatische Abteilung. In der Inneren gibt es eine große Bandbreite an Fällen, von rheumatischen Erkrankungen, onkologischen Erkrankungen über Post-Covid-Fälle bis hin zu orthopädischen Fällen (Knie-TEP, Hüft-TEP etc.). Der Tag beginnt mit der Übergabe von Pflege an Ärzt*innen und Therapeut*innen, anschließend gibt es die Morgenbesprechung mit dem gesamten ärztlichen Team (auch Neuro und Psychosomatik) an welche Fortbildungen, Journal Clubs und Fallbesprechungen/Bedside-Teachings anschließen. Danach geht es immer erstmal in die Cafeteria zum gemeinsamen Kaffee trinken. Anschließend erfolgt 2x/Woche die Visite mit dem/der Kaderärzt*in, 1x/Woche die Assistenzarztvisite. Nachmittags nimmt man Eintritte auf (Anamnese, Untersuchung, Vorstellung und gemeinsame Eintrittsvisite mit dem/der Kaderärzt*in), schreibt Briefe und Verlängerungsanträge an die Krankenkassen. Die Arbeitszeiten sind von 8- ca. 18 Uhr (auch früher oder später, je nach Arbeit) mit Mittagspause von 12-14 Uhr. Man hat die Möglichkeit, im Krankenhaus für 7 (Hauptspeise) - 10 (Menü) CHF ausgesprochen lecker zu essen, immer auch mit vegetarischer Option.
Zum Ort:
Crans-Montana ist ein sehr schöner kleiner Skiort, im Sommer bekannt für Fahrrad fahren, Golfen und Wandern. Man hat die Möglichkeit, ein Zimmer im Wohnheim "Grenouilles" direkt neben der Klinik zu mieten. Als Unterassistent bekommt man die Miete sogar erlassen. Hier lässt es sich wirklich gut leben. Auch die meisten der anderen PJler*innen, Therapeut*innen, Ärzt*innen und Pfleger*innen leben hier. Meine Freundin und ich waren so gut wie jedes Wochenende in der Gegend um Crans Montana oder der Umgebung wandern. Man kann mit dem Auto nach Genf, zum Genfer See, Zermatt, Leukerbad und andere wunderschöne Orte fahren, es gibt viele tolle Wanderrouten und andere Dinge zu sehen.
Zur Sprache:
Der Kanton Wallis ist zweisprachig (Französisch und Deutsch). Allerdings liegt die BKM im französischen Wallis. Einige Patienten sprechen (schweizer-)deutsch und auch viele der Ärzte und ein paar Pfleger-/innen verstehen Deutsch. Zu circa 70% sprechen und verstehen die Patienten ausschliesslich Französisch. Viele Arztbriefe, die man erhält, sind auf Französisch geschrieben. (Hier kann man den "DeepL" Übersetzer empfehlen, der relativ fehlerfrei übersetzt). Ich würde aber sagen, wenn man gar kein Französisch spricht, kann man nicht so gut mithelfen und wird auch in der Kommunikation mit der Pflege frustriert sein. Diese Arbeitsstelle ist allerdings perfekt geeignet, um französisch zu lernen, da es ein zweisprachiger Kanton ist, viele Deutsch verstehen und daran gewöhnt sind, dass jemand nur deutsch kann. Wenn man also eine minimale Basis in Französisch besitzt und die Sprache lernen möchte, kann man sich schon irgendwie verständigen und nach ein paar Wochen wird man deutliche Fortschritte machen!
In einer Rehaklinik zu arbeiten fand ich sehr interessant, da ich Chirurg werden möchte und man weder im Studium noch in Famulaturen oder chirurgischen Praktika die Möglichkeit hat, mal den postoperativen Verlauf der Patienten für mehrere Wochen zu sehen. Wie die Patienten trainieren und täglich Fortschritte machen, ist schön mit anzusehen und gibt einem auch ein tiefgreifenderes Verständnis für unser Gesundheitssystem.
Es hat mich extrem weitergebracht, eine Station nach einer Einarbeitungszeit selbstständig zu managen (Eintritte, Austritte, Diagnostik, Therapien, Briefe schreiben, Verlegungen zu entscheiden und zu organisieren). Man hatte noch die Supervision des Kaderarztes, sodass man fragen konnte, wenn man sich bei einer Entscheidung nicht sicher war. Man war direkt ein Teil des Teams und konnte mithelfen. Man wurde nicht für Botengängen oder Blutabnahmen abgestellt, wie es in Deutschland oft passiert, sondern man arbeitet quasi als Assistenzarzt und konnte dadurch extrem viel lernen. Meistens war aber noch ein Assistenzarzt da, mit dem man fast gleichgestellt zusammen arbeiten konnte und der stets sehr hilfsbereit und nett war. Das Team war insgesamt toll, die Kollegen, sowohl Ärzte als auch Pflegende waren immer super nett, verständnisvoll und kompetent.
Alles in allem würde ich das Tertial jederzeit weiterempfehlen, ausser man strebt eine Karriere in der Inneren Medizin an, denn Notfälle gibt es nicht viele in einer Rehaklinik und die Diagnostik ist auf körperliche Untersuchung, Labor, Röntgen und Konsile beschränkt.
Sonstiges/ Formalien/ Gehalt:
Man sollte beachten, dass man ab 3,5 Monaten Aufenthalt in der Schweiz eine Schweizer Krankenversicherung abschliessen muss (bei Helsana ca. 250 Franken im Monat!), die man bei der Gemeinde im Ort nachweisen muss. Seine deutsche KV darf man nicht kündigen oder pausieren, sonst wird man exmatrikuliert. Bei der Gemeinde muss man sich auch eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, welche auch noch mal eine Gebühr von über 50 Franken verschlingt. Meine Freundin und ich sind aber für das ganze Jahr in der Schweiz. Ich denke, wenn man nur ein Tertial oder sogar nur ein halbes in der Schweiz macht, kommt man um diese Formalien auch herum.
Man bekommt in der Schweiz zwar ein deutlich höheres Gehalt als in Deutschland, die Lebenshaltungskosten verzehren diesen Vorteil allerdings auch wieder. Für mich ist es den Aufwand trotzdem wert, da man viel besser ausgebildet wird und sich nach dem PJ wirklich sichererer in seiner ärztlichen Kompetenz fühlt. Zudem hat man in der Schweiz allgemein ein top Gesundheitssystem, eine wunderschöne Natur und meist ein traumhaftes, nicht so hierarchisches Arbeitsklima.
Bewerbung
Die Bewerbung hat circa ein Jahr im Voraus geklappt, eventuell würden auch kürzere Zeiten für ein Tertial im Sommer funktionieren. Im Winter ist es wahrscheinlich schwieriger, da Crans Montana als Skigebiet bekannt ist.
