Zur fachlichen Vorbereitung empfiehlt sich ein aktuelles „Advanced Trauma Life Support“-Manual sowie das Trauma Manual der Johannesburger Trauma Units, das einem per Mail nach der Anmeldung zugesendet wird. Man sollte bedenken, dass man hier in Johannesburg als „Intern“ arbeitet und sehr viel Verantwortung bekommt. Umfangreiche Vorerfahrungen in Traumaversorgung, Chirurgie, Notfallmedizin und Intensivmedizin sollten also vorhanden sein, um etwas mitzunehmen und sicher arbeiten zu können (z. b. durch Famulaturen oder Vorausbildung). Ein gutes Medical English ist zudem Pflicht! Folgende Fähigkeiten sollten mindestens sicher sitzen:
• Monitoring, körperliche Untersuchung
• Schema der Trauma-Versorgung nach ABCDE (ATLS)
• Reanimationsmaßnahmen/ -ablauf
• IV-Zugang, Infusionsvorbereitung, Blut abnehmen
• Arterielle Blutentnahme (femoral, radial) + Interpretation von Blutgasanalysen
• Einfache Röntgenbefundung (Thorax, Extremitäten)
• Wundnähte
Weitere Kenntnisse wie Sonographie (eFAST), ZVKs etc. sind hilfreich und wünschenswert. Zudem ist die Arbeit im Bara häufig sehr fordernd und emotional wie physisch belastend. Man sollte sich also sicher sein, dass man das wirklich will und den Herausforderungen psychisch gewachsen ist. Auch deshalb ist Vorerfahrung wichtig, denn schwerverletzte, sterbende und tote Menschen gehören hier zum Alltag (ich habe in meiner Zeit mindestens 30 Menschen sterben sehen, in manchen Nächten waren es 3 oder 4 am Stück). Das ist nicht der Ort, um das erste Mal einen Menschen sterben zu sehen! Nehmt euch bitte vor einer drohenden Posttraumatischen Belastungsstörung in Acht. Im Bara hat es sich in so einigen Nächten angefühlt als wäre man mitten in einem Kriegsgebiet, nicht umsonst schicken Bundeswehr und andere europäische Armeen regelmäßig Ärzte und Sanitäter zur Ausbildung in die Bara Trauma Unit.
Folgendes solltet ihr einpacken:
• Scrubs (können auch vor Ort erworben werden)
• Kopflampe (ab und an Stromausfall, vor allem bei Wundnähten etc. die einzige vernünftige Lichtquelle)
• Stethoskop, Stauschlauch, schwarze Stifte, Pupillenleuchte
• Bauchtasche (Organisation Material, da alles verstreut liegt)
• Pflasterrollen, Stopfen für Infusionsleitungen/ Kanülen (Luer-Lock), Desinfektionsmittelfläschchen für die Kitteltasche
Grundlegender Aufbau und Patientenspektrum:
Das Chris Hani Baragwanath Academic Hospital (CHBAH) ist mit 3.400 Betten das drittgrößte Krankenhaus der Welt und sowohl das größte Krankenhaus Afrikas als auch der südlichen Hemisphäre. Trotzdem ist es bei weitem nicht mit einem deutschen/ europäischen etc. Super-Krankenhaus vergleichbar. So sind etwa praktisch alle Stationen in einstöckigen, länglichen alten Häusern untergebracht – ein Haus pro Station – und die „Krankenhausgänge“ zwischen den Stationen sind draußen und notdürftig mit Wellblech als Regen- und Sonnenschutz überdacht.
Zuerst muss man zu Südafrika drei wichtige Dinge wissen:
1. In Südafrika gibt es eine klare Trennung zwischen öffentlichem Gesundheitswesen (3. Welt-Standard) und privatem Gesundheitswesen (1. Welt-Standard). Dies erstreckt sich auf kleinere Clinics (ähnlich erweiterten Hausarztpraxen) genauso wie auf alle Krankenhäuser, von den kleinen bis zu den ganz Großen wie dem Bara. Für Privatversicherte gibt es eigene Clinics, eigene Rettungsdienste und eigene Krankenhäuser. Zwischen angewandten Standards, Ausstattung, Gebäuden und Trainingsstand des Personals liegen Welten. Dafür werden hier auch die Ärmsten fast kostenfrei im staatlichen Gesundheitssystem versorgt.
2. Es gibt große Unterschiede zwischen städtischem und ländlichem Raum und sehr weitläufige, fast schon wilde, Gebiete. Die Versorgung der Menschen wird hier fast ausschließlich von Clinics gewährleistet, die Patienten dann anschließend weiterverlegt. Da für nicht-privatversicherte Patienten praktisch keine Hubschrauber zur Verfügung stehen bedeutet das häufiger, dass die Patienten häufiger auch über weite Strecken und mehrere Stunden per Road ambulance verlegt werden.
3. Selbst wenn Ressourcen häufig irgendwo vorhanden sind, fehlt es doch massiv an Organisation. Das betrifft die Bestellung von Medizinprodukten und Medikamenten, die Dienstplanung, Lenkung von Patientenströmen und Organisation der Materialien in der Trauma Emergency Unit selber. Folge ist häufig ein heilloses Chaos und die Unmöglichkeit wichtige Materialien zeitnah zu finden – manchmal sind Dinge wie sterile Tücher, Kompressen oder Nahtsets auch einfach gar nicht verfügbar. Dazu kommt eine typisch (süd-) afrikanische gelassene Einstellung, die ihre Auswüchse auch darin schon mal haben kann, dass die Schwestern sich noch in Ruhe lautstark unterhalten, während der gerade intubierte Patient aufwacht und panisch auf den Tubus beißt – bis eine der Schwestern nach über 15 Minuten endlich mal etwas Midazolam aufgezogen hat. Daran muss man sich gewöhnen – und nach einiger Zeit tut man das auch und passt sich an.
Ich habe in der Trauma Emergency Unit (TEU) ausschließlich Nachtdienste (12-14 Stunden) gemacht. Normal sind aber 12-28 Stunden pro Dienst bei unterschiedlichsten Dienstmodellen.
Aufgeteilt ist die TEU in die PIT (normaler Notaufnahmebereich, hier arbeiten nur Interns - vergleichbar mit PJlern, aber meist schlechter praktisch ausgebildet als deutsche Medizinstudenten) und den Resus (vergleichbar einem Schockraum, allerdings mit 14 Betten, die meisten mit Beatmungsmöglichkeit).
Arbeitsalltag und Erfahrungen:
Angefangen habe ich die Nachtdienste meist um 19 Uhr und gingen dann mit Übergabe am nächsten Morgen etwa bis um 8. Nach seiner Ankunft macht man sich erstmal arbeitsfertig (Schutzbrille auf, Maske bereit und Stethoskop sowie Bauchtasche umgeschlungen) und verschafft sich einen Überblich, wo man gebraucht wird und helfen kann. Manchmal ist im PIT mehr los, manchmal wird man im Resus gebraucht. Man arbeitet meist anfangs in der PIT und mit der Zeit dann immer mehr im Resus. Ab und an kann man bei Interesse auch mitoperieren (nachts eher selten, wenn man nicht unbedingt will und das eher nebenbei mitnimmt, dafür dann aber super spannende Sachen wie Notfallthorakotomien und Notfalllaparotomien bei Stich- und Schussverletzungen).
In der PIT besteht die Arbeit im Ansehen von Patienten, Untersuchungen, Dokumentation, Röntgenbilder anordnen und ganz ganz vielen Wundnähten. Abhängig vom Erfahrungsstand muss man hier auch häufig die Triage mit übernehmen. Ebenfalls häufig in der PIT (aber auch ab und an im Resus) ist das selbstständig durchgeführte Scrubdown bei Verbrennungen und Verbrühungen. Hierbei spritzt man den Patienten nach entsprechender Vorbereitung (IV-Zugang, Infusion, Sauerstoffmaske, Monitoring) Ketamin zur prozeduralen Sedierung und schrubbt ihre verbrannte Haut dann mit Kompressen und semi-sterilem Seifenwasser ab. Nach Fotodokumentation mit dem Handy (vergisst man das gibt’s Ärger!) verbindet man die Patienten mit Paraffingaze und nimmt sie entweder auf oder entlässt sie nach Hause – ganz nach Größe der Verbrennungen.
Im Resus: Kommt ein neuer Patient wird (soweit der Patient stabil ist) ein LODOX (Ganzkörperröntgen) durchgeführt, dann folgen IV-Zugang + ABG/ VBG, Monitoring, eFAST, ggf. Blasenkatheter und Festlegung eines Plans (Thoraxdrainage, ZVK, Röntgen, Wundnähte, CT, Intubation, OP...) zusammen mit Registrar oder Consultant. Im Verlauf dokumentiert man dann eigenständig (komplett auf Papier), kümmert sich um Anmeldung von Diagnostik, macht CT-Transporte/ Wundnähte/ Thoraxdrainagen/ medikamentöse Therapie etc. Meist wird hier trotz schwerster Verletzungen leider nicht als Team gearbeitet, sondern man hat alleine oder zu zweit plötzlich einen Schwerverletzten und muss alles eigenhändig machen.
Der Lernerfolg ist definitiv sehr groß, gerade invasive Maßnahmen kann man hier sehr gut erlernen und verfeinern. In meinen 8 Wochen bin ich auf knapp 100 Wundnähte, 11 Thoraxdrainagen und 6 ZVKs gekommen, dazu eine Unzahl von großlumigen Zugängen, arteriellen BGAs, Blasenkathetern und etwa 60-80 eFAST-Untersuchungen.
Umfeld, Freizeit:
Seid ihr in Südafrika besucht bitte unbedingt für ein paar Tage oder länger Kapstadt (Flüge gibt es pro Strecke für ca. 60 Euro) und einen Nationalpark (z. B. Kruger oder Pilanesberg). In Johannesburg selber kann ich zur Entspannung zwischendurch das Kliprivierspark Nature Reserve und Monte Casino empfehlen. Aber informiert euch einfach vor Ort in eurer Unterkunft und bei anderen Gastärzten/ -studenten, letztendlich sollte man nicht wegen dem schönen Land (und das ist es abseits von Ungleichheit und Gewalt wirklich!) nach Johannesburg gehen, sondern für die Erfahrung, die einem kriegsmedizinischem Umfeld ähnelt. Wer sich allgemein für Südafrika interessiert und etwas vom Land sehen will sollte es eher in Kapstadt versuchen.
Allgemein ist jederzeit zur Vorsicht geraten, Johannesburg ist in den falschen Stadtteilen (v. a. Soweto, Alexandra, Hillbrow) eine sehr gefährliche Stadt. Überfälle sind häufig und werden mit extremer Gewalt und praktisch immer Stich- oder Schusswaffen durchgeführt. Die Folgen lassen sich dann in der Trauma Unit bewundern. Öffentlicher Nahverkehr existiert nicht, Laufen und Radfahren sind lebensgefährlich. Um von A nach B zu kommen also unbedingt den Mietwagen nehmen.
Fazit:
Ich glaube, ich habe jetzt schon viel geschrieben, deshalb ganz kurz: Für mich war es definitiv die richtige Entscheidung ans Bara zu gehen. Überlegt euch das aber bitte vorher gut: Die Arbeitsbelastung ist gewaltig, das Traumatisierungspotential hoch und man sieht so viele sterbende Menschen wie wohl nie wieder in seinem Leben. Wollt ihr schwerste Verletzungen sehen und behandeln, werdet ihr hier eine Menge lernen – und nebenbei häufig ein Gefühl haben mitten in einem Kriegsgebiet zu sein. Solltet ihr euch nicht sicher sein, nicht schon relativ viel gesehen haben und Probleme haben emotional gut mit so etwas umgehen können, kann ich euch nur abraten von dieser Rotation.
Unterkunft:
Ich habe bei Christin Louakis gewohnt, einer ehemaligen Lehrerin, die eine Art Pension/ WG für ausländische Gastärzte und Gaststudenten betreibt (die Meisten sind ebenfalls in der Bara Trauma Unit. Ich kann diese Unterkunft aus den verschiedensten Gründen wärmstens empfehlen. Christin ist sehr freundlich und bietet einem ein Rundumpaket, kümmert sich bereits im Vorfeld für einen um Mietwagen, Sim-Karte fürs Handy und ähnliches, organisiert einem Schichten im Rettungsdienst und auf dem Rettungshubschrauber (beides Netcare) und organisiert zudem meist wöchentlich internationale Abende mit gemeinsamem Kochen oder Pizza backen. Zudem hat man durch das Zusammenwohnen mit anderen Gastärzten und Gaststudenten direkt Anschluss, Jemanden der einem das Krankenhaus zeigt und einen einweist sowie Leute zum Reden nach einem belastenden Dienst oder für gemeinsame Freizeitaktivitäten.
Kostenpunkt: Monatlich etwa 7.500 Rand (415 Euro)
Beworben habe ich mich etwa eineinhalb Jahre im Voraus über die University of the Witwatersrand (Wits) in Johannesburg. Einzelheiten zum Bewerbungsprozess findet ihr auf deren Webseite (s. u.). Wichtig ist es alle Formulare vollständig auszufüllen und sich genau an die vorgeschriebenen Schritte zu halten. Etwa 6 Wochen nach Absendung der Bewerbung hatte ich dann die Zusage in meinem Mailpostfach. Anfallende Studiengebühren (8.000 Rand pro Monat, etwa 440 Euro) können am Einschreibungstag an der Wits University per Kreditkarte gezahlt werden. Bei einem PJ muss im Vorfeld der Bewerbung unbedingt erst Kontakt mit dem PJ-Büro aufgenommen werden, um eine Anerkennung zu gewährleisten.
Flüge (ich habe mit Lufthansa ca. 1.000 Euro bezahlt) und Unterkunft sollten ebenfalls so weit im Voraus wie möglich gebucht werden.