Generell: Das Mitchell's Plain Hospital ist ein großes, neues Krankenhaus, das 2010 eröffnet wurde und sich in Mitchell's Plain befindet. Es fungiert als Sekundärkrankenhaus und überweist nur komplizierte Fälle, wie z.B. Hämatokono-Patient*innen, an das Groote Schuur Hospital. Es scheint als ob, es ein "unsicheres" Krankenhaus ist, aber ich kann dies absolut nicht bestätigen. Wenn man von der Autobahn N2 kommt, erreicht man das Krankenhaus fast direkt und muss nicht durch Mitchell's Plain fahren. Ich habe mich hier immer sicher gefühlt, da allgegenwärtig Sicherheitsleute präsent sind (vor allem in der Notaufnahme).
Start: Dr. Crede ist der Chefarzt der Inneren Medizin und gut per E-Mail erreichbar. Vor dem Start kannst du ihm schreiben, und er wird dich bitten, am ersten Tag in sein Büro zu kommen. Er hat mir eine kleine Tour durch das Krankenhaus gegeben und mich dann meinem Team übergeben. In Mitchell's Plain funktioniert die Klinik nicht über Stationen, sondern über sogenannte "Firms". Es gibt die Firms A - E, die alle 5 Tage Patient*innen in der Notaufnahme aufnehmen, und diese werden dann auf die vier Stationen der Inneren verteilt. Das bedeutet, dass eine Station in der Regel von allen 5 Firms betreut wird. Jede Firma besteht normalerweise aus einem MO (Medical Officer) und einem Register (fortgeschrittener Assistenzarzt*in), einem Intern (fertige Ärztin/Arzt der erst eine Rotation von 3 Jahren durchlaufen muss bevor er/sie sich spezialisieren kann) und Studierenden aus dem 4. und 6. Jahr.
Die Stationen sind generell auf einem fast deutschen Standard und meist gut ausgestattet. Es gibt vier Sechs-Bett-Abteilungen und vier Isolationszimmer, und auf 2 Stationen gibt es ein Arztzimmer. Ansonsten schreiben die Ärztinnen an den PCs im Flur oder am Schwesternstützpunkt. Die Kleiderordnung ist hier tatsächlich völlig egal, du kannst im Kasak kommen oder auch ein Kleid tragen. Die Ärzt*innen tragen hier alles Mögliche, es gibt keine Vorgaben.
Inhaltlich: Ich habe direkt mit einem sogenannten "Intake Call" in der Notaufnahme begonnen. Dies passiert alle 5 Tage, und man sieht die Patient*innen, die von den EC-Ärzten (Emergency Center) als Innere-Patienten gelabelt wurden. Wichtig ist, dass man auch Patientinnen der Psychiatrie und Neurologie zugewiesen bekommt, und daher sieht man sehr viele Schlaganfälle und epileptische Anfälle (Claimer: du solltest keine zu große Aversion gegen Neuro haben!). Die Notaufnahme ist absolut herausfordernd und lehrreich. Hier kann man sich selbst einen Patienten nehmen, die Anamnese erheben, untersuchen und einen Plan erstellen. Das Ganze bespricht man dann mit dem Register und führt gegebenenfalls die Untersuchung selbst durch. Neben Blutentnahmen gehören auch z.B. verschiedene Punktionen (z.B. Pleura, Aszites, Lumbalpunktion) zu den Aufgaben. Wenn du hier Innere Medizin machst, werden Einmalkatheterisierung und femorale Punktionen zum Kinderspiel. Beim "Intake Call" bleibt man oft sehr lange, ich bin meistens bei Sonnenuntergang gegangen, da Mitchell's Plain dann möglicherweise unsicher wird. Am nächsten Morgen gibt es die "Post Intake Ward Round", bei dem man seine Patient*innen den Consultants vorstellt und den Behandlungsplan bespricht. In dem Rahmen findet auch sehr viel teaching statt, und man kann Fragen stellen. Den Rest des Tages erledigt man dann die anfallenden Aufgaben. Die folgenden Tage versucht man so viele der Patientinnen wie möglich zu entlassen, bevor dann in 4 Tagen wieder "Intake Call" ist. Manchmal scheint alles etwas schleppend und langwierig zu sein. CTs dauern ewig, MRTs gibt es gar nicht, und eine Sonographie wird nur von einer geschulten Person durchgeführt! Da ich mein gesamtes Inneres Medizin-Tertial in Mitchell's Plain gemacht habe, habe ich organisiert, eine Woche lang nur beim Sono zu sein, was auch sehr bereichernd war, da alle Abteilungen durch diese eine Person versorgt werden, so dass man auch chirurgische, pädiatrische und gynäkologische Fragestellungen sieht.
Im Hinblick auf Krankheitsbilder, Diagnostik und Therapie ist der Fokus definitiv anders als in Deutschland, da hier immer Tuberkulose als Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden muss und verschiedene diagnostische und therapeutische Mittel gar nicht zur Verfügung stehen oder die Südafrikanische Leitlinien anders sind. Somit lernt man vielleicht auch Irrelevantes für den deutschen Klinikalltag oder das M3, aber insgesamt denke ich, dass es für das ärztliche Dasein eine einmalige Erfahrung ist!!!
Grundlegend ist man sehr in das Team eingebunden und alle arbeiten eng miteinander. Man betreut eigene Patientinnen und fühlt sich nützlich, wertvoll und geschätzt. Man sieht und lernt jeden Tag etliches, vor allem extrem Fälle von Herzversagen, exazerbierter COPD, HIV, TB und alles Mögliche, was man sich vorstellen kann. Obwohl es manchmal wirklich sehr belastend war, habe ich jeden Tag geliebt und bin super gerne in die Klinik gegangen.
Lehre: Generell ist es empfehlenswert, sich den 4th und 6th year students anzuschließen und ihre Tutorials zu besuchen (jeweils 3x die Woche = 6x Bedside Teaching). Sie sind immer äußerst nützlich und wertvoll. Zudem gibt es mittwochs noch ein großes Teaching für alle, meistens von einem Consultant vom Groote Schuur Hospital, das einer Art Vorlesung gleicht. Mittwochs oder donnerstags gibt es auch noch Neuro- und Infektio-Teaching, bei dem ein Consultant des Groote Schuur Hospital ebenfalls Patientinnen bei einer 1 Stüdnigen ward round mit allen bespricht. Man kann immer alles fragen, jeder ist super gewillt, einem etwas beizubringen, egal ob Intern oder Consultant.
Sonstiges: Die Kommunikation im Team erfolgt über WhatsApp und Trello! Es ist super gut, aber gewöhnungsbedürftig. In der Cafeteria gibt es verschiedene Mahlzeiten zu erschwinglichen Preisen. Man braucht ein Auto! Man kann versuchen, sich an andere anzuhängen, aber das kann einen selbst super limitieren. Auf keinen Fall bei Nacht von oder nach Mitchell's Plain fahren! Fehltage kann man sich unter Absprache mit den MOs / Registern frei wählen.
Wohnen: Ich habe in einer Langzeitmiete in der City Bowl gewohnt. Ich kann jedem nur empfehlen, nicht nach Observatory zu ziehen, sondern eher in der City Bowl oder Sea Point nach einer Unterkunft zu suchen, da es dort einfach viel schöner ist! Von hier aus ist es auch direkt und einfach, auf die N2 zu kommen und nach Mitchell's Plain zu fahren!
Freizeit: Wenn man sein Tertial in diesem Krankenhaus macht, hat man eher weniger Freizeit, da man meistens bis ca. 16 Uhr in der Klinik ist. Dennoch bietet Kapstadt so viel, dass eine detailierte Darstellung hier den Rahmen sprengen würde!
Fazit: Eine Überraschung und absolute Empfehlung. Ich habe wenig erwartet und hatte Innere einfach nur auch in Kapstadt machen wollen, da ich nicht "nur 8 Wochen" Allgemeinchirurgie im Ausland machen wollte. Meine Erwartungen wurden übertroffen, und ich bin sehr dankbar für die tolle Zeit in diesem Krankenhaus.
Als Warnung: Wenn du große Bedenken bezüglich TB, HIV etc. hast, solltest du wissen, dass die Hygiene und präventiven Maßnahmen eher spärlich sind!
Bewerbung
Ich hatte mich gegen November 2020 beworben. Ich glaube insgesamt ist das Mitchell's Plain Hospital eher weniger gefragt (= underrated treasure!!!!) und man auch gut kurzfristier einen Platz bekommen!