8 Wochen Onkologie (Liste der möglichen electives an den Lehrkrankenhäusern der UCL: https://www.ucl.ac.uk/medical-school/study/undergraduate/visiting-student-electives):
Der Alltag:
Das Patientenkollektiv auf der onkologischen Station ist geprägt von Tumor- und Therapie-bedingten Komplikationen, beispielsweise neutropener Sepsis, Hyperkalzämie und Immuntherapie-bedingter Kolitis. Die Visiten werden von consultants geführt, während die junior doctors dokumentieren und sich im Nachhinein um das Abarbeiten der dort angefallenen Aufgaben kümmern. Diese Dokumentation kann man patientenweise übernehmen und gelegentlich auch mit den consultants gemeinsam das weitere Vorgehen erarbeiten, in meinem Fall war das allerdings selten. Praktisch ist man in England als Medizinstudent*in wenig involviert, viele Dinge wie Blutentnahmen, Zugänge legen und EKG schreiben werden von idR Pflegepersonal übernommen.
Man kann frei in die Sprechstunden der jeweiligen consultants rotieren, die an soliden Entitäten einiges zu bieten haben. Die Patient*innen werden kurz gemeinsam besprochen und man kann all seine Fragen stellen, während des Gesprächs ist man auch hier in der Regel eher stiller Zuhörer, kann aber auf Nachfrage bei Follow-up-Terminen Teile des Patientengesprächs übernehmen.
Ein Unterschied zu Deutschland: Die onkologische Abteilung setzt sich sowohl aus den medical oncologists und den clinical oncologists, also den Strahlentherapeuten, zusammen. Falls man Interesse an der Radioonkologie hat, hat man zahlreiche Möglichkeiten an Aufklärungen und Nachsorgen teilzunehmen. Auf Nachfrage konnte ich für einen Tag in die Bestrahlungsplanung und an die Linearbeschleuniger rotieren.
Es gibt einmal wöchentlich ein Lunch-Seminar für Ärzt*innen der ersten zwei Jahren aus allen Abteilungen (das heißt auch die Themen sind fachübergreifend) und des weiteren eine Onkologie-interne Fallkonferenz.
Stärken:
- Die fachliche Kompetenz der registrars und consultants war beeindruckend, man lernt die modernsten Therapiestandards hier wirklich von Experten. Ebenso interessant und inspirierend war es, die unterschiedlichen Gesprächsführungen mit onkologischen Patient*innen kennenzulernen, was sicherlich hilfreich ist um einen eigenen Stil für sich zu finden.
- Der Umgangston war ohne Ausnahme sehr freundlich, jedes Teammitglied der Pflege und Ärzteschaft hat einen herzlich aufgenommen. Die meisten Ärzt*innen waren sehr bemüht, mir möglichst viel beizubringen. Mit den consultants konnte man in der Regel die Patient*innen nachbesprechen und seine Fragen stellen, einige junior doctors haben sich tatsächlich Zeit für 1:1-Teaching mit mir genommen, wofür ich sehr dankbar war.
- Sehr spannend war es auch, das NHS kennenzulernen und unterschiedlichste Erfahrungen und Meinungen von medizinischem Personal und Patient*innen erzählt zu bekommen. In meinen zwei Monaten dort habe ich zwei junior doctor strikes erlebt: An diesen Tagen waren keine Assistenzärzt*innen anwesend, die consultants mussten die Station und die Ambulanzen alleine stemmen.
- Die Anwesenheitszeiten für Medizinstudierende sind recht flexibel, je nach Interesse und tagesabhängigem Arbeitsaufkommen kann man früher oder später kommen und gehen.
- Es war natürlich auch ein Highlight für knappe zwei Monate in London leben zu dürfen, wo einem die Möglichkeiten wirklich nicht ausgehen. Kulturell kann ich u.a. das Royal Opera House (Friday Rush/Young tickets, ansonsten unbezahlbar!), Regent's Park Open Air Theatre und die BBC Proms in der Royal Albert Hall sehr empfehlen. Um eine große Auswahl an Sportmöglichkeiten auszuprobieren, kann ich jedem den classpass ans Herz legen (bspw. spinning, aerial yoga, Pilates).
Schwächen:
- Leider hat mich das reduzierte Tätigkeitsspektrum als Medizinstudentin dort doch mehr gestört, als ich zuvor erwartet hätte. Obwohl ich mir zuvor durchaus bewusst war, dass der Klinikalltag für Medizinstudierende dort tendenziell eher beobachtend ist, war ich doch enttäuscht davon, dass der Wissenszuwachs durch die wenige Verantwortung, die man in der Patientenversorgung übernimmt, geringer ist. Man kennt dort die Rolle eines/einer 'PJler*in nicht, was einen zu einem mitlaufenden Medizinstudierenden macht.
- In meiner Zeit dort habe ich nur wenige andere Medizinstudierende kennengelernt, was mitunter am Zeitraum lag (Ende vom letzten term und damit Klausurenzeit). Auch wenn das ärztliche Termin wirklich sehr nett war, ging mir der Kontakt zu jemanden in der gleichen Situation ab. Im zweiten Monat hatte ich das Glück, dass eine Medizinstudentin aus Australien ihr elective ebenfalls auf der Onkologie begann. Eine Verbündete machte nicht nur den Klinikalltag viel abwechslungsreicher, sondern wir konnten auch gemeinsam am Feierabend London erkunden.
Unterkunft:
Das Royal Free Accommodation Team hat eine Liste mit Empfehlungen für Unterkünfte bereitliegen, darunter https://www.doctorhouse.co.uk/, über die ich meine letztendliche Wohnung gefunden habe.
Ich war sehr zufrieden mit meiner Unterkunft am Queens Park, habe allerdings £2,530 für die 55 Nächte gezahlt. Für erschwinglichere Zimmer kann man sich bei den UCL Wohnheimen bewerben.
Lebenshaltungskosten:
£46.00 Unterkunft pro Nacht, £4.00 Mittagessen in der Kantine, £3.60 Transport/Tag
Die Lebensmittel sind etwas teurer als in Deutschland (Aldi/Lidl sind preislich deutlich unter dem Durchschnitt).
Außerdem will man natürlich die vielen kulturellen Angebote nicht ungenutzt lassen, die nicht immer günstig sind (unbedingt Rush Tickets und Young-Tarife im ROH beachten)
Fazit:
Ich würde den Platz prinzipiell empfehlen, da ich dort eine wirklich schöne und lehrreiche Zeit verbracht habe. Ich würde allerdings eine Ausnahme machen für die Studierende, denen es im PJ nochmal sehr wichtig ist, möglichst viel Praktisches zu lernen um gut auf den Arbeitseinstieg vorbereitet zu sein.
Bewerbung
Bewerbung 6 Monate im Voraus über die o.g. Webseite, im Vergleich unkomplizierter als an anderen englischen Universitäten da kein Motivations- oder Empfehlungsschreiben nötig (IELTS/TOEFL sollte jedoch rechtzeitig geplant werden)
(Achtung: Kurzer Vorlauf hat sich damals durch Covid ergeben, da erst kurz zuvor wieder für internationals geöffnet wurde, mittlerweile wieder ca. ein Jahr Vorlauf)