Mein 4-monatiges Tertial in Pfäfers hat meine hohen Erwartungen völlig übertroffen und ich würde es jedem weiterempfehlen. Angehende Psychiater könnten von der guten Betreuung und der ungewöhnlich familiärer Stimmung angelockt werden, in Pfäfers zu bleiben; Unentschiedene werden sich wahrscheinlich für die Psychiatrie entscheiden; und definitive Nicht-Psychiater (wie ich) werden eine anspruchsvolle und sehr lehrreiche Zeit mit einem sehr netten und sehr internationalen Team verbringen.
Ich bin aus eigenem Wunsch die ganzen 4 Monate auf einer Station geblieben, im Prinzip kann man aber auch nach 2 Monaten wechseln. Ich wurde auf die Station Akut A eingeteilt, eine fakultativ-geschlossene akut-psychiatrische Station für über 50-jährige (die meisten Patienten waren 50 bis 70-jährige mit affektiven Störungen). Zusammen mit dem OA und der AA betreute man bis zu 18 Patienten. Die anderen 9 Stationen waren etwa ähnlich belegt, insgesamt gab es 150 Betten. Also eine überschaubare Anzahl an Ärzten, die man alle sehr schnell kennenlernt. Dazu gibt es aber noch die Psychologinnen, Sozialarbeiter, Therapeuten, Pfarrer und natürlich das Pflegepersonal und bis zum Ende lernt man eigentlich fast jeden kennenlernen. Wie gesagt, es herrscht eine sehr familiäre Stimmung, nicht zuletzt da jeder in Zivilkleidung ist. Die Mitarbeit und Beziehung zwischen den Ärzten (und UAs) und dem Pflegepersonal habe ich viel enger als in somatischen Krankenhäusern erlebt (ich weiss aber nicht, ob das auch für alle Stationen gilt).
Zum Tagesablauf:
08:00 - Morgenbesprechung der ganzen Klinik (in einem schönen Saal im alten Klostergebäude). Unter anderem stellt man die Eintritte des Vortages vor und es werden die geplanten Eintritte zugeteilt. Man kann gerne auch Eintritte auf anderen Stationen übernehmen, um eine größere Vielfalt an Krankheitsbildern zu sehen. Nach der Morgenbesprechung natürlich kurze Kaffee-Runde.
09:00 – Morgenbesprechung der Station, Mindestbesetzung UA und Pflege, normalerweise auch AA, eventuell auch OA. Es wird jeder Patient diskutiert und ein Programm für den Tag erstellt.
Klinikalltag (zB Eintritte, Patientengespräche, Angehörigengespräche, Telefonate, Dokumentation, somatische Abklärung (Labor, EKG etc.))
~11:30 – Leckeres (aber nicht ganz billiges) Mittagessen
13:00 – Pflegeübergabe, AA und UA sind meistens dabei.
Klinikalltag
~17:00 – Feierabend.
1 mal pro Woche Visite, anschliessend interdisziplinärer Rapport.
Aufgaben:
Als UA macht man alles, was ein AA auch macht, am Anfang unter Aufsicht, dann alleine. Aufnahmen kann man schnell alleine übernehmen. Für die komplette Führung eines Patienten kann es etwas länger dauern. Auf jeden Fall wurde ich bis auf „Du bist doch Student, bleib nicht so spät arbeiten!” immer von allen AAs wie ein weiterer AA behandelt. Und meistens auch von allen anderen im Spital. Man ist überall gerne gesehen, wenn Interesse besteht kann man auch bei somatischen Notfällen mithelfen, anders als unter Internisten fühlt man sich hier nicht überflüssig. Obwohl es besonders auf den Akutstationen manchmal hektisch werden kann, bekommt man immer genug Unterstützung, entweder von den Ärzten oder von der Pflege. Anders als in den somatischen Spitälern wo ich bisher war, ist der OA hier fast immer auf seiner Station. Auch wenn man an manchen Tagen seinen Feierabend verschieben muss, wird im Sekretariat schon aufgepasst, dass man bis zum Ende seine Überstunden kompensiert hat.
Fortbildungen
Neben der wöchentlichen Assistenzarztfortbildung und dem wöchentlichen Morgenvortrag gibt es unterschiedliche teilweise sehr spannende Kurse für das ganze Klinikpersonal. Abhängig vom Interesse und von der Patientensituation kann man sich auch manchmal leisten, in benachbarte Ortschaften für weitere Fortbildungen zu fahren. Auch auf der Station lernt man viel, die meisten OAs freuen sich, einem etwas erklären zu können.
Freizeit
Obwohl ich der einzige UA in einem fast leeren Personalhaus war, ist es mir nicht langweilig geworden. Dazu haben aber sicher die sehr netten und überdurchschnittlich aktiven Assistenzärzte beigetragen, mit denen man öfters etwas unternehmen konnte. Ich war auch viel mit dem Auto unterwegs, ohne Auto wäre man ziemlich isoliert (in einer ganz schönen Landschaft). Das Geld hat bei mir ausgereicht, um an Wochenenden auch ein bisschen zu reisen.
Fazit
Ich hatte 3 ganz gute Tertiale in der Schweiz, dieses war aber mit Abstand das beste. Ich würde es jedem empfehlen, der nach einer anspruchsvollen selbstständigen Tätigkeit, aber auch nach ausreichender Freizeit in einer schönen Gegend, sucht.
Bewerbung
Direkt bei der leitenden Ärztin, Dr. Regula Meinherz, auch kurzfristig möglich.