Irland ist ein wirklich wunderschönes Land mit einer atemberaubenden Natur, dem wirkliche besten Bier und absolut super freundlichen Menschen. Castlebar im County Mayo ist ein kleines Dorf mit 12.000 Einwohnern und ungefähr eine Stunde von Galway entfernt. Das Krankenhaus ist auch dementsprechend eher klein, was ja aber auch Vorteile haben kann. Das PJ am Mayo General Hospital in Castlebar ist im Vergleich zu einem deutschen PJ- Alltag sehr entspannt aber auch sehr chaotisch. Es geht nicht vor um 8 Uhr morgens los (Innere Medizin erst um 9) und es wird oft auch mal zusammen Kaffee getrunken. Einen richtigen irischen PJ-Studenten gibt es nicht, dort absolvieren die Ärzte nach dem Studium ein Jahr als "Intern" (was ungefähr das gleiche ist, nur mit besserer Bezahlung). Interns sind hauptsächlich für die Stationsarbeit zuständig. Als PJler muss man also klar seine Wünsche einfordern, je nach dem was man machen möchte, weil es diese Art von Praktikum nicht gibt.
In Irland wird im Krankenhaus in Teams gearbeitet, die aus einem Consultant (Chefarzt), 1-2 Registrars (Oberärzten), 3-4 SHO (Senior House officers, Fach-/Altassistenten) und 1-2 Interns (Arzt im Praktikum) bestehen. Ich war bei Consultant Mr. Derek Bennett in der Orthopädie eingeteilt. Mr Bennett ist ein wirklich irisches Original mit dem es sehr viel Spaß macht, zusammen zu arbeiten. Er wird dir 90% der Zeit Vorträge über irischen Whiskey (Achtung nicht Whisky) und irisches Bier halten und manchmal auch etwas von Orthopädie erzählen. Er nimmt deutsche Studenten auch sehr gerne mit in eine Privatklinik in Galway, wo er einmal die Woche Hüft- und Knie-Prothesen operiert und man eigentlich immer als 1. Assistenz helfen kann (ich hatte ein Auto um nach Galway zu kommen, er hat mir ab und zu Spritgeld gegeben). Sein Team war zu der Zeit in der ich da war sehr freundlich. Die Teams wechseln sich allerdings fast alle 6 Monate bis auf die Oberärzte fast komplett aus. Aber die Stimmung im Krankenhaus war (wie sonst in Irland generell) überaus freundlich und zuvorkommend, vor allem wenn man selber hilfsbereit und freundlich auftritt und den jungen sehr unerfahrenen irischen Ärzten mit den deutschen Blutabnahme-Skills behilflich ist. Von den Ärzten kommen sehr viele aus Ländern wie Pakistan, Sudan und Saudi Arabien. Die Anderen orthopädischen Consultants (Prof O'Grady und Ms Hughes) habe ich kaum kennengelernt, aber deren Teammitglieder waren auch allesamt sehr freundlich. Im Krankenhaus trägt kaum jemand einen weißen Kittel. Die Ärzte tragen üblicherweise förmliche Kleidung (keine Jeans, obwohl dann doch manche Jeans anhatten) und oft nach der ersten OP dann auch die grünen Scrubs, die nicht nur im OP-Bereich getragen werden. Generell kann das Krankenhaus hygienisch nicht mit einem deutschen Krankenhaus mithalten.
Unterkunft:
Man bekommt eine Liste mit Accomodations zugeschickt und kann diese dann privat anschreiben. Ich war bei Bernard und Mary King untergebracht (mit 4 anderen deutschen Studenten zeitgleich). Bernard und Mary sind wirklich nett und haben eine kleine Wohnung, nah am Krankenhaus (10 min zu Fuss, 3 min mit Fahrrad, das man sich bei Clodagh leihen kann). Da wirklich fast alle deutschen Studenten bei Bernard und Mary gewohnt haben, kann ich zu anderen Unterkünften nicht viel sagen. Mir persönlich war es zeitweise etwas zu voll in der Wohnung (7er Zweck WG quasi :D ). Freunde konnten eigentlich immer zu Besuch kommen, man sollte es allerdings vorher mit Bernard absprechen und er verlangt einen Obulus für die zusätzlichen Energiekosten.
Irland:
Der entspannte Arbeitsalltag im Krankenhaus lässt genügend Zeit und Luft, um Irland zu erkunden. Von Castlebar aus kann man gut die wunderschöne Westküste
entdecken: Die Küstenstädte Westport und Newport, Achill Island, Clare Island, die Cliffs of Northern Mayo, der Connemara National Park, die Aran Islands in der Galway Bay oder die Cliffs of Moher. Viele der Touren führen mitten in unberührte Wildnis, in die Berge, zu kleinen Seen und in abgelegene Täler abseits der Touristenattraktionen. Das Wetter ist im Sommer nicht so schlecht wie man es sich vorstellt. Es regnet ab und zu, woran man sich aber schnell gewöhnt. Man kann in Westport Fahrräder ausleihen und entlang des Greenway, der alten Bahnlinie, die Küstenstraße bis nach Achill Island entlangradeln. Ein Muss ist die Besteigung des Croagh Patrick, auf den sich der irische Nationalheilige St. Patrick für 40 Tage zum Fasten und Beten zurückgezogen haben soll. Der Gipfel des Berges ist eine beliebte Pilgerstätte, manche Pilger legen den Weg sogar barfuß zurück ( vor allem am 2. Sonntag im Juli, Reek Sunday). Die Aussicht von oben auf die Küste mit ihren vielen kleinen Inseln ist wunderschön. Von Castlebar aus ist der Berg mit Bus und Taxi gut zu erreichen. Ganz in der Nähe ist Galway, eine schöne, lebhafte Studentenstadt direkt am Meer. Zu empfehlen ist auch www.surfmayo.ie wer gerne surft oder es lernen möchte. Irland ist ein relativ unbekanntes Surfparadies, wo das Wasser auch nicht viel kälter ist als in Portugal. Natürlich ist Dublin und die Guinness Brauerei ist ein absolutes Muss. Sehr beindruckt hat mich Belfast und Nordirland. Die Zerrissenheit des britischen Teils Irlands ist noch immer überall zu spüren. Empfehlenswert ist das Museum Titanic Belfast, in dem man auf sehr interaktive Weise alles über die Entstehung der Titanic (in den Werften von Belfast) und deren Schicksal erfahren kann.
Getting there and away:
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln allein kommt man von Castlebar aus nicht weit. Bus Eireann unterhält viele Verbindungen in die umliegenden Städte, allerdings fahren die Buse oft nur einmal am Tag oder zu ungelegener Uhrzeit (www.buseireann.ie). Allerdings kommt man sehr gut und relativ billig mit der Bahn nach Dublin oder Westport (Studententicket kaufen!). Ich war mit eigenem Auto in Castlebar zu kommen, was wirklich einen großen Vorteil bietet.
Pro
-entspanntes Arbeiten in einem netten Krankenhaus
-extrem netter und lustiger Consultant (Mr Bennett), der sich wirklich von jedem mir bisher bekannten deutschen Chefarzt positiv unterscheidet
-alles kann nichts muss (wie überall, aber aufgrund der wirklich Netten Iren traut man sich schneller sich Sachen einzufordern)
-mitoperieren am Tisch immer möglich
-mehrmals die Woche sind früh um 7:30 Gelenkpunktionen und kleine ambulante OPs (Karpaltunnel), bei denen man mitmachen kann (habe mehrere Knie und Schulter punktionen gemacht.
- schönes Land mit viel Freizeit (langes Wochenende nie ein Problem, Empfehlung Gym: Leisure Complex (40€/Monat mit Schwimmbad und Sauna)
- Castlebar ist eine nette kleine Stadt in der man 8 Wochen gut übersteht (habe es nicht geschafft alle Pubs der Stadt zu besuchen)
- Bier (wahlweise auch Cider und Whiskey)
Contra
- oft sehr chaotisch und man weiß nicht so recht was man machen soll, was zum vorteil hat dass man aber früh gehen kann
- am OP-Tisch oft nur zweite oder dritte Assistenz, je nach Ausbildungsstand der anderen am Tisch
- theoretisch lernt man nicht so viel für das mündliche Staatsexamen
Stationsalltag:
- 8 Uhr Beginn der Visite (keine deutsche Pünktlichkeit erwarten)
- danach Kaffee trinken
- jeweils 1 Tag die Woche (die Ortho Teams teilen sich die Tage auf): 9 Uhr OP Beginn/ Sprechstundenbeginn (montags ist virtual clinic bei der die Röntgenbilder vom Wochenende besprochen werden) (man kann eig. immer bei allen Teams mitlaufen, je nach dem wie viele andere PJler da sind)
- Arbeitsende wann immer man möchte oder mal die Sonne scheint (Bennett: when you dont learn anything, you leave)
Fazit
8 Wochen reichten komplett aus. Man lernt theoretisch nicht so viel. Darf aber auch Nachfrage praktisch schon einiges machen (vergleichbar mit einem Kleinen Krankenhaus in Deutschland. Irland ist nicht gerade billig (Erasmus+ Förderung oder ähnliches erwägen). viel Freizeit und leckeres Bier, absolute Empfehlung für den Sommer nach oder vor einem Stressigen Staatsexamen :)
Bewerbung
Ich habe mich 2 Jahre zuvor per Email an medstudentsscoordinator@gmail.com beworben. Es geht allerdings auch deutlich kurzfristiger, vor allem wenn man in seiner Fachrichtung und Wunsch-Consultant flexibel ist. Clodagh Monaghan (die Frau hinter der Email) ist wirklich nett und antwortet meistens sofort und hilft bei allen Fragen. 8 Wochen kosten 300€ Bearbeitungsgebühr, die nicht ganz gerechtfertigt sind, weil am Ende besteht die "Bearbeitung" nur darin, das Äquivalenz-Dokument für das deutsche Landesprüfungsamt an die Universität Galway zu schicken. Alle anderen Dokumente unterschreibt der Consultant.
Dokumente die benötigt werden sind:
• Impfnachweis für Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und Hepatitis B, Covid
• Polizeiliches Führungszeugnis (manche PJler haben das polizeiliche
Führungszeugnis nicht übersetzen lassen und das hat ausgereicht)
• Dekansbrief (Letter of Recommendation, klingt nach stress, ist aber meistens ein kurzer besuch bei einer Sekretärin in der Heimatuni...)
• Ergebnisse eines MRSA-Abstriches