PJ-Tertial Neurochirurgie in Charite Campus Mitte (7/2020 bis 10/2020)

Station(en)
115A
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP, Station
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Es ist schwierig, dieses Tertial zu bewerten.

Ich fange mal mit dem Positiven an: Wenn man sich für Neurochirurgie begeistert (und ich schätze das tut man, wenn man hier sein Wahltertial absolviert), dann kommt man inhaltlich auf jeden Fall voll auf seine Kosten.
Hier mal ein STA-MCA-Bypass, da eine AVM-Resektion oder darf es zwischendurch ein Aneurysma-Clipping sein mit einem ganz wilden Zugang, der jeden anderen Neurochirurgen vor Respekt erstarren lassen würde (nicht, dass ich das beurteilen könnte)? Könnt ihr haben, und zwar am besten gleich alles an einem Tag. Denn wenn der Chef, aka Gott, am Campus ist, darf der OP-Plan nicht leer sein. Und für einen lumbalen Bandscheibenvorfall steht er halt noch nicht einmal auf, ist ja klar (außer der Patient kommt irgendwo aus Saudi-Arabien mit dem Privat-Jet und lässt danach ein neues OP-Mikroskop springen).
Als PJler kann man, wenn es die Arbeit auf der Station zulässt, jederzeit in den OP zum Zuschauen. Man reiht sich dann neben den gefühlt 12 Hospitanten aus aller Welt ein und guckt ehrfurchtsvoll auf den Bildschirm des Mikroskops.
Wie gesagt, wenn man sich für Neurochirurgie und die zugehörigen Eingriffe interessiert und sich auch darauf vorbereitet, dann kann es wirklich Spaß machen. Fast ein bisschen wie ein sehr spannender Kinofilm.
So. Nun zum eigentlichen Arbeitsbereich des PJlers.
Man arbeitet die meiste Zeit auf der Station. Da die Assistenten mit so viel Arbeit zugeschüttet werden, dass sie es an dem knapp 14-stündigen Arbeitstag gerade einmal schaffen, zum Mittagessen 3 Schluck Club-Mate zu trinken, macht man eigentlich die gesamte Stationsarbeit mehr oder weniger alleine. Morgens wird eine To-Do-Liste geschrieben (ergibt sich meistens durch in den Raum geworfene Anmerkungen der Oberärzte auf der morgendlichen "Visite") und die wird dann den ganzen Tag über abgearbeitet (zusammen mit dem Physician Assistant).
Das sind dann Blutentnahmen (garnicht mal so viele, schließlich will man nicht so einen Fauxpas erleben wie aus Versehen postoperativ abgenommene CRP-Werte), Flexülen, Drainagen ziehen, Konsile anmelden (inklusive Gespräche mit entzürnten Konsil-Ärzten, warum man denn mit PJlern sprechen muss), KG anmelden und Reha-Anträge ausfüllen. Reha-Anträge ausfüllen mag jetzt nicht so spannend klingen, bringt aber bei den Massen, die man da abfertigt, tatsächlich richtig Geld.
Manchmal darf man auch eine Lumbal-Punktion oder eine Facettengelenksinfiltration durchführen. Alles in allem auch nicht so schlecht.

Nun zum Negativen: Mir war klar, dass chirurgische Abteilungen an Uni-Klinken hierarchie-technisch eher den Endgegner darstellen. Aber so etwas wie hier hat mich dann doch überrascht. Wahnsinn! Psychologen könnten sich hier in die Abteilung setzen und hätten wahrscheinlich nach einer Woche genug Material zusammen für ihre Habilitation über fundamentale Persönlichkeitsstörungen.
Für sich genommen sind die allermeisten Assistenzärzte und auch wahrscheinlich Oberärzte richtig coole Leute. Aber in diesem Setting wird dann ganz schnell klar, dass die Mischung aus übersteigertem Ehrgeiz, Angst, bloßgestellt zu werden und der extrem hohen Arbeitsbelastung nicht unbedingt die Schokoladenseite des Charakters zum Vorschein bringt.
Als PJler bleibt man meist von verbalen Übergriffen verschont, aber wenn etwas falsch läuft (das CT ist noch nicht gelaufen etc) bekommt man schon einmal einen Spruch ab. Aber das ist nichts im Gegensatz dazu, was die Assistenten einstecken müssen und zwar für Dinge, die sie noch nicht einmal zu verantworten haben. Das teilweise komplett absurde Sozialverhalten einiger Leute in der Abteilung führt dann leider zu einer nur so mittelguten Stimmung.
Der Umgang mit den Patienten bewegt sich zwischen Überforderung durch die riesige Anzahl an teilweise sehr komplexen Fällen und (nicht von allen Ärzten) extrem respektlosen Verhalten.
Grundsätzlich muss man sich fragen, ob eine derart ausgeprägte Hierarchie noch zeitgemäß ist und heutzutage, wo Gender-Equality und Antidiskrimierung zu Trendthemen werden, vielleicht auch einfach dem Zeitgeist hinterher hängt. Aber naja. Wir sind hier halt an der Charité und nicht bei Wünsch-dir-Was, gute Arbeitsbedingungen kannst du woanders haben, dafür hat man hier hinterher eine tolle Station im Lebenslauf.

Wie gesagt ist es extrem schwierig, dieses Tertial zu bewerten. Alles in allem würde ich es Leuten empfehlen, die sich sehr für das Fach interessieren, denn die können hier wirklich etwas mitnehmen. Die Stimmung und die Hierarchie waren für mich persönlich sehr schwer zu ertragen, aber wenn man das Ganze eher als Lebenserfahrung oder Sozialexperiment wahrnimmt oder auch einfach anders mit so etwas umgehen kann als ich, dann kann das hier alles gut werden.

Noch ein letztes Wort zur Arbeitsbelastung: Ja, die ist auch für PJler sehr groß. Und man kann hier mit Sicherheit auch länger als 12 Stunden am Tag sitzen und brav ein Konsil nach dem anderen umsetzen. Aber man kann auch um 17 Uhr gehen. Denn man sieht keinen einzigen f*** Cent für die Arbeit, die man hier leistet. Und ich hatte in meiner Zeit mit den Assistenten Glück, denn sie haben es zumindest akzeptiert.

Viel Spaß :)
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
Bildgebung
Tätigkeiten
Botengänge (Nichtärztl.)
Mitoperieren
Blut abnehmen
Patienten untersuchen
Briefe schreiben
Röntgenbesprechung
Untersuchungen anmelden
Chirurgische Wundversorgung
Punktionen
Braunülen legen
Rehas anmelden
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Kleidung gestellt

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
4
Klinik insgesamt
3
Unterricht
3
Betreuung
4
Freizeit
4
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
3

Durchschnitt 3.2